Kommentar: Schluss mit dem Wahlkampfgetöse: Es ist Zeit für eine echte Pflege-Reform

Auch die Pflege soll künftig durch digitale Anwendungen unterstützt werden.
Berlin. Die finanzielle Lage der Pflegeversicherung ist ein Pflegefall an sich. Kurz nach der Bundestagswahl müssen die Kassen mit einer Finanzspritze von einer Milliarde Euro aus Steuergeldern wieder aufgefüllt werden, denn Anbietern droht die Pleite.
Der Grund sind die Pandemiekosten, die bei den Pflegekassen in diesem und im vergangenen Jahr teuer zu Buche schlugen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen hält gar eine Summe von 1,6 Milliarden Euro für nötig, sonst könnten schon im November einige Kassen unter ihren Ausgaben zusammenbrechen.
Wie viel auch immer die Pflegeversicherungen am Ende erhalten: Das viele Geld kaschiert die Probleme, es löst sie aber nicht.
Die Pflegeversicherung steht über kurz oder lang steigenden Erwartungen gegenüber, die sich in den steigenden Ausgaben widerspiegeln. Es ist ja nicht nur so, dass die Bevölkerung immer älter wird – und deswegen per se die Pflege an Bedeutung gewinnt.
Auch die Lebensverhältnisse ändern sich. Etwa, weil Angehörige nicht mehr nebenan, sondern in einer anderen Stadt oder möglicherweise gar in einem anderen Land wohnen und sich nur noch aus der Ferne um ihre pflegebedürftigen Liebsten kümmern können.
Teure Wahlversprechen
Hinzu kommen ein gewaltiger Fachkräftemangel bei gleichzeitig niedrigen Löhnen in der Altenpflege und ein Eigenanteil für Angehörige, der mit durchschnittlich mehr als 2000 Euro für viele schmerzhaft hoch ist.
Auf die neue Bundesregierung kommt deswegen viel Arbeit zu. Zu ihrer zentralen Aufgabe gehört es, die Pflegeversicherung von Grund auf zu reformieren. Sie darf dabei allerdings nicht einfach den Steuertropf anhängen, um die steigenden Ausgaben zu finanzieren, sondern muss auch die betriebliche und private Vorsorge stärker fördern.
Auch die scheidende Regierung ist mit einem Reformvorhaben angetreten, erreichte allerdings nur eine Mini-Reform. Ab 2022 fließt nun ganz automatisch ein Milliardenzuschuss aus der Staatskasse ins System.


Außerdem müssen kinderlose Versicherte einen höheren Beitrag zahlen. Dass das Geld aber reicht, um die damit verbundenen Mehrausgaben wie höhere Löhne und einen niedrigeren Eigenanteil zu finanzieren, bezweifeln zumindest die gesetzlichen Krankenkassen.
Noch gar nicht eingepreist sind teils teure Wahlversprechen der Parteien – oder das, was in einer neuen Koalition davon übrig bleibt.





