Kommentar: Mehr Zuspitzung wagen – Warum ein bisschen Populismus gut für die Demokratie ist


Die AfD ist seit Wochen auf einem Umfragehoch.
Wir schreiben das Jahr 1984. Der Grünen-Politiker Joschka Fischer beleidigt im Bundestag den Sitzungsleiter Richard Stücklen (CDU): „Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch, mit Verlaub!“ Ein Jahr später wird Fischer erster grüner Landesminister unter Holger Börner (SPD).
Der hatte noch 1982 über Demonstranten gegen den Bau der Startbahn West am Frankfurter Flughafen gesagt: „Ich bedauere, dass es mir mein hohes Staatsamt verbietet, den Kerlen selbst eins auf die Fresse zu hauen. Früher auf dem Bau hat man solche Dinge mit der Dachlatte erledigt.“
Das war im gleichen Jahr, in dem sein SPD-Landesverband den Slogan „Verrat in Bonn“ plakatierte. Der angebliche Verräter war die FDP, die es kurz zuvor gewagt hatte, die sozialliberale Koalition im Bund zu beenden.
Drei Zitate aus den frühen 80er-Jahren, die man im Kopf haben sollte, bevor man sich heute beklagt, dass die politische Kultur in Deutschland verroht sei, Populismus um sich greife und gemäßigte politische Positionen im öffentlichen Diskurs kaum noch durchdrängen. Tatsächlich kann man die umgekehrte These wagen: Zumindest zwischen den Parteien des demokratischen Spektrums war der Umgang in Deutschland früher deutlich rauer.





