Kommentar: Ein unabhängiges Schottland wäre unsinnig

Die Chefin der schottischen Regionalregierung verspricht ein zweites Unabhängigkeitsreferendum, wenn ihre SNP im Mai die Wahl gewinnt.
Die schottische Regierungspartei SNP will ein zweites Unabhängigkeitsreferendum abhalten, wenn sie die Regionalwahlen im kommenden Mai gewinnt. Die Ankündigung von Regierungschefin Nicola Sturgeon in dieser Woche kam wenig überraschend, schließlich ist die Abspaltung vom großen Nachbarn England das zentrale Ziel der Separatisten.
Die Umfragen geben der SNP Hoffnung, dass sie die Volksabstimmung dieses Mal gewinnen könnte. Erstmals sehen die Meinungsforscher das Unabhängigkeitslager über einen längeren Zeitraum leicht vorn.
Der bei den Schotten unbeliebte Brexit und der noch unbeliebtere Premierminister Boris Johnson, so die Theorie, könnten bei einem zweiten Anlauf den entscheidenden Unterschied machen.
Unterstützend kommt hinzu, dass Johnson als Krisenmanager in der Corona-Pandemie im Vergleich mit Sturgeon eine schlechte Figur abgibt. Die SNP ist auch nach 13 Jahren an der Macht ungebrochen populär, bei der Wahl wird erneut eine absolute Mehrheit erwartet.
Und doch ist zu bezweifeln, dass die Unabhängigkeit dieses Mal klappen würde. Denn wirtschaftlich wäre sie noch unsinniger als beim ersten Referendum vor sechs Jahren. Schon damals hatte das ökonomische Argument den Ausschlag gegeben, im Königreich zu bleiben. Viel spricht dafür, dass es wieder ziehen würde.
Härterer Brexit als erwartet
Erstens ist die Ölbranche, die den Wohlstand für das unabhängige Schottland sichern sollte, wegen des niedrigen Ölpreises schwer angeschlagen und wird sich vielleicht nie wieder erholen. Der SNP-Traum, ein zweites Norwegen zu werden, ist damit zerplatzt.
Zweitens fällt der Brexit viel härter aus als ursprünglich in Schottland erwartet. Das würde eine harte Grenze quer über die britische Insel bedeuten, der Austausch mit dem wichtigsten Handelspartner England wäre erheblich behindert. Drei Fünftel der schottischen Exporte gehen nach England, nur ein Fünftel in die EU. Auch die symbiotische Beziehung im Finanzsektor zwischen Edinburgh und London würde zerschnitten.
Drittens bleibt die explosive Frage der Währung: Da der Euro in Schottland ebenso unbeliebt ist wie in England, will die SNP das Pfund behalten, womit sie sich abhängig von der Bank of England macht. Diese Kapitulation vor der Realität hatte die Wähler schon 2014 nicht überzeugt.





Nun hat das Brexit-Votum von 2016 gezeigt, dass nationalistische Emotionen manchmal stärker sind als die wirtschaftliche Vernunft. Doch kommt im Fall von Schottland hinzu, dass aller Abgrenzung zu England zum Trotz die britische Identität immer noch stärker ausgeprägt ist, als es die europäische je war.
Johnson könnte es daher riskieren, der SNP das Unabhängigkeitsreferendum zu erlauben. Die Wähler erledigen wie schon 2014 den Rest.
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