Kommentar Die Geldwäsche-Razzia im Finanzministerium ist ein Weckruf der Ermittler
Olaf Scholz reagierte sichtlich pikiert, als er zur Razzia der Staatsanwaltschaft Osnabrück in seinem Finanzministerium und dem Justizministerium gefragt wurde. „Die Staatsanwaltschaft hat wegen der Ermittlungen gegen unbekannte Mitarbeiter in Köln ein paar Fragen an die Ministerien in Berlin. Die hätte man schriftlich stellen können“, sagte der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat. „Nun sind sie auf andere Weise gestellt worden. Das mag jeder für sich selbst bewerten.“
Genossen sekundierten und raunten, dass der Zeitpunkt der Razzia mitten im Wahlkampf wohl kein Zufall sei. Ihr unmissverständlicher Vorwurf: Die Staatsanwaltschaft lässt sich für den CDU-Kandidaten Armin Laschet einspannen.
Dabei gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass sich der Unionspolitiker in die Arbeit der Staatsanwaltschaft einmischte. Die Ermittlungsbehörde macht die Arbeit, die sie machen muss. Der Verdacht gegen Mitarbeiter der Financial Intelligence Unit (FIU) wiegt schwer. Es ist nicht die Schuld der Staatsanwaltschaft, dass diese Behörde im Verantwortungsbereich von Scholz liegt.
Seit 2020 ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Strafvereitelung im Amt gegen Mitarbeiter der FIU, der deutschen Antigeldwäschebehörde. Ihr wurden in der Vergangenheit mehrfach schwere Versäumnisse vorgeworfen. Erst vor wenigen Monaten wies der Bundesrechnungshof auf eklatante Defizite hin. Experten schätzen, dass in der Bundesrepublik jährlich rund 100 Milliarden Euro gewaschen werden.
In dem von der Staatsanwaltschaft Osnabrück untersuchten Fall versäumte es die FIU sogar, von drei Banken bereits gefertigte Verdachtsmeldungen an Polizei und Justiz weiterzuleiten. Dabei ging es um Zahlungen, die womöglich aus Waffen- und Drogenhandel sowie Terrorismusfinanzierung stammen. Nun vermutet die Staatsanwaltschaft, dass mehr dahintersteckt als bloße Schlamperei.
War die Behördenleitung eingebunden?
Wichtige Spuren der Affäre führen nach Berlin. Im Zuge der Ermittlungen soll untersucht werden, ob und wieweit die Leitung und Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in die Entscheidungen der FIU eingebunden waren, erklärte die Staatsanwaltschaft. Ziel der Durchsuchungen sei es, „den Straftatverdacht und individuelle Verantwortlichkeiten weiter aufzuklären.“
Die SPD schadet dem Rechtsstaat, wenn sie Ermittlungen ohne Angabe von Beweisen als politisch motiviert bezeichnet. Keine Staatsanwaltschaft ermittelt ins Blaue hinein, kein Richter unterschreibt Dursuchungsbeschlüsse auf gut Glück.
Die Razzia im Justizministerium und Finanzministerium war eine sogenannte Durchsuchung bei Dritten. Sie dient der Sachaufklärung. Dass die Staatsanwaltschaft trotz des zu erwartenden politischen Gegenwinds die beiden Ministerien durchsuchte, wirft keinen Schatten auf den Rechtsstaat. Es ist ein Ausweis, dass er funktioniert.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig tut gut daran, sich selbst ein Bild von der Situation zu machen. Sie muss sich einem umfassenden Überblick verschaffen, um die relevanten Informationen herauszufiltern. Es wäre eben nicht damit getan, den Ministerien „ein paar Fragen zu schicken“, wie Scholz vorschlägt. Ist es tatsächlich das, was sich Deutschlands Vizekanzler unter der Ermittlungstätigkeit deutscher Strafverfolgungsbehörden vorstellt?
Versäumnisse bei anderen Skandalen
Deutsche Behörden jedenfalls haben bei der Aufklärung von Straftaten in der Vergangenheit gepatzt. Der Bilanzskandal von Wirecard ist ein großes Beispiel, die Steueraffäre um Cum-Ex-Geschäfte ein anderes.
Unter dem Vorwand, man müsse Steuer- oder Geschäftsgeheimnisse wahren, gaben Ministerien Informationen zur Aufarbeitung der Skandale sehr sparsam preis. Die Sorge um die eigene vermeintlich weiße Weste stand offenbar der Wahrheitsfindung entgegen.
Davon sollten sich Staatsanwälte nicht aufhalten lassen. Sie leisten mit ihren Ermittlungen einen wichtigen Beitrag, die strukturellen Defizite bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland aufzuzeigen.
Seit die FIU die Federführung bei der Geldwäschekontrolle übernahm, ging die Zahl der Verdachtsmeldungen seltsam stark zurück. Das widerspricht jeder Alltagserfahrung. Geldwäscher haben es in Deutschland noch immer viel zu leicht. Der Staat kann dieses Übel nicht beseitigen, indem er es unterschlägt. Er muss es untersuchen – auch dort, wo es Scholz nicht gefällt.
Mehr: Was es mit der Razzia im Bundesfinanz- und Justizministerium auf sich hat
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.