Kommentar Olympia: Was wir von den Superstars, die aufgeben, lernen können

Die Ausnahmeturnerin der USA ging in Tokio einen mutigen Schritt.
Nur wenige Japaner wollen diese Olympischen Spiele in Tokio, mitten in der Pandemie, einerseits. Aber das Internationale Olympische Komitee ist andererseits auf Erlöse aus Sponsoring, Werbung und vor allem TV-Vermarktung angewiesen.
Und dieses Zwangssystem des Erfolgs hängt nicht unwesentlich von den Erfolgsgeschichten großer Sportsfiguren ab. So erklärt sich der zunehmende Stress in den Arenen.
Zwei Superstars, die zu Ikonen von „Olympia 2020“ werden sollten, sind nun aus der großen Verwertungslogik herausgefallen – beide wegen mentaler Probleme. Da ist zum einen Japans Tennis-Ass Naomi Osaka, die sogar als Flammen-Entzünderin bei der Eröffnungsfeier aktiv gewesen war.
Die 23-Jährige schied bereits im Achtelfinale aus und klagte danach über den großen Druck. Schon vor Wochen hatte sie ihre Depressionen öffentlich gemacht. Bei der US-Ausnahmeturnerin Simone Biles wiederum schien es nur eine Frage von Tagen zu sein, dass sie ihren vier Goldmedaillen von Rio 2016 weitere Metall-Exemplare zufügen würde.
Doch auch die 24-Jährige zog im Teamfinale und Einzelmehrkampf die Reißleine: Die mentale Gesundheit stehe nun bei ihr an erster Stelle. Vor Olympia hatte sie vom „Kampf gegen Dämonen“ gesprochen und vom Gefühl, „das Gewicht der ganzen Welt auf den Schultern zu tragen“.
Psychische Probleme: Nur wenige stehen dazu
Der Schritt der beiden ist so mutig wie konsequent. Und er kann Vorbild sein für viele ganz oben in der Wirtschaft, die an Angststörungen leiden.
Das ist bis heute das große Tabuthema in der Welt von Managern. Aktionäre, Mitarbeiter und Kunden wollen stets das lächelnde Gesicht des Siegers, auch hier ist Gold Pflicht. Und so nimmt man lieber Prozac, als übers Gemüt zu reden.
Nur selten bricht mal einer aus der Elite aus, so wie der IT-Manager Rüdiger Striemer 2015 in seinem Buch „Raus! Mein Weg von der Chefetage in die Psychiatrie und zurück“. Sein Fazit: Es habe keinen Sinn, so zu tun, als würden alle Menschen stets zu hundert Prozent funktionieren.
In der Pandemie sind die psychischen Probleme noch größer geworden. Die Burn-out-Fälle stiegen bei Führungskräften um 80 Prozent. Eben noch waren sie „unverzichtbar“, nun heißt es: besinnen statt gewinnen.
Runterkommen, gelassen sein, dem Gold-Druck entsagen – dafür taugt in Tokio Tischtennis-Star Timo Boll als Vorbild. Er nahm es lässig, wieder eine Medaille verfehlt zu haben. Er habe auch so großen Spaß am Sport, so der 40-Jährige, und könne es ja bei Olympia 2024 erneut versuchen: „Wenn’s passt, warum nicht?“
Mit dieser Haltung hätten Osaka, Biles und etliche CEOs vermutlich mehr Erfolg.
Mehr: Die Olympischen Spiele werden zum politischen Überlebenskampf für Japans Premier
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.