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KommentarDie Politik wird auch beim Impfstart von Schülern enttäuschen

Gesundheitsminister Spahn plant mit sechs Millionen Impfdosen für Kinder und Jugendliche. Eine schnelle Immunisierung wird es trotz allem nicht geben.Jürgen Klöckner 27.05.2021 - 09:29 Uhr Artikel anhören

Ab 7. Juni dürfen sich zwar alle impfen lassen, aber sie können es nicht, weil es nicht genügend Vakzin gibt.

Foto: dpa

Da sind sie wieder, die wohlklingenden Versprechen. Die Adressaten dieses Mal: Kinder, Jugendliche und ihre Eltern, für die dieses Jahr das maximale Chaos war. Endloses Homeschooling, teils in kleinen Stadtwohnungen mit in Vollzeit arbeitenden Eltern und ihren Kindern, die mit Bewegungsmangel und sozialer Isolation fertigwerden müssen.

Der Leidensdruck ist also hoch, die Empfangsantennen sind auf erlösende Worte der Politik eingestellt. Und die mehren sich nun, kurz vor dem Impfgipfel von Bund und Ländern am Donnerstag, der endlich Klarheit schaffen soll.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will beispielsweise bis Ende August allen 12- bis 15-Jährigen ein Impfangebot machen und ihnen dafür das Biontech-Vakzin reservieren. Und Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) wünscht sich einen normalen Schulbetrieb nach den Sommerferien und knüpft dies an eine möglichst hohe Impfquote unter Schülern.

Was verstehen die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie solche Sätze hören? Impfen bis Ende August. Normaler Schulbetrieb nach den Sommerferien. Dass daraus aber vermutlich nichts werden könnte, dass diese Signale ja in Wahrheit nur Willens- und Wünschensbekundungen sind, überhören sie schnell. Die Feinheiten der politischen Rhetorik, mit denen sich Verantwortliche Notausgänge offenhalten – sie gehen am Großteil der Bevölkerung vorbei. Die Enttäuschung ist programmiert, wie so oft in dieser Pandemie.

Gebrochene Versprechen

So war es mit der Corona-Warn-App, die deutlich später kam als geplant und deutlich weniger die Gesundheitsämter entlastete als erhofft. So war es mit dem groß angekündigten Impfstart, den spätestens Fotos von winzigen Lieferkisten in riesigen Lastern entzauberte. Und so ist es derzeit auch mit der Aufhebung der Impfreihenfolge.

Es dürfen sich zwar alle impfen lassen, aber sie können es nicht, weil es nicht genügend Vakzin gibt. Mit der Wut darüber müssen die Arztpraxen jeden Tag fertigwerden, wenn enttäuschte Impfwillige bei ihnen die Telefonleitungen überlasten. Zu befürchten ist, dass sich auch bei der Impfkampagne für Schüler schnell Ernüchterung einstellen wird – auch, wenn ein anderer Ausgang wünschenswert wäre.

Dass sich ein Großteil der Schülerinnen und Schüler impfen lassen wird, ist an sich schon eine kühne Erwartung. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) den Biontech-Impfstoff nur eingeschränkt für Kinder und Jugendliche empfehlen könnte.

Grund könnte unter anderem eine unbefriedigende Datenlage sein, um die Folgen einer Corona-Erkrankung für diese Altersgruppe und mögliche Risiken durch eine Impfung gegeneinander abwägen zu können. Kinder erkranken zwar deutlich seltener an Covid-19 und zeigen seltener schwere Symptome. Aber auch bei ihnen kann eine Infektion zu einem schweren Verlauf oder gar zum Tode führen. Außerdem beobachten Ärzte auch Spätfolgen.

Eine ausbleibende Empfehlung der Stiko würde auch die Impfbereitschaft in dieser Altersgruppe negativ beeinflussen – selbst dann, wenn die Bundesregierung offensiv für das Impfen bei Kindern wirbt. Denn Familien mit Kindern wollen sich seltener impfen lassen: Laut einer Umfrage des Hamburger Center for Health Economics liegt die Impfbereitschaft in Deutschland bei 67 Prozent - in Haushalten mit Kindern allerdings nur bei knapp 59 Prozent.

Familien mit Kindern wollen sich seltener impfen lassen

Eine kühne Erwartung ist es auch, 12- bis 15-Jährige überhaupt bis zum Ende der Sommerferien vollständig – also zwei Mal – zu impfen. Schon ein Piks in den Arm wird bis dahin schwierig, denn die Frage ist völlig offen, wo der Impfstoff herkommen soll. Für seinen Plan, Dosen für Kinder und Jugendliche zu reservieren, hat Gesundheitsminister Spahn viel Gegenwind erhalten.

Denn es ist eine politisch brisante Frage, ob nach dem Ende der Priorisierung doch wieder eine Priorisierung gelten soll – nur eben für jüngere Menschen. Dies würde die Erwartungen auf eine Gleichbehandlung der Impfwilligen konterkarieren, die in der Bevölkerung nun vorherrschen. Eine Alternative aber gibt es nicht – außer zu warten.

Deswegen wäre es auch ein Fehler, Schulöffnungen an den Impffortschritt bei Kindern und Jugendlichen zu knüpfen. Auch Hotels und Geschäfte dürfen wieder öffnen, obwohl nur ein Bruchteil der Bevölkerung durchgeimpft ist. Aus gutem Grund: Die Infektionsgefahr nimmt mit den sinkenden Inzidenzen ab.

Das muss auch in den Schulen gelten. Dort sind außerdem – anders als vor der zweiten und dritten Welle – viele Lehrer bereits geimpft. Junge Menschen müssen, so schnell es geht, zurück in die Schule, unabhängig davon, ob sie geimpft sind.

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Die Politik sollte anfangen, die von ihr geweckten Erwartungen auch mit soliden Plänen zu hinterlegen. Freilich gehört es zum politischen Geschäft, mit Forderungen an die Öffentlichkeit zu treten, die hinter den Kulissen noch nicht ausdiskutiert wurden. Wohlklingende Versprechen aber muss sie auch einlösen.

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