Kommentar: Eine Zinswende wird es vorerst nicht geben – und daher auch keinen Börsen-Crash

Erst wenn Anleger wieder an steigende Zinsen glauben, sind die Börsen anfällig für einen Crash.
Mit 32.000 Punkten hat der amerikanische Dow-Jones-Index in dieser Woche schon wieder einen Rekord erreicht. Anleger spekulieren auf den weltweiten Aufschwung nach Corona. Dennoch endet die Dekade, in denen Aktien nahezu konkurrenzlos waren.
Wer heute dem amerikanischen Staat sein Geld leiht, bekommt dafür einen Jahreszins von fast eineinhalb Prozent für die nächsten zehn Jahre. Vor gut einem halben Jahr war es ein halbes Prozent. Grund für die rasant steigenden Renditen sind höhere Inflationserwartungen und eine tatsächlich steigende Inflation. Obst und Gemüse werden seit Langem teurer, doch Öl, Benzin, Gas und vieles mehr kosten ebenfalls mehr.
Steigende Anleiherenditen sind für Aktien die gefährlichste Konkurrenz. Je mehr Rendite es für Anleihen gibt, desto mehr Anleger werden ihr Geld in die vermeintlich sicherere Anlage umschichten. Erst recht bei jeder schlechten Nachricht aus den Unternehmen. Das setzt den Börsen zu.
Einen Crash am Aktienmarkt können die Anleihen allein wohl trotzdem nicht auslösen. Denn die Zinsen werden nachhaltig nur dann weiter steigen, wenn die Notenbanken mitziehen und ihre auf null herabgesetzten Leitzinsen erhöhen. Das tun sie aber nicht, sondern halten mit aller Kraft dagegen.
Seit der Finanzkrise 2009 haben sich die Währungshüter aller großen Industriestaaten in eine gefährliche Zwickmühle hineinmanövriert, aus der sie nicht mehr herauskommen. Erst war es die Immobilien-, Finanz- und daraus resultierende Konjunkturkrise, die die Notenbanken animierte, die Zinsen auf null zu senken. Dann war es die vermeintliche Gefahr, mit höheren Leitzinsen die Konjunktur abzuwürgen.
Zinsen von vier oder sechs Prozent nicht mehr zu stemmen
Obendrein kaufen die Notenbanken den Staaten ihre Schuldscheine ab und halten so die Zinsen niedrig. Die Folge sind immer höhere Schulden – weil diese nichts mehr kosten.
In den USA verdoppelte sich die Staatsverschuldung in zehn Jahren von 14 auf 28 Billionen Dollar. Länder wie die USA und Japan oder Spanien und Italien in Europa sind inzwischen so hoch verschuldet, dass sie jährliche Zinslasten von vier oder sechs Prozent, wie sie früher üblich waren, nicht mehr stemmen können. Die Zinslast wäre zu hoch.
Viele Investoren wissen um dieses Dilemma und werden deshalb aus den Aktienmärkten nicht nachhaltig aussteigen. Eben weil es keine nachhaltige Zinswende nach oben geben wird. Erst wenn diese Sichtweise ins Wanken gerät, sind die Börsen nicht mehr nur anfällig für Rückschläge, sondern auch für eine Baisse mit längerfristig sinkenden Kursen. Doch solch ein Paradigmenwechsel ist (noch) nicht in Sicht.


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