Kommentar: Verdi bestreikt Amazon – doch das hat nur Symbolcharakter
Ein Amazon-Mitarbeiter packt Pakete in einem Logistikzentrum des Versandhändlers Amazon. Sechs von 15 Zentren sind von dem Verdi-Streik aktuell betroffen.
Foto: dpaVerdi hat zum Streik beim Onlinehändler Amazon aufgerufen. Eine solche Schlagzeile lässt zunächst aufhorchen: Muss man sich jetzt Sorgen machen, dass die beim Internethändler bestellten Geschenke nicht rechtzeitig ankommen? Immerhin hat der pandemiebedingte Lockdown den stationären Handel weitgehend zum Erliegen gebracht. Viele Kunden wichen auf den Onlineriesen Amazon aus.
Doch der Verdi-Streik hat bestenfalls Symbolcharakter. Die Abläufe bei dem globalen Onlinehändler gehen auch an den drei Streiktagen vor Weihnachten in Deutschland einfach weiter.
Dabei ist das Ansinnen der Gewerkschaft wichtig und richtig. Der immer stärker wachsende Onlinehandel hat die Kräfteverhältnisse in der Branche verschoben: Amazon statt Karstadt, Flaconi statt Douglas – so fallen die Entscheidungen der Kunden vielfach aus. Auf der Strecke bleiben oft die Mitarbeiter.
Verdi will darauf aufmerksam machen: Die Gewerkschaft fordert einen Tarifvertrag, der sich am deutschen Einzelhandel orientiert. Amazon nimmt hingegen Vereinbarungen der Logistikbranche als Maßstab, in der weniger bezahlt wird. Der Streit schwelt seit 2013.
Verdi ruft die Streiks vorzugsweise an umsatzstarken Verkaufstagen aus. Neben dem Weihnachtsgeschäft zählen die Aktionstage Black Friday und Cyber Monday dazu. Der Effekt verpufft allmählich, denn Amazon ist gut vorbereitet. Die Gewerkschaft sprach von rund 1700 Amazon-Mitarbeitern, die sich an dem Streik beteiligen. Es ist ein „stiller Streik“ – die Mitarbeiter wurden angeschrieben und gebeten, zu Hause zu bleiben.
Sechs Amazon-Logistikzentren betroffen
Doch was bedeutet der Arbeitsausfall von 1700 Menschen, wenn Amazon bundesweit insgesamt rund 20.000 Beschäftigte hat, davon 16.000 in den Logistikzentren, und außerdem aktuell zusätzlich 10.000 Saisonkräfte engagiert? Es bedeutet recht wenig. Nur sechs von 15 Logistikzentren in Deutschland sind überhaupt von der Arbeitsniederlegung betroffen. Auch dies weist darauf hin, dass die Abläufe des Onlinehändlers kaum gestört werden.
Was bleibt, ist der Symbolcharakter. Die Pandemie und ihre Effekte werden vielleicht noch lange unser Leben bestimmen. Nicht nur Konsumenten, auch Unternehmensentscheider und Politiker sollten sich auf eine neue Realität einstellen. Dazu gehört, dass viele Einkäufe dauerhaft ins Netz verlagert werden.
Wie können in diesem veränderten Markt Unternehmen jenseits der großen globalen Tech-Konzerne eine signifikante Rolle spielen? Diese Frage muss uns beschäftigen. Auch wenn wir unsere Pakete doch pünktlich zum Fest bekommen – und der Streik sich in weihnachtlichem Wohlgefallen auflösen wird.