Kommentar: Die „Drohnenwall“-Debatte spielt Putin in die Hände

Der „Drohnenwall“ hat eine rasante Karriere gemacht. Vor einigen Wochen hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Wort erstmals benutzt. Am Mittwoch wurde es beim EU-Gipfel in Kopenhagen von einem Regierungschef nach dem anderen wiederholt.
Ein Grund: Politiker lieben plakative Bilder. Ein „Drohnenwall“ an der Nato-Ostflanke, das klingt nach einem undurchlässigen Eisernen Vorhang, an dem russische Drohnen und Raketen einfach zerschellen. Ein bisschen wie der „Iron Dome“ in Israel. Hinzu kommt, dass Russland mit seinen ständigen Luftraumverletzungen akut das Gefühl verstärkt, dass der Nato-Luftraum unzureichend geschützt sei.
Es ist daher richtig, dass die Europäer ihre Drohnenabwehr verbessern wollen. Die Bundesregierung schafft neue Anti-Drohnen-Systeme an und will die Einsatzregeln für den Abschuss ausweiten. Das ist überfällig, denn die Debatte über eine wirksame Drohnenabwehr läuft in Sicherheitskreisen schon seit mehr als zehn Jahren.
Drohnen-Debatte lenkt von der Ukraine ab
Auch ist es sinnvoll, die Frontstaaten an der Ostflanke auf den gleichen technischen Stand zu bringen. Denn eine Drohnenabwehr ist immer nur so gut wie ihr schwächstes Glied. Aktuell sind manche Staaten weiter als andere.
Allerdings müssen die Europäer aufpassen, dass sie nicht in Wladimir Putins Falle tappen. Die Luftraumverletzungen dienen offenbar dazu, die EU von der tatsächlichen Front in der Ukraine abzulenken und sich auf die hypothetische Bedrohung des eigenen Staatsgebiets zu konzentrieren. Diesen Gefallen sollte die EU dem russischen Präsidenten nicht tun.
Die Ukraine bleibt die wichtigste Verteidigungslinie gegen Russland, die Zwischenfälle im Nato-Luftraum hingegen sind bloße Provokationen. Die Nato hat in Polen gezeigt, dass sie Drohnen notfalls abschießen kann – wenn auch mit teuren Raketen. Die russischen MiG-Kampfjets in Estland wurden von Nato-Fliegern hinaus eskortiert. Es ist daher falsch zu suggerieren, die Nato sei schutzlos.
Auch darf die Debatte über die Verteidigungsfähigkeit nicht auf den „Drohnen-Wall“ verengt werden. Das ist bislang nicht mehr als ein schlagzeilentaugliches Wort. Wie es umgesetzt werden könnte, ist vollkommen unklar – auch wird es Jahre dauern. Mindestens ebenso wichtig für die Abschreckung Russlands sind präzise Offensivwaffen mit großer Reichweite, um im Angriffsfall die Logistik hinter den russischen Drohnenschwärmen zerstören zu können.
Die oberste Priorität der Europäer muss die Ukraine bleiben. Deshalb ist der Plan der Regierungschefs, das russische Vermögen indirekt für die Finanzierung des ukrainischen Militärs einzusetzen, ungleich wichtiger als das Gerede vom „Drohnen-Wall“. Das ist die Botschaft von Kopenhagen, die auch Putin beeindrucken dürfte.