1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kommentare
  4. Kommentar: Zynische Kalküle der Hamas – die aber am Ende verlieren wird

KommentarIm neuen Krieg im Nahen Osten wird es nur Verlierer geben

Die möglichen globalen Folgen dieses Kriegs sind kaum zu unterschätzen – und das zynische Gejubel jener Kräfte, die das Existenzrecht Israels bestreiten, wird noch lange nachhallen.Jens Münchrath 09.10.2023 - 19:31 Uhr
Artikel anhören

Israelische Soldaten sind in der Nähe der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen im Einsatz.

Foto: dpa

Krieg in Israel – man muss es so nennen nach dem ebenso grausamen wie generalstabsmäßig geplanten Einfall der Hamas auf israelisches Territorium. Ausgerechnet der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis, der in den vergangenen Jahren unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Weltöffentlichkeit dahinschwelte, rückt mit Wucht zurück ins Zentrum der Geopolitik.

Und unabhängig davon, wie lange dieser Krieg dauern wird – er könnte die geopolitische Architektur empfindlich verändern. Das gilt auch für den Krieg in der Ukraine, deren Präsident Wolodimir Selenski schon zuvor um die Unterstützung des Westens im existenziellen Kampf gegen den Aggressor Russland bangen musste.

Jetzt richtet sich die Aufmerksamkeit Europas und der USA auf den Nahostkonflikt, den US-Präsident Joe Biden mit seinen diplomatischen Bemühungen um eine Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Israel zumindest ein Stück weit entschärfen wollte. Der verbrecherische Überfall der Hamas auf Israel macht diesen Politikansatz zunichte.

Das gilt ebenfalls für das ohnehin schwierige Verhältnis des Westens zum Russlandverbündeten Iran, der nicht zu Unrecht im Verdacht steht, die Attacke gegen Israel orchestriert zu haben. An eine Rettung des Atomabkommens mit den Mullahs ist nicht mehr zu denken.

Das iranische Regime zielt nicht nur auf eine Isolation seines Regionalrivalen Saudi-Arabien. Es hofft offenbar auch, durch diesen Krieg seinen Einfluss im Nahen und Mittleren Osten, der vom Irak über Syrien bis nach Libanon und Gaza reicht, abzusichern oder gar auszubauen.

Das Verhältnis zwischen China und den USA

Und die veränderten Koordinaten betreffen nicht zuletzt das Verhältnis zwischen China und den USA. Amerika, das sein geopolitisches Interesse bereits unter Präsident Barack Obama Richtung Pazifik ausgerichtet hatte, wird sich als Israels Garantiemacht gezwungen sehen, Unterstützung zu leisten – in welcher Form auch immer.

„Die USA stehen auf der Seite Israels angesichts dieser terroristischen Angriffe“, sagte Biden.

Foto: AP

Das heißt, die Taiwanfrage, also eine drohende Invasion Chinas in der „abtrünnigen Republik“, rückt zumindest kurzfristig ein Stück weit nach hinten in der Prioritätenliste amerikanischer Außenpolitik.

Die möglichen globalen Folgen dieses Kriegs sind also kaum zu unterschätzen – und das zynische Gejubel jener Kräfte in der Region, die das Existenzrecht Israels bestreiten, wird lange nachhallen. Auch die Tatsache, dass die Iran-gesteuerte Hisbollah gleich nach dem Hamas-Angriff Mörsergranaten vom Libanon aus auf Israel abfeuern ließ, zeigt: Die Reflexe der Solidarität in der arabischen Welt sind intakt.

Der Terror der Hamas wurde immer schon als heldenhafter Widerstand der Palästinenser gegen ihre israelischen Unterdrücker verklärt – auch in Teilen des Westens übrigens.

Ob die Kalküle der Hamas und ihrer Unterstützer am Ende aufgehen, darf bezweifelt werden. Auch wenn der Iran die diplomatische Annäherung zwischen den USA und Saudi-Arabien einerseits und Saudis und Israel andererseits konterkariert – am Ende schweißt der brutale Überfall der Hamas, dem insgesamt mehr als 800 Menschen auf israelischer Seite zum Opfer fielen, den Westen und Israel zusammen.

„Tag der größten Schlacht“

Das gilt insbesondere für die deutsche Politik, für die der Schutz Israels aus guten historischen Gründen Teil der Staatsraison ist. Entscheidend für den weiteren Verlauf des Kriegs wird sein, wie sich Teheran verhält und ob es eine weitere Eskalation wagt. Die von ihm instrumentalisierte Hamas selbst wird wahrscheinlich am Ende der große Verlierer sein, so wie in den vorangegangenen Kriegen mit Israel.

Als „Tag der größten Schlacht“ bezeichnete Hamas-Militärchef Mohammed Deif den Terrorakt seiner Krieger – die Ermordung von Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder.

Die Hamas hat Israel mit breit angelegten Angriffen überrascht.

Foto: Reuters

Das ist abscheulich – und auch diese Jubelrhetorik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Palästinenser am Ende den größten Preis für diesen Krieg zahlen werden.

Denn Israel wird weit über die kurzfristigen Verteidigungsaktionen hinaus Vergeltung üben – vielleicht sogar einen Landkrieg in Gaza wagen, den es immer vermeiden wollte.

Israel wirkt verletzlich – ähnlich wie vor genau 50 Jahren, als der Jom-Kippur-Krieg das Land das einzige Mal in seiner jüngeren Geschichte an den Rand einer Niederlage brachte. Damals waren es Ägypten und Syrien, die Israel mit einem Angriff aus dem Nichts überraschten.

Israel hat als Reaktion auf den massiven Angriff durch die Hamas Ziele im Gazastreifen aus der Luft angegriffen.

Foto: dpa

Das Trauma von damals wirkt nach: Auch dieses Mal war der legendäre Geheimdienst Mossad ahnungslos. Die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel, die vielleicht als die am besten bewachte der Welt nach jener zwischen Nord- und Südkorea galt, war offenbar für die Hamas-Krieger so durchlässig wie ein Scheunentor.

>> Lesen Sie hier: Angriff auf Israel – Viele Spuren führen in den Iran

Da wird einiges aufzuarbeiten sein im israelischen Parlament, der Knesset – nicht nur was das Versagen der Sicherheitskräfte angeht. Denn Israel erlebt derzeit auch eine tiefe innenpolitische Krise, weil Premier Benjamin Netanjahu einen geradezu obsessiven Raubbau am Rechtsstaat betrieb.

Verwandte Themen Terrorismus Israel Saudi-Arabien Palästina Außenpolitik Iran

Aus Protest dagegen hatten etwa Reservisten angekündigt, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen. Das, was Israel von seinen feindseligen Nachbarn abhebt, nämlich ein demokratischer Rechtsstaat zu sein, wollen offenbar auch Teile des Sicherheitsapparats nicht angetastet sehen.

Doch trotz aller Kritik an Netanjahus Politik – auch übrigens, was seine repressive Politik gegenüber den Palästinensern, seine illegale Siedlungspolitik und seine beharrliche Weigerung, sich einer Zweistaatenlösung zu öffnen, angeht – der menschenverachtende Terror der Hamas lässt sich nicht relativieren. Es ist die Stunde der Solidarität mit Israel.

Mehr: Alle Entwicklungen im Israel-Krieg in unserem Newsblog

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt