Kommentar Schlechte Nachrichten können die Anleger nicht mehr schocken

Die Börsen sind der wirtschaftlichen Entwicklung weit vorausgelaufen.
Schlechter hätte der Dienstag für den Dax eigentlich nicht anfangen können. Am frühen Morgen wartete das Statistische Bundesamt mit Daten zum deutschen Staatsdefizit auf: Die Corona-Rezession hat erstmals seit mehr als acht Jahren ein tiefes Loch in den deutschen Staatshaushalt gerissen. Bund, Länder und Kommunen haben im ersten Halbjahr zusammen 51,6 Milliarden Euro mehr ausgegeben, als sie eingenommen haben.
Kurze Zeit später kamen weitere vermeintliche Hiobsbotschaften von den Statistikern aus Wiesbaden. Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland ist im ersten Halbjahr um rekordhohe 9,7 Prozent eingebrochen.
Doch für die Börsen waren beide Meldungen ein Non-Event. Der Dax stieg schon im frühen Handel um bis zu 1,2 Prozent auf 13.200 Punkte und hielt sich auch anschließend im Plus.
Für diese auf den ersten Blick erstaunliche Reaktion gibt es vor allem einen Grund: Die Meldungen überraschten niemand. Dass die milliardenschweren Ausgaben für Hilfspakete bei gleichzeitig sinkenden Steuereinnahmen zu einem Defizit in der Staatskasse führen, lag auf der Hand. Und den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts hatte das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung mit minus 10,1 Prozent sogar noch etwas deutlicher veranschlagt.
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Zu viel Hoffnungen?
Deshalb hakten die Investoren beide Meldungen schnell ab – und blicken lieber hoffnungsvoll in die Zukunft. Das machen auch die rund 9000 deutschen Unternehmenslenker, die das Ifo-Institut jeden Monat befragt: Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im August den vierten Monat in Folge. Dazu hoben Meldungen aus den USA über neue Behandlungsmethoden bei Covid-19-Erkrankungen und ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für einen Impfstoff gegen die Lungenkrankheit die Stimmung der Investoren.
Doch das alles sollte Anleger nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch lange brauchen wird, bis sich die Wirtschaft so weit erholt, dass sie wieder auf dem Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie liegt. Bis dahin sind zudem noch viele Insolvenzen zu erwarten.
Von daher bleibt die Börse anfällig für zwischenzeitliche Rückschläge. Insgesamt können die Märkte zwar der Wirtschaft noch eine Weile weiter vorauslaufen – so, wie sie es seit März machen. Doch das wird nur noch in gebremstem Tempo und unter deutlicheren Schwankungen vonstattengehen.
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