Kommentar Nawalny im Koma: Putins Regimegegner sollen offenbar abgeschreckt werden

Nawalny ist nach Angaben seiner Sprecherin mit Vergiftungserscheinungen auf einer Intensivstation in einem Krankenhaus. Der Verdacht: Er wurde zu einem weiteren Kreml-Opfer.
Es ist – wie so oft – zunächst ein schrecklicher Verdacht: Mit Alexej Nawalny könnte wieder ein Kremlkritiker vergiftet worden sein. Der Anti-Korruptions-Vorkämpfer und Oppositionspolitiker kämpft auf der Intensivstation im sibirischen Omsk um sein Leben. Der 44-Jährige wäre nicht das erste politische Giftopfer des Kremls.
Zuvor war schon der damalige ukrainische Oppositionsführer und spätere Präsident Viktor Juschtschenko nach einem Giftanschlag entstellt worden. Dann wurde in London Alexander Litwinenko mit einem radioaktiven Stoff getötet, nachdem er vom russischen Geheimdienst zum im britischen Exil lebenden Milliardär und Kritiker von Staatschef Wladimir Putin, Boris Beresowski, übergelaufen war.
In England wurde auch von zwei russischen Agenten der Geheimdienstüberläufer Sergej Skripal vergiftet, er überlebte. Putin hatte zuvor „Verrätern“ mit Tod gedroht. In Berlin wurde der frühere tschetschenische Kämpfer Selimchan Changoschwili von einem russischen Auftragsmörder erschossen, die Bundesregierung bezichtigt den Kreml, den Auftrag gegeben zu haben.
Es sieht aus wie eine Todesspur des russischen Präsidenten. Und der Verdacht liegt nahe, dass der Kremlherr angesichts der massiven Oppositionsproteste im benachbarten Weißrussland ein Warnsignal auch an seine Landsleute schicken wollte.
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Eine Vergiftung Nawalnys soll russische Regimegegner abschrecken. Wie gesagt: Ein schrecklicher Verdacht, bewiesen ist er bisher nicht.
Das Schlimme vielleicht ist: dass man es überhaupt als Möglichkeit in Betracht ziehen muss, dass Putin für seinen Machterhalt Widersacher physisch ausschalten lässt. Die Indizienkette und auch die erfolgten Untersuchungen bisheriger politischer Morde führen in den Kreml.

Und sie lassen Furchtbares ahnen: Die Repressionen in Russland werden zunehmen, und in Weißrussland wird Moskau alles dafür tun, einen Fall des Regimes von Präsident Alexander Lukaschenko zu verhindern. Einen weiteren Fall Ukraine, die sich aus den Fängen Russlands löste und dafür mit Krim-Annexion und Krieg im Donbass zahlen musste, wird Putin beim einzig verbliebenen Verbündeten an seiner Westgrenze nicht zulassen.
Fiele Wahlfälscher Lukaschenko, geriete auch Putin – der sich gerade eine äußerst umstrittene Mehrheit für ein Verfassungsreferendum mit der Option seines Regierens bis 2036 organisiert hat – unter Druck. Und er wird eben alles tun, um an der Macht zu bleiben.
Es droht eine weitere Konfrontation zwischen dem Westen und dem Kreml, eine Endlosschleife von Korruption, Misswirtschaft und Demokratur in Russland. Die Hoffnung stirbt im Osten bekanntlich zuletzt. Momentan aber ist es selbst für die Zuversichtlichsten unter den Optimisten schwierig, ein Licht im Osten zu erkennen.
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