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KommentarDie neue Macht der Virologen

Am Anfang der Coronakrise war die Politik das Problem, weil sie keine Ahnung von Virologie hat. Nun regieren die Virologen, die leider wenig von Wirtschaft verstehen.Thomas Tuma 26.03.2020 - 14:24 Uhr

In der Coronakrise waren die Politiker zunächst das größte Problem, weil sie keine Ahnung von Virologie hatten. Doch die Virologen haben im Gegenzug wenig Ahnung von Politik oder Wirtschaft.

Foto: dpa

Man hätte sich fürs künftige Kanzleramt einige Führungsfiguren vorstellen können: Friedrich Merz etwa oder Armin Laschet, manche Romantiker sicher auch Robert Habeck. Aber dass dort mal ein Arzt regiert – und das, ohne je gewählt worden zu sein –, wäre wohl niemandem in den Sinn gekommen: Er heißt Christian Drosten und gilt laut der „Süddeutschen Zeitung“ bereits als „Sex-Symbol“ und „Posterboy der Stunde“, nicht nur wegen seiner „weichen Lippen“, wie die Autorin schwärmte.

„Kann er Kanzler?“, wurde bereits gefragt. Drosten ist Virologe an der Charité und so etwas wie der Cheferklärer, aber auch Mitentscheider in der aktuellen Krise geworden wie sonst nur noch Lothar Wieler, Chef des Robert Koch-Instituts. Damit fangen leider auch neue Probleme an.

Was Drosten via Twitter, Podcast oder Maybrit Illner sagt, ist Gesetz. Das kann man durchaus wörtlich nehmen, denn egal, ob Versammlungsverbote, Ladenschließungen oder Ausgangsbeschränkungen – Drosten hat eine Empfehlung kaum ausgesprochen, da ist sie politisch schon beschlossen.

Der Grund: In der Bundespolitik hat ein bizarrer Wettbewerb begonnen: Wer hat noch drakonischere Anti-Corona-Maßnahmen in petto? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und sein NRW-Kollege Laschet streiten da nur stellvertretend. Und die Virologen nicken gefällig, auch wenn sie sich untereinander selten einig sind, was die Sache nicht klarer macht.

In den ersten Monaten der Coronakrise waren die Politiker das größte Problem, weil sie keine Ahnung von Virologie hatten. Jetzt, da die Seuchenexperten übernommen haben, zeigt sich eine andere Schwäche: Virologen haben im Gegenzug wenig Ahnung von Politik oder gar Wirtschaft.

Das wiederum wäre nicht weiter schlimm, wenn sie nicht beides weitgehend enthemmt und geradezu außerparlamentarisch radikal vor sich hertreiben würden wie weiße Mäuse in einem Laborexperiment. Die Mäuse samt Hamsterrad sind wir und die Weltökonomie. Die Versuchsanordnung lautet in etwa: Sterben die Probanden eher an Sars-CoV-2 oder an Langeweile, Isolation, Hunger, Psychosen oder Depressionen?

Die Infektion ist noch längst nicht ausgestanden, aber die Weltwirtschaft schon jetzt an den Rand des Ruins getrieben: An den Börsen lösen sich Billionenwerte auf. Kompletten Branchen und Volkswirtschaften droht Schlimmstes.

Kurzarbeit federt in der Bundesrepublik bislang noch das Gröbste ab, aber wie lange noch? Jeder Tag im Ausnahmezustand lässt die bereits sichere Rezession nur noch viel länger andauern, wenn es überhaupt jemals wieder aufwärtsgeht.

Was da vom Mietrecht bis zur Versammlungsfreiheit gerade tagtäglich wegdesinfiziert wird, ist zumindest erstaunlich. Wissen Drosten, Wieler und ihre Kollegen eigentlich, was sie da anrichten? Wie viele Jobs und damit ja auch Leben derzeit aufs Spiel gesetzt werden?

Eine erschütternde Verzagtheit lähmt das Land

Fast noch schlimmer ist eine Entwicklung, die man bereits jetzt beobachten kann: Eine erschütternde Verzagtheit legt sich wie Mehltau übers Land der Dichter und Denker, ein nie für möglich gehaltenes Phlegma bemächtigt sich selbst der Wall Street.

Und das alles eingebettet in eine Art Meinungs-Monokultur des #Wirbleibenzuhause. Die ganz Entschlossenen wagen sich noch auf den Balkon und singen „Freude schöner Götterfunken“, weil so ein musikalischer Flashmob ein irgendwie muggeliges Gemeinschaftsgefühl verspricht. Aber weniger Tatkraft hat man selten erlebt.
Wirtschaft ist auch Psychologie. Insofern droht eine Herrschaft der Ängstlichkeit, der kleinen, noch dümmeren Schwester der Angst. Aus Ängstlichkeit wird Unsicherheit, wird Fatalismus, wird Unzufriedenheit, wird Zorn.

Mit diesem Spirit der Verzagtheit hätte Carl Benz wohl nie das Auto erfunden und Neil Armstrong nie den Mond betreten. Aber das ist ja auch nicht das Terrain der Virologen, muss man fairerweise sagen: Sie sind die Notfallmediziner, nicht die Schmuse-Therapeuten. Nur: Was, wenn die Operation Corona-Rettung am Ende gelungen und der Patient trotzdem (und deshalb) tot ist?

Diese Woche war eine besondere in der bisherigen Krise: Es zeigte sich ja nicht nur, dass das Primat der Wissenschaft das brutalste Opfer überhaupt fordern könnte – die Funktionstüchtigkeit der Weltgemeinschaft, deren Treibstoff nun mal Produktion und Handel, Innovation und Wettbewerb sind. Auf der anderen Seite rührte sich erstmals Widerstand gegen den rasenden Stillstand.

Man darf die beiden Seiten nicht gegeneinander ausspielen. Wer den Kapitalismus retten möchte, will doch keine Menschenleben opfern. Genauso klar muss es sein, dass wir nicht sofort wieder alle Schranken öffnen können.

Aber im Stubenarrest gewinnt man keine Kriege. Es muss mehr über Mittelwege diskutiert werden. Medizin und Wirtschaft können die Welt nur gemeinsam retten. Da ist nun eine Politik gefragt, die abwägt und dann präzise entscheidet, denn klar ist auch: Jeder Tag Stillstand zu viel wird dramatische Konsequenzen für uns alle haben.

Mehr: Das Coronavirus spült existenzielle Fragen nach oben, die sonst kollektiv verdrängt werden. Die Politik muss nun den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Wirtschaft erhalten.

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