Kommentar: Die zukünftige Euro-Gruppen-Chefin ist ein Glücksfall für die Währungsunion
Die spanische Finanzministerin hat beste Chancen auf den Euro-Gruppen-Vorsitz.
Foto: AFPDer Portugiese Mario Centeno will das Amt an der Spitze der Euro-Gruppe nicht mehr, dennoch bleibt es in südeuropäischer Hand: Die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calvino wird die Gruppe der Euro-Finanzminister aller Voraussicht nach ab Juli leiten. Spaniens Ministerpräsident Sanchez hat sie offiziell vorgeschlagen. Damit scheint ihre Wahl zur neuen Eurogruppen-Chefin so gut wie sicher, denn Gegenkandidaturen sind nicht zu erwarten.
Mit Nadia Calvino rückt erstmals eine Frau auf den wichtigen Posten. Für die Euro-Zone ist sie ein Glücksfall: Die 51-jährige Ökonomin bringt ideale Voraussetzungen mit.
Als ehemalige Spitzenbeamtin der EU-Kommission verfügt sie über einen reichen Schatz an Fachkenntnissen – und zwar genau auf den Gebieten, mit denen sich die Euro-Gruppe regelmäßig befasst. Für Finanzmarktregulierung und für den europäischen Haushalt war sie in der Kommission federführend zuständig.
Mindestens genauso wichtig ist, dass die Spanierin in ihrer Brüsseler Zeit ein Verständnis für die Positionen aller EU-Mitgliedstaaten entwickeln musste. Ihr ist daher mehr als anderen zuzutrauen, dass sie über den nationalen Tellerrand hinausblickt.
Und noch eine für den Job unverzichtbare Eigenschaft bringt Calvino mit: Durchsetzungsstärke. Mit Freundlichkeit allein lässt sich eine Ministerrunde nicht leiten, in der widersprüchliche Interessen immer wieder frontal aufeinanderprallen.
Centeno musste das leidvoll erfahren. In seiner Amtszeit ging es öfter turbulent zu. Heftigen Streit gab es um das Euro-Budget, um die Digitalsteuer und zuletzt um das EU-Wiederaufbauprogramm – wobei die Fronten meist zwischen Nord- und Südeuropa verliefen. Hier wird Calvino Misstrauen abbauen und versöhnen müssen.
Über die Zukunft der Euro-Gruppe muss sich die Spanierin wohl auch Gedanken machen. Immer häufiger berät die Runde im sogenannten inklusiven Format – also mit den Finanzministern aller 27 EU-Staaten – genau dieselben Themen, mit denen sich der identisch besetzte EU-Finanzministerrat (Ecofin) ebenfalls befasst.
Diese wenig effiziente Dopplung könnte sich in Zukunft häufen, zumal die Gruppe der Nicht-Euro-Staaten durch den EU-Austritt Großbritanniens geschrumpft ist. Je größer die Euro-Zone wird – momentan steht Bulgarien ante portas – desto weniger ergibt die Trennung zwischen Euro-Gruppe und Ecofin noch Sinn.