Leserdebatte: Was ist der richtige Umgang mit der AfD?

Nach dem Bekanntwerden eines geheimen Treffens von Rechtsextremisten, bei dem auch AfD-Politiker dabei waren, rollt eine Protestwelle durch das Land. Hunderttausende haben gegen Rechtsextremismus demonstriert. Zeitgleich hat eine Debatte über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die Partei begonnen. Die Ampelkoalition diskutierte zuletzt über den Ausschluss der AfD von der Parteienfinanzierung.
Wir haben die Leserschaft gefragt: Was wäre der richtige Umgang mit der AfD?
Bei den Lesern und Leserinnen herrscht Uneinigkeit. „Ein Verbot irgendwelcher Art ist nicht sinnvoll“ , meint ein Leser und erhält Zustimmung von einer Leserin: Sanktionen würden von der AfD-Wählerschaft als „Missgunst oder Bevormundung“ aufgefasst. Sie schlussfolgert: „Unbequeme Parteien zu sanktionieren ist kein gutes Vorgehen und demokratisch schon gar nicht.“
Einige Leser sehen das anders. Man solle nicht aus Angst, die Maßnahmen könnten letztlich der AfD nützen, darauf verzichten, fordert ein Leser. Auch ein anderer Leser wird deutlich: „Verbieten! Finanzzuwendungen versiegen lassen! Ausschließen!“
Für viele Leserinnen und Leser ist das eigentliche Problem die Politik der Ampelkoalition. „Nicht die AfD ist stark, sondern unsere Regierung ist schwach, das treibt die Protestwähler zur AfD“, glaubt ein Leser. Nur mit einem politischen Programm, das realitäts- und praxisnah sei, könnten die Parteien die Wähler überzeugen, schreibt ein anderer Leser. Dann werde auch schnell klar, dass die AfD und „ihre fehlenden Lösungen“ eigentlich gar „keine Alternative für Deutschland“ sei.
Für die aktuelle Ausgabe unseres Leserforums haben wir aus den unterschiedlichen Zuschriften eine Auswahl für Sie zusammengestellt.
Verbot könnte nach hinten losgehen
„Ein Verbot irgendwelcher Art ist nicht sinnvoll. Dieser Schuss kann auch nach hinten losgehen. Das Problem ist auch, dass die AfD-Führung ihre Basis nicht unter Kontrolle hat. Die würde sich anderweitig orientieren.
Man kann das Problem nur politisch lösen. Man muss dem Wahlvolk der Protestwähler sagen, wie sich unser Land verändern würde unter einer AfD. Das wäre: raus aus dem Euro, raus aus der EU, raus aus der Nato, Streichung aller Subventionen, auch derer für die Landwirtschaft. Man muss dann auch beschreiben, was die Folgen wären für die Wirtschaft, die Jobs, die Landwirtschaft, die Sicherheit.
Ich glaube, dass die Protestwähler sich darüber nicht im Klaren sind – und ob sie das wirklich wollen.“
Heinz Schwalb
Die breite Öffentlichkeit macht es vor
„Meiner Meinung nach werden Parteien wie die AfD von den Gegnern und den Medien dadurch bedeutungsschwerer gemacht, dass sie ständig im Fokus der Berichterstattung oder einer Verbotsdiskussion stehen. Die breite Öffentlichkeit macht es vor, sie geht auf die Straße und bekennt Farbe, sie handelt und reagiert direkt: nicht wegschauen, sondern hinschauen und sich durch eigenes Tun positionieren.
Aufgabe der Medien ist es, zu berichten und das Tun einer AfD sachlich, aber auch in juristischem Kontext zu beschreiben, eine Wertung steht der dritten Gewalt nicht zu.
Die Parteien haben die Aufgabe – anstelle mit dem Finger auf andere zu zeigen –, ihrem Auftrag gerecht zu werden und im Sinne demokratischer Handlungen zu regieren, das heißt den Weg aufzuzeigen, den es zu gehen gilt, unter Nennung der Vor- und Nachteile, offen mit Kritik umzugehen und trotzdem konsequent weiterzugehen, ungeachtet aller Hetze aus dem rechten Spektrum. Nur konsequentes Handeln weist einer AfD die Bedeutungslosigkeit zu, die sie verdient.
Anstelle einer Konzentration auf die AfD sollten wir alle uns auf unsere eigenen Aufgaben konzentrieren: zusammenhalten, kritisch, aber fair sein, und sachlich bleiben.“
Alexandra Haindl

Unsere Demokratie ist wehrhaft
„Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei, ihre Wähler verdienen den gleichen Respekt wie die Wähler anderer Parteien auch. Unsere Demokratie ist wehrhaft genug, um mit nationalsozialistischen Strömungen umzugehen, egal in welcher Ecke unserer Gesellschaft.
Nicht die AfD ist stark, sondern unsere Regierung ist schwach, das treibt die Protestwähler zur AfD. Eine angemessene, dem Land dienende Einwanderungs- und Sozialleistungspolitik unserer Regierung würde die AfD so aussehen lassen, wie sie ist: armselig!“
Ernst Kranert
Gesellschaftlichen Konsens durchsetzen
„Verbieten! Finanzzuwendungen versiegen lassen! Ausschließen!
Es braucht die Durchsetzung unseres langjährigen gesellschaftlichen Konsenses. Wir waren durch den Nationalsozialismus für die Weltkriege verantwortlich. Das reicht als Begründung.
Unsere besten Anwälte können das Verbot begründen und realisieren.“
Martin Hecher
Horrorvision für Deutschland
„Die Bundesregierung muss dringend ihre Politik ändern und einige der bereits beschlossenen Gesetze, die von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden, zurücknehmen oder zumindest korrigieren. Man kann nicht über längere Zeit gegen den Willen des Volkes regieren.
Dann treibt man die Wähler und Wählerinnen in die Hände von Wagenknecht, AfD und Werteunion. Das ist bereits – und wird sich noch verstärken – eine Horrorvision für Deutschland.“
Heinz-Werner Binzel
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Keine Alternative für Deutschland
„Die AfD lebt von der Zunahme der globalen und nationalen Probleme und von dem Versprechen, den Menschen zuzuhören und Lösungen zu bieten. Sie reitet dabei auf der nationalistischen Welle, die über die Jahre hinweg viele Länder erfasst hat und so selbstverständlich als beste Lösung verkauft wird.
Man übersieht dabei gerne, dass die AfD populistische Themen, insbesondere solche, die von den etablierten Parteien vernachlässigt werden, ausschlachtet, aber ansonsten nur wenige Lösungen bietet.
Verbote führen zu Widerstand und einer Spaltung der Gesellschaft. Man muss die AfD als Herausforderung der Gesellschaft begreifen und sich mit aktuellen Problemen realitätsnah und praxisnah auseinandersetzen, das heißt auch Parteiideologien falls notwendig über Bord werfen, parteipolitische Arroganz ablegen und Brücken zu den Menschen bauen.
Die AfD muss über alle Medien hinweg mit den eigenen Mitteln bekämpft werden, nicht nur indirekt wie beschrieben inhaltlich und politisch, sondern auch direkt mit dem Hinweis auf die Unzulänglichkeiten der Partei und ihre fehlenden Lösungen, die keine Alternative für Deutschland sind.“
Lutz Leopold
Ein klares Nein
„Bestimmt lässt sich ein Argument finden, ein mögliches Verbot der AfD zu legitimieren. Doch stattdessen sollte man sich fragen, ob das Ziel, weniger Rechtsradikalismus zu haben, dadurch erreicht werden kann.
Die Antwort ist ein ziemlich klares Nein, denn dadurch würden Verschwörungsmythen, die die Integrität der Demokratie infrage stellen, noch deutlicher Fahrt aufnehmen. Rechtsradikale und auch andere Bevölkerungsgruppen beschuldigen die Bundesregierung, vieles im Alleingang zu bestimmen und zu manipulieren. Darauf mit einem Verbot der AfD zu reagieren wäre gänzlich falsch.
Als Bevölkerung, Politik und Wirtschaft sollten wir gemeinsam mit anderen legitimen Mitteln gegen diese Gefahr des Rechtspopulismus kämpfen und darauf vertrauen, dass wir unsere politische Partizipation so einsetzen, wie es unseren demokratischen Werten entspricht.“
Annika Rieg
Fünf Handlungsvorschläge
„1. Die Jugendorganisation verbieten (Innenministerium).
2. Über Artikel 18 Höcke das politische Geschäft verbieten.
3. AfD-Verbotsanträge auf Länder- und Bundesebene vorbereiten, dabei die Entwicklung des ersten und des zweiten Punkts beobachten.
4. Entzug der staatlichen Parteienförderung gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts prüfen.
5. Endlich aufhören, diese Maßnahmen darzustellen, als hätten sie keine Chance, als würden sie Märtyrer erzeugen und somit nur der AfD nützen. Nein, sie nützen nur uns Demokraten!“
Franz Schindler
Behörden sollen sich kümmern
„Der richtige Umgang mit der AfD ist, sich als Politiker damit gar nicht zu beschäftigen, sondern sich darauf zu konzentrieren, was das Land und seine Menschen brauchen.
Dann werden die Protestwähler und Politikverdrossenen auch schnell Abstand von der AfD nehmen. Um die AfD kümmern sollen sich die dafür zuständigen Behörden.“
Alexander Kleerbaum
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Zwei Dinge trennen – Partei und AfD-Wähler
„Das Parteiprogramm und seine Auswirkungen deutlich anhand praktischer Beispiele aufzeigen. Zuletzt passend: Alle Subventionen abschaffen – was bedeutet das für wen? Den Wählern zuhören und realistische, praktische Antworten formulieren und umsetzen.


Zum Beispiel Migration aufteilen in Asylsuchende (deren Schicksale beleuchten, zum Beispiel Folterung durch den IS) und in Migranten, die bei uns Arbeit suchen. Den Asylsuchenden gemeinwohlorientierte Arbeit zuweisen. Die, die Arbeit suchen, schnell in Arbeit bringen, statt Arbeitsverbote durchzusetzen. Und dann die Ergebnisse quantifiziert sichtbar machen (zum Beispiel: x Prozent der Asylsuchenden pflegen öffentliche Grünanlagen).“
Gerd Müller
Unbequeme Parteien zu sanktionieren ist nicht demokratisch
„Die AfD verdankt ihre Stärke dem Umstand, dass sie von vielen Bürgern in geordneten Wahlen demokratisch gewählt wird. Glaubt man den Analysen des Wahlverhaltens, sind große Teile ihrer Wähler nicht rechtsextrem, sondern sie sind unzufrieden mit dem personellen und inhaltlichen Angebot der anderen Parteien.
Sanktionen würden wahrscheinlich von den Wählern der AfD als Missgunst oder Bevormundung aufgefasst. Unbequeme Parteien zu sanktionieren ist kein gutes Vorgehen und demokratisch schon gar nicht. Bekämpfen lässt sich die AfD nur durch bessere Angebote der anderen Parteien. Das ist mühsamer als Sanktionen.“
Angelika Brendel
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Mehr: Ob die Proteste der Landwirte nachvollziehbar sind, darüber debattierte die Handelsblatt-Leserschaft zuletzt.





