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KommentarGDL-Chef Weselsky hat mit dem Bahnstreik eine rote Linie überschritten

Der Arbeitskampf der GDL mitten in der Pandemie zeigt: Es ist an der Zeit, die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen rechtlich neu zu justieren.Jens Koenen 11.08.2021 - 14:14 Uhr Artikel anhören

Der GDL-Chef ist mit dem ersten Streiktag zufrieden.

Foto: Reuters

Gefordert sind 3,2 Prozent mehr Lohn, geboten sind 3,2 Prozent mehr Lohn. Wer am Mittwoch oder Donnerstag am Gleis stehen bleibt, weil sein Zug nicht fährt, fragt sich schon, ob der Streik der Lokführer wirklich notwendig ist. Warum bloß können beide Seiten nicht einfach zusammenfinden?

Nun sind Tarifverhandlungen in ihren Details stets komplex. Im aktuellen Tarifstreit bei der Bahn geht es auch um Laufzeiten, das Thema Rente, Erholungspausen für das Personal und vieles mehr.

Gleichzeitig hat GDL-Chef Claus Weselsky mit diesem Arbeitskampf aber eine rote Linie überschritten. Auch wenn das Streikrecht ein hohes Gut ist – diesen mitten in einer noch laufenden Pandemie und angesichts wieder steigender Infektionszahlen zu starten ist ein Unding.

Nun sind die Arbeitsrichter gefragt. Es ist an der Zeit, solch ausufernden Machtkämpfen, die nichts mehr mit der Vertretung von Arbeitnehmern zu tun haben, die Grenzen aufzuzeigen. Den Hebel dafür gibt es bereits: Es ist die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen. Sie gilt es juristisch nachzuschärfen.

Eskalationen wie die zwischen dem Bahn-Management und der GDL werden immer wieder passieren. Sie sind systemimmanent, der Wettbewerb unter Gewerkschaften ist die Ursache. Das Problem: Dieser Zustand ist kaum zu ändern. Die sogenannte Koalitionsfreiheit legt fest, dass sich Mitarbeiter frei in einer Gewerkschaft organisieren können. Sie sind nicht gezwungen, das nur in einer zu tun.

Viele Ideen, das Streikrecht einzuschränken, scheiterten

Das Streikrecht wiederum ist geschützt, es sollte auch auf keinen Fall regulatorisch angefasst werden. Gerade im Infrastrukturbereich, wo die Folgen der Streiks besonders breit zu spüren sind, wurde das immer wieder versucht. Doch entweder die Ideen bringen nichts, oder sie sind rechtlich nicht haltbar.

Beim letzten großen GDL-Streik vor rund sechs Jahren brachte die CSU eine Anmeldefrist für Arbeitskämpfe von vier Tagen ins Gespräch. Ganz ähnlich ein Vorschlag der EU-Kommission, die Fluglotsen dazu zu verpflichten, Streiks mit einem Vorlauf von sogar 14 Tagen anzukündigen. Die Gewerkschaften sollten sogar mitteilen, wer genau an dem Arbeitskampf teilnehmen wird.

Die Pläne wurden schließlich verworfen, auch weil die rechtlichen Hürden gewaltig sind. Verhindert hätte das Streiks sowieso nicht.
Ähnlich ist das beim Ansatz, vor Arbeitskampfmaßnahmen eine Schlichtung zur Pflicht zu machen. Im aktuellen Tarifstreit bei der Bahn gab es eine solche Schlichtung. Sie scheiterte im vergangenen November. Die nun stattfindenden Streiks hat sie nicht verhindert.

Völlig wirkungslos ist auch das deutsche Tarifeinheitsgesetz (TEG). Die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in einem Betrieb verhandelt die Tarifbedingungen, die andere soll folgen. Im aktuellen Streit mit den Lokführern hat das sogenannte TEG den Konflikt sogar noch befeuert – wenig überraschend. Wenn die größere Gewerkschaft den Tarifvertrag verhandeln darf, stellt sich früher oder später die Frage, welche Berechtigung die kleinere in diesem Betrieb künftig noch haben wird.

Management hat kaum Hebel, den Konflikt zu lösen

Genau das ist es, was eine Lösung des aktuellen Streits bei der Bahn auch für das Management so wahnsinnig schwer macht. Natürlich könnte die Bahn-Spitze auf ihr aktuelles Angebot eine Schippe drauflegen. Danach würden auch die Mitglieder der konkurrierenden EVG von dem ausgehandelten Tarifwerk der GDL profitieren, was die Sache deutlich verteuert.

Das ist aber noch das kleinste Problem. Das viel größere lautet: In der nächsten Tarifrunde würde sich wahrscheinlich die EVG genötigt sehen, besonders hart zu verhandeln, um nicht ihrerseits in den Ruf zu geraten, für die Mitglieder zu wenig herauszuholen. Ein Teufelskreis wäre die Folge.

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Bleibt die Frage der Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen. Das aktuelle Recht steckt hier zwar einen Rahmen ab. So darf nur für tariffähige Forderungen gestreikt werden. Das Problem bisher: Auch wenn Gewerkschaftsvertreter vorher offen ganz andere Forderungen stellen, etwa im Fall der GDL den Wunsch, andere Berufsgruppen zu vertreten – solange das nicht im offiziellen Streikaufruf steht, haben Klagen gegen Arbeitskämpfe kaum eine Chance.

Genau das muss sich ändern. Nicht mehr nur der Streikaufruf ist maßgeblich für die Frage, ob ein Arbeitskampf verhältnismäßig ist. Auch das, was vorher geschehen ist und gesagt wurde, muss in die Beurteilung einfließen. Zwar würde auch das Streiks in Infrastrukturbetrieben nicht verhindern. Aber es würde den einen oder anderen Gewerkschaftsboss wieder etwas in die Schranken weisen.

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