Kommentar: So wird Deutschland nie verteidigungsfähig


Mit der Rüstungsindustrie ist es paradox: Was schwierig klingt, ist leicht. Und was so naheliegend erscheint, ist kaum zu erreichen. Galt die Rüstungsbranche lange als schmutziges Geschäft, mit dem kaum einer etwas zu tun haben wollte, hat die Zeitenwende das geändert. Jeder, der bei klarem Verstand ist, weiß: Die globale Bedrohungslage hat sich so verschärft, für die Verteidigungsfähigkeit braucht es eigene Fertigungskapazitäten.
Und so wird mit der geplanten Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie der Bundesregierung wohl Realität, was zuvor noch undenkbar schien: „Schmutzige“ Rüstungsprojekte sollen künftig als „überragendes öffentliches Interesse“ eingestuft werden, damit Fabriken schneller gebaut werden können. Forschungsprogramme sollen geöffnet, der Staat soll sich in strategischen Fällen direkt an Rüstungsunternehmen beteiligen können.
Das ist gut und richtig, langt aber nicht. Denn Deutschland allein kann noch so viele Papiere schreiben und Rüstungsfabriken aufbauen – das wird nicht reichen, um sich verteidigungspolitisch unabhängig von den USA unter einem möglichen Präsidenten Donald Trump zu machen. Und auch nicht, um die Ukraine weiter im notwendigen Ausmaß zu unterstützen.
Europäische Champions: Sonst Problem, bei Rüstung eine Chance
Damit das gelingt, braucht es den europäischen Verbund. Klar, in welchem wirtschaftspolitischen Bereich heißt es nicht, dass nur Europa in gemeinsamer Stärke global mithalten kann? Aber zurück zum Paradoxon: Während das kompliziert Klingende machbar wird, ist im Rüstungsbereich beim Naheliegenden kaum ein Fortschritt zu erkennen.
Gemeinsame Rüstungsprojekte, gemeinsame Entwicklung, gemeinsamer Einkauf von Waffen und Vehikeln, das wäre entscheidend für eine unabhängige Verteidigungsfähigkeit. Doch die EU-Staaten machen sich stattdessen weiter untereinander Konkurrenz.
Die Sicherheitsindustriestrategie der Bundesregierung hätte den Anfang machen können, das zu ändern: Lange wurde regierungsintern darum gerungen, die Schaffung europäischer Champions als ein Ziel in der Strategie zu verankern. Anstelle von lauter kleinen Manufakturen hätte sich jedes Land auf einen bestimmten Bereich fokussieren können: eins auf Handfeuerwaffen, eins auf Kampfschiffe, eins auf Panzer.
Europäische Champions als den Markt aushebelnde Regierungsziele sind sonst zu Recht verschrien. In der Rüstungsindustrie ist das anders, nicht nur geopolitisch. Sie ist auch ökonomisch mit dem Staat als einzigem Nachfrager kaum dem freien Spiel der Marktkräfte ausgesetzt. Doch die europäischen Champions werden sich, danach sieht es aktuell aus, nicht in der Strategie wiederfinden, obwohl die Passage in früheren Entwürfen noch auftauchte.
Zu groß ist der Standort-Egoismus mancher Personen in der Bundesregierung. Zu naheliegend ist der Abwehrreflex, mit öffentlichem Geld etwas zu bezahlen, was dann nicht materiell direkt dem eigenen Land zugutekommt – egal, wie oft die gleichen Leute in Sonntagsreden betonen, dass auch die deutsche Sicherheit in der Ukraine verteidigt.






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Erstpublikation: 09.08.2024, 16:06 Uhr.






