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KommentarZwei Jahre grausamer Gaza-Krieg – und eine wichtige Lehre daraus

Der Trump-Plan entspringt der typischen Hybris des amerikanischen Präsidenten. Vielleicht aber liegt darin tatsächlich eine Chance für ein Ende der absoluten Gewalt.Jens Münchrath 07.10.2025 - 04:10 Uhr
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Israelische Militäroperation in Gaza: Auch das Gedenken an diesen 7. Oktober wirft mehr Fragen auf, als es Antworten liefert. Foto: REUTERS

Zwei Jahre, 7. Oktober. Zwei Jahre Gazakrieg, zwei Zivilisationsbrüche, begangen von der Hamas mit einem bestialischen, pogromähnlichen Terrorverbrechen an der israelischen Zivilbevölkerung und begangen auch mit einem maßlosen Vergeltungskrieg von einer israelischen Regierung mit Zehntausenden unschuldigen Todesopfern unter der palästinensischen Bevölkerung.

Mit Kategorien der Vernunft ist schwerlich zu erfassen, was in diesen zwei Jahren geschehen ist. Auch das Gedenken an diesen 7. Oktober wirft mehr Fragen auf, als es Antworten liefert.

Welche Mechanismen oder gar Automatismen, bar jeglicher politischen und diplomatischen Rationalität, sind hier am Werk, die den Nahen Osten immer wieder in einen Gewaltexzess abgleiten lassen? Wie viele Menschenleben dürfen im Namen einer noch so gerechtfertigten Vergeltung auf den 7. Oktober geopfert werden? Warum sind auch im Westen so viele „Free Palestine“-Aktivisten bereit, eine Terrororganisation wie die Hamas zu einer Freiheitsbewegung zu verklären? Eine Terrororganisation, die ihr eigenes Volk als Schutzschild gegen israelische Militärs missbraucht und das unermessliche Leid im Gazastreifen eiskalt kalkuliert, um Israel international zu isolieren.

Der Nahostkonflikt, an dem sich ganze Generationen professioneller Diplomaten vergebens abgearbeitet haben, erfährt in dem Gazakrieg einen neuerlichen traurigen Höhepunkt und bleibt ebenso komplex wie rätselhaft. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass das Leid der Palästinenser nicht kleiner wird, nur weil die Verantwortung für den Ausbruch des Kriegs eindeutig bei der Terrororganisation Hamas liegt. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass die zunehmende Wut auf Israel in eine bedenkliche Einseitigkeit münden kann, die völlig außer Acht lässt, dass nicht nur die Hamas, sondern zahlreiche Staaten des Nahen und Mittleren Ostens das Existenzrecht des einzigen freiheitlichen und demokratischen Landes der Region offiziell abstreiten.

Die jüngste rätselhafte Volte in diesem Krieg: Es ist ausgerechnet Donald Trump, der Anlass für einen dieser seltenen Hoffnungsschimmer auf ein Ende des sinnlosen Sterbens in Gaza gibt. So unausgereift der 20-Punkte-Plan des US-Präsidenten auch sein mag – es ist ein Plan.

Friedensstifter Donald Trump?

Einer Annexion des Gazastreifens oder gar des Westjordanlands sowie einer Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung, wie sie sich die rechtsextremen Koalitionspartner des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu herbeiträumen, erteilt dieser Plan eine klare Absage. Andererseits fordert er eine sofortige Freilassung der israelischen Geiseln im Austausch gegen palästinensische Gefangene und eine Entwaffnung der Hamas sowie einen Rückzug des israelischen Militärs.

Es ist einfach, aber auch billig, Trumps Plan zu kritisieren: Ja, es gibt weder klare Rückzugslinien für das israelische Militär noch einen Zeitplan jenseits der Frist für die Freilassung der israelischen Geiseln. Ja, Details darüber, wer was wann überprüft, sind völlig offen. Darüber müssen jetzt die Unterhändler in Ägypten verhandeln. Und, ja, auch der Verdacht liegt nahe, dass Israels Premier den Plan, beziehungsweise das wahrscheinliche Scheitern desselben, zum Anlass nehmen könnte, den „totalen Krieg“ gegen die Hamas noch rücksichtsloser fortzusetzen – dann sogar mit dem ausdrücklichen Plazet des amerikanischen Präsidenten.

Schließlich ist es aus Sicht Netanjahus nicht völlig abwegig, damit zu rechnen, dass die Hamas ihrer eigenen absoluten Kapitulation am Ende doch nicht zustimmen wird. Vielleicht ist es sogar das Kalkül des Premiers.

Doch trotz all dieser berechtigten Bedenken – Fakt ist: Trump hat mit seinem Plan einen diplomatischen Prozess eröffnet, den so vor Kurzem kaum jemand für möglich gehalten hätte. Und die teilweise Zusage der Hamas zeigt bereits, wie groß der Druck auf die Terrororganisation ist, sich kompromissbereit zu zeigen. Das Gleiche gilt für Netanjahu.

Donald Trump und Benjamin Netanjahu am 29. September vor dem Weißen Haus in Washington D.C.: Der US-Präsident hat einen diplomatischen Prozess eröffnet, der israelische Premier hat zugestimmt. Foto: REUTERS

Unbestrittenes Verdienst Trumps ist vor allem, die moderaten arabischen Staaten für seinen Plan gewonnen zu haben. Dieser Ansatz folgt der Logik der „Abraham-Abkommen“ aus seiner ersten Amtszeit. Wenn es etwas gibt, das israelischen Sicherheitsinteressen dient, dann ist es eine Aussöhnung mit den wichtigen Staaten der arabischen Welt – allen voran Saudi-Arabien. Jetzt geht es darum, die Logik des Abraham-Prozesses um die berechtigten Interessen der friedfertigen Palästinenser jenseits der Hamas zu ergänzen. Denn das hat der US-Präsident bei seinem ersten Ansatz versäumt.

Was deutsche Staatsräson hier bedeutet

Dass der Plan zu „ewigem Frieden“ zwischen Israel und den Palästinensern führt, wie Trump es behauptet, glaubt niemand, wahrscheinlich nicht einmal er selbst. Mit einem Ende des Gazakriegs wäre schon viel gewonnen. Sowohl für die Hamas als auch für Netanjahu geht es bei diesen Verhandlungen um mehr als Krieg oder Frieden. Es geht um deren politische Existenz, was die Verhandlungen so unglaublich schwierig macht.

Eines der Grundprobleme des Nahostkonflikts ist, dass die Kriegsparteien vor Ort und die Krisenmanager von außerhalb ständig festlegen wollen, wer Täter und wer Opfer ist. Es wird keinen Frieden im Nahen Osten ohne eine politische Ordnung geben, die einerseits die Existenz Israels sichert und andererseits die grundlegenden Rechte der Palästinenser, einschließlich des Rechts auf politische Selbstbestimmung, berücksichtigt.

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Das anzuerkennen gilt übrigens insbesondere für jenes Land, das die Sicherheit Israels zur Staatsräson erklärt hat. Aus der Verantwortung Deutschlands für den Holocaust allerdings folgt keine bedingungslose Unterstützung für eine Regierung Netanjahu. Die Staatsräson gebietet vielmehr, dem jüdischen Volk bei der Ausübung seines Rechts auf Selbstverteidigung Hilfe zu leisten. Sie gebietet zugleich, darauf zu achten, dass die politisch Verantwortlichen in Jerusalem dabei die Verhältnismäßigkeit und vor allem das Völkerrecht wahren.

Sich der Komplexität und der Dialektik einer solchen Politik bewusst zu werden – dafür bietet der zweite Jahrestag zum 7. Oktober den richtigen Anlass.

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