Kommentar: Nach dem Comeback droht Griechenland ein böses Erwachen


Vor acht Jahren stand Griechenland am Rand des Staatsbankrotts. Jetzt gehört der einstige Pleitekandidat wieder zur Liga der investitionswürdigen Schuldner. Das ist ein beachtliches Comeback. Aber ausruhen dürfen sich die Politikerinnen und Politiker in Athen auf diesen Lorbeeren nicht. Das Land trägt immer noch schwer am Erbe der Krisenjahre.
Die größte Last ist der riesige Schuldenberg. Er macht das 1,6-Fache der diesjährigen Wirtschaftsleistung aus. Dennoch gelten die Schulden als tragfähig, denn über 70 Prozent der Verbindlichkeiten liegen bei öffentlichen Gläubigern wie den Euro-Rettungsfonds ESM und EFSF.
Die Laufzeiten der Kredite sind lang, die Zinsen niedrig. Für EFSF-Kredite von 97 Milliarden Euro aus dem Jahr 2013 zahlt das Land bisher überhaupt keine Zinsen. Sie sind bis Ende 2032 gestundet. Dann könnte allerdings ein böses Erwachen drohen. Die bis dahin auflaufenden Zinsen werden sich auf rund 25 Milliarden Euro summieren.
Wenn sie Anfang 2033 in Rechnung gestellt werden, dürfte sich die Schuldenquote Griechenlands schlagartig um acht bis zehn Prozentpunkte erhöhen. Entsprechend steigt der Refinanzierungsbedarf.
Man könnte in Athen darauf spekulieren, dass die Geldgeber dann eine neue Stundung gewähren. Das ist möglich. Verlassen darf man sich darauf aber nicht, denn niemand weiß, wie die politischen Kräfteverhältnisse im Rat der Finanzministerinnen und Finanzminister der Euro-Länder in acht Jahren aussehen.
Reformen in Bildung, Verwaltung und Justiz nötig
Um den drohenden Zinsschock abzufedern, sollte Griechenland deshalb seine Schulden in den kommenden Jahren so schnell wie möglich abbauen. Voraussetzung dafür sind eine umsichtige Fiskalpolitik, die Haushaltsüberschüsse ermöglicht, und Investitionen, die ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern.
Seit dem Amtsantritt der Regierung des konservativen Premiers Kyriakos Mitsotakis Mitte 2019 sind dank einer wirtschaftsfreundlichen Politik die privaten Investitionen um 44 Prozent gewachsen. Die ausländischen Direktinvestitionen stiegen sogar allein im vergangenen Jahr um 57 Prozent. Aber da geht noch was.
Im EU-Durchschnitt machen die Investitionen 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. In Griechenland sind es nur 14 Prozent. Um die Lücke zu schließen, muss die Regierung in Athen weitere Reformen umsetzen, vor allem im Bildungswesen, in der öffentlichen Verwaltung und der Justiz. Investoren brauchen qualifizierte Mitarbeiter, unbürokratische Genehmigungsverfahren und Rechtssicherheit.





Die Chancen für Fortschritte stehen gut. Mitsotakis kennt die Defizite und verspricht eine „aggressive Reformagenda“. Bei den Wahlen im Juni verteidigte der Premier seine absolute Parlamentsmehrheit. Und aus heutiger Sicht ist nicht zu erkennen, wer ihm 2027 eine dritte Amtszeit streitig machen könnte. In der jüngsten Meinungsumfrage liegen die regierenden Konservativen bei 39 Prozent. Die stärkste Oppositionspartei kommt nur auf 15,5 Prozent.
Erstpublikation: 28.12.2023, 08:53 Uhr.






