Kommentar: Was sich Dr. Oetker vom Silicon Valley abgeschaut hat

Der Mittelständler expandiert mutig in neue digitale Geschäftsmodelle.
Düsseldorf. Wenn für deutsche Start-ups die Zeit gekommen ist, Geld im großen Stil für die richtige Wachstumsphase zu organisieren, sitzen die Ansprechpartner in der Regel in den USA. Dann greifen die großen Tech-Konzerne zu – und ernten die Früchte deutschen Gründergeistes.
Allein das macht den Schritt des Mittelständlers Dr. Oetker so bemerkenswert, geschätzt eine Milliarde Euro in die Hand zu nehmen, um den prosperierenden Getränkelieferdienst Flaschenpost zu übernehmen. Viele hätten diesen Mut und diese Entschlusskraft dem als Backpulver- und Bierproduzenten bekannten Unternehmen nicht zugetraut.
Doch auch strategisch ergibt der Zukauf extrem viel Sinn. In allen Bereichen der Konsumgüterindustrie wird der Direktverkauf an den Endkunden immer wichtiger. „Direct-to-Consumer“ heißt der Trend, der weitgehend den Handel umgeht und damit dem Hersteller nicht nur ein Plus an Marge generiert.
Er bringt auch wichtige Daten über den Kunden, mit denen der Hersteller seine Produktion und sein Sortiment laufend optimieren kann. Doch dafür braucht es eine digitale Plattform und eine entsprechende Logistik. Beides bringt Flaschenpost mit.
Oetker hat den Vorstoß in dieses neue Geschäftsfeld unter dem ersten familienfremden Vorstandschef von langer Hand vorbereitet – und das nicht nur bei den Getränken. Das Unternehmen investiert beispielsweise in neue Geschäftsmodelle in der Gastronomie, wo dem Konsumenten Produkte aus der Entwicklung des Herstellers von Pudding, Pizza und Kuchen schmackhaft gemacht werden sollen und zugleich seine Vorlieben erkundet werden.
Weitere Investitionen nötig
Doch auch beim Getränkelieferdienst hat Oetker zu einem Kunstgriff aus der digitalen Welt gegriffen. Um das Geschäftsmodell kennen zu lernen und es besser beurteilen zu können, hat man zunächst den erfolgreichen Pionier kopiert und den eigenen Lieferdienst Durstexpress als Klon von Flaschenpost entwickelt. Als dann klar war, dass das Rennen nicht zu gewinnen war, hat Oetker nicht gezögert und den Konkurrenten kurzerhand übernommen.



Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass den deutschen Mittelständler der Mut nicht verlässt, in den neuen Bereich massiv weiterzuinvestieren. Denn auch das kann er von Amazon und Co. lernen: Plattformkonzepte werden nur zum Erfolg, wenn man konsequent auf Wachstum setzt.
Immer wieder haben deutsche Unternehmen mit Blick auf die mangelnde Profitabilität digitale Experimente zu früh abgebrochen – und sich dann gewundert, wenn die Techkonzerne aus dem Silicon Valley ihnen anschließend die Umsätze abgenommen haben.
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