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Kommentar Unternehmen dürfen sich nicht allein vom Finanzmarkt treiben lassen

Konzernstrategien sind auch Moden unterworfen. Mal wird mehr integriert, mal mehr fokussiert. Der Traditionskonzern Daimler ist dafür ein Musterbeispiel.
07.02.2021 - 14:55 Uhr Kommentieren
Der Manager will sein Unternehmen auf den Automobilbau fokussieren. Quelle: Reuters
Daimler-Chef Ola Källenius

Der Manager will sein Unternehmen auf den Automobilbau fokussieren.

(Foto: Reuters)

Daimler-Chef Ola Källenius hat am Ende der Woche einen halben Rückzieher gemacht. „Falls draußen im Markt etwas passiert, was nicht im Sinne von Daimler Trucks wäre, dann sind wir da“, versicherte Källenius in einem Zeitungsunterview. Drei Tage zuvor hatte er einen spektakulären Schritt angekündigt: Die Abspaltung des Lkw-Geschäfts von der Autosparte des Stuttgarter Unternehmens. Ein historischer Einschnitt, meint der Konzernchef.

Das ist es in der Tat, auch wenn die Aufspaltung Daimlers offenbar doch keine vollständige Trennung bedeuten sollte. Die Stuttgarter Holding will die schützende Hand über ihr Truck-Business halten. Källenius traut den Kräften (und Mächten) des Finanzmarktes offenbar nicht so ganz über den Weg.

Denn: Einerseits ist er Getriebener, Investoren fordern schon lange einen Umbau des Konzerns inklusive einer Abtrennung des Lkw-Baus. Andererseits könnten die beiden neu entstehenden Daimler-Firmen Ziele unfreundlicher Angriffe von Renditejägern werden. Vor allem dann, wenn sich das Ziel, die Profitabilität der Daimler-Familie und deren Börsenwert zu steigern, nicht erfüllen sollte.

Der schwedische Konzernchef ist nicht der Erste und er wird nicht der Letzte sein, der Gefahr läuft, sich vom Finanzmarkt treiben zu lassen. Just in derselben Woche trat mit dem langjährigen Siemens-Chef Joe Kaeser einer der deutschen Manager ab, der ein Konglomerat nach ähnlichem Muster auf Optimierung getrimmt hat. Siemens gilt vielen inzwischen als eine Art Blaupause für die Konzentration auf Kerngeschäfte. Binnen zwei Jahrzehnten hat sich Siemens vom Telefonbau, den Halbleitern, der Licht-, Medizin- und der Energietechnik getrennt.

Es sind die Jahre der Dekonstrukteure. Auch in anderen Unternehmenszentralen sind sie aktiv, aber nicht immer erfolgreich. So versucht sich der Autozulieferer Continental schon seit einiger Zeit in der Abspaltung der Antriebssparte Vitesco. Und der Traditionskonzern Thyssen-Krupp bastelt unermüdlich an Zerlegungsplänen. Mal mit, mal ohne Stahlerzeugung als Kerngeschäft.

Auch ein Verkehrsunternehmen wie Lufthansa bleibt nicht von Aufteilungsfantasien verschont. Muss eine Airline auch das Catering selbst betreiben oder die Instandhaltung der Flugzeuge? In diesem Fall hat die Pandemie weiteren Überlegungen erst einmal einen Riegel vorgeschoben.

Diversifizierung ist out

Damit ist das Thema Konzentration aufs Wesentliche aber nicht vom Tisch. Im Gegenteil. Ausgerechnet in Zeiten, in denen die Nullzins-Politik der Notenbanken Liquidität ohne Ende auf den Markt spült, in denen nachhaltige Unternehmensführung gefordert wird, in denen die Orientierung an den Stakeholdern statt einseitig an den Shareholdern Priorität haben soll, ausgerechnet in diesen Zeiten ist Rendite das Maß aller Dinge. Weder Kaeser noch Källenius stellen ihre Unternehmen nur deshalb auf den Kopf, weil sie Spuren hinterlassen wollen. Managementmoden haben immer ihre Treiber.

Noch vor wenigen Jahren galt Diversifizierung als Nonplusultra. Das Unternehmen werde „breit, krisenresistent und zukunftsorientiert aufgestellt“ war eine gängige Ansage. Automobilkonzerne drängten beispielsweise in das Geschäft mit Mobilitätsdienstleistungen – siehe Daimler. Zulieferer bauten sich zu Komponentenherstellern auf – siehe Continental. Montankonzerne wie Thyssen-Krupp trauten sich alles zu, was irgendwie mit Stahl und Eisen zu tun hatte, machten in Anlagenbau, Autoteilen oder Aufzügen.

Telekommunikationsunternehmen expandierten in die Medienindustrie nach der Devise, wer die Kanäle hat, der sollte sie auch mit Inhalten füllen. Stromkonzerne wie Eon oder RWE drängten in die Wasserversorgung, kauften Gasleitungen, versuchten sich gar in der Kommunikation. Und das unter dem Jubel der Börse. Alles wieder abgeblasen.

Erinnerungen an Edzard Reuter

„Back to the roots“, lautet heute die Parole. Oder Konzentration auf ein Kerngeschäft. Das ist nicht nur eingängig, sondern durchaus nachvollziehbar. Jedes Unternehmen hat nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung. Vor allem die finanziellen Ressourcen bestimmen die Strategie.

Wer zur Spitzengruppe zählen will, der darf sich nun mal nicht verzetteln, muss alle Kraft in ein Produkt, eine Dienstleistung stecken. Auch hier ist Daimler einmal mehr Prototyp: Der Umstieg vom Verbrennerantrieb hin zum Elektroauto ist eine Revolution für die klassische Autoindustrie. Wer jetzt nur kleckert, wird niemals klotzen.

Doch die Erfahrung lehrt: Managementstrategien haben begrenzte Halbwertzeiten. Schon deshalb, weil es den Investoren irgendwann schlicht zu langweilig wird. Dann suchen sie wieder nach Unternehmen, die mutig in neue Geschäftsfelder investieren, deren Führungskräfte Visionen entwickeln.

Siemens etwa beschreibt seinen Unternehmenszweck so: Die Münchener wollen die „physische und digitale Welt verbinden“, „intelligent“ versteht sich. Es erinnert ein wenig an den „integrierten Technologiekonzern“, den Edzard Reuter, einer von Källenius‘ Vorgängern an der Daimler-Spitze, einmal ausrief. Damals war das natürlich noch ganz analog gemeint, heute geht es um digitale Geschäfte. Deutet das aber nicht darauf hin, dass die Zeiten der Dekonstrukteure schon bald wieder vorbei sein könnten?

Mehr: Kahlschlag bei Trucksparte laut Daimler-Betriebsrat „vom Tisch“

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