Leserdebatte: Wie sinnvoll ist das Anti-Tiktok-Gesetz?

Nach der Unterschrift von US-Präsident Joe Biden ist das Anti-Tiktok-Gesetz in Kraft getreten. Zuvor hatten das Repräsentantenhaus und auch der Senat für das Gesetz gestimmt. Gerichte könnten das Verbot aber noch verhindern.
Das US-Gesetz sieht vor, dass der Tiktok-Mutterkonzern Bytedance die App veräußern muss, sonst droht der Plattform die Verbannung aus den amerikanischen App-Stores. Kritiker befürchten, die App-Betreiber würden auf Druck der chinesischen Regierung Nutzerdaten missbrauchen und die öffentliche Meinung manipulieren. Bytedance bestreitet die Vorwürfe.
Wir haben die Leserschaft gefragt, was sie von dem US-Vorstoß halten und ob ein ähnliches Vorgehen in Deutschland und Europa denkbar und sinnvoll wäre.
Die Leser sind geteilter Meinung. Einige zeigen Verständnis für die Maßnahme und wünschen sich auch in Europa eine strengere Regulation der App. So argumentiert ein Leser, wenn einige Personen nicht selektieren könnten, müsse diesen offensichtlich dabei geholfen werden. Das sei die Verantwortung eines „demokratischen Staats“ gegenüber der Gesellschaft, ergänzt er.
Das Vorgehen der USA, den Mutterkonzern Bytedance vor die Entscheidung zwischen Verbot oder Verkauf zu stellen, finden viele Leser jedoch zu rigoros. Ein Leser bezeichnet es als „Enteignung“, ein anderer Leser merkt an, „staatliche Eingriffe“ seien nur „mit Vorsicht“ zu genießen.
Die EU könnte es besser machen, indem sie sich auf „ihre Vorreiterrolle im Bereich der digitalen Regulierung“ stützt und Tiktok dazu bewegt, sich „ in eine gesetzestreue und europäische Plattform zu transformieren“, so ein Leser. Seiner Meinung nach sei hierfür der Digital Service Act aufgrund seiner „klaren Regeln für Datenverarbeitung, Jugendschutz und Transparenz“ das „perfekte Instrument“.
Für die aktuelle Ausgabe unseres Leserforums haben wir aus den unterschiedlichen Zuschriften eine Auswahl für Sie zusammengestellt.
Die EU hat das perfekte Instrument zur Regulierung
„Die aktuelle Debatte um Tiktok in den USA zeigt die Dringlichkeit einer europäischen Lösung für die Herausforderungen durch Social-Media-Plattformen aus Nicht-EU-Staaten. Anstatt fragwürdiger Verbotsversuche wie in den USA sollte die EU ihre Vorreiterrolle im Bereich der digitalen Regulierung nutzen, um Tiktok in eine gesetzestreue und europäische Plattform zu transformieren.
Der Digital Services Act (DSA) bietet hierfür das perfekte Instrument. Mit seinen klaren Regeln für Datenverarbeitung, Jugendschutz und Transparenz kann der DSA Tiktok verpflichten, die Grundwerte der EU zu respektieren und die Rechte seiner Nutzerinnen und Nutzer zu schützen. Gleichzeitig kann er als Hebel dienen, um Druck auf die chinesische Regierung auszuüben und angemessene Freiheitsrechte für nicht chinesische Social-Media-Dienste in China einzufordern.
Der Fall Tiktok ist ein idealer Prüfstein für die Wirksamkeit des DSA und zeigt gleichzeitig die Notwendigkeit einer EU-eigenen Initiative. Die USA gehen mit ihrem Vorgehen einen fragwürdigen Weg, der die freie Meinungsäußerung und die Interessen amerikanischer Unternehmen gefährdet. Die EU hingegen kann mit dem DSA einen neuen Standard für die Regulierung digitaler Plattformen setzen und gleichzeitig die Grundlage für einen konstruktiven Dialog mit China schaffen.
Damit könnte die EU eine Führungsrolle im digitalen Bereich übernehmen, Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger schützen sowie gleichzeitig die Chancen der Digitalisierung nutzen.“
Sebastian Heckler
Die Jugendlichen an der vordersten Front
„Staatliche Eingriffe muss man immer mit Vorsicht genießen. In diesem Fall und meiner Meinung nach auch für andere höchst abhängig machende Apps wie Snapchat sollte dies auch in Europa zumindest diskutiert werden.
Wir befinden uns in einem sehr schnellen und massiven technologischen Umbruch, und die heutigen Jugendlichen ‚spüren‛ das an vorderster Front. Hier sollte regulativ eingegriffen werden, wenn möglich.“
Peter Luckeneder
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Das nennt man Enteignung
„Die Bezeichnung für dieses Vorgehen lautet ‚Enteignung‛. Enteignung eines politischen, geopolitischen und wirtschaftlichen Gegners.
Das ist genauso schlecht vorstellbar wie die potenzielle Enteignung Instagrams in Deutschland. ‚Verkaufe Instagram an SAP, sonst wird es in Deutschland verboten.‛ Alles sollte mit gleichem Maß gemessen werden.“
J. Bauer
EU verfügt über starken Rechtsrahmen
„Tiktok wird von rund 150 Millionen EU-Bürgern und -Bürgerinnen als Medium und zur Kommunikation benutzt. Die EU verfügt mit der General Data Protection Regulation (GDPR), dem Digital Service Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) über einen der stärksten Rechtsrahmen für Plattformen.
Wer nicht nach ebendiesem, sondern nach einem Verbot von Tiktok ruft, hat offenbar kein Verständnis für unseren Rechtsstaat. Und wer ein Verbot von Tiktok in der EU ausgerechnet wegen der Diktatur in China fordert, hat offenbar auch kein Verständnis für unsere Demokratie.“
Gerrit Eicker
Nutzer sollten Eigenverantwortung haben
„Hier würde ein Blinder über die Farben reden. Habe Tiktok nicht installiert. Wer ein technisches Spielzeug nutzt, sollte eigenverantwortlich mit seinen Daten umgehen.
Dass China, Russland und Co. seit Jahren Krieg im Cyberraum mit uns führen, sollte allen bekannt sein.“
Martin Knepper
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Der Staat hat eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft
„Den Vorstoß in den USA bezüglich Tiktok kann ich nachvollziehen. Und ich befürworte diesbezüglich auch ein Einschreiten in der europäischen Politik. Dies würde womöglich auch generell ein Zeichen in der ‚Szene‛ setzen, dass man den Menschen nicht allen ‚Müll‛ vorsetzen sollte und kann.
Wenn ‚einige viele Personen‛ nicht selektieren können, muss diesen offensichtlich dabei geholfen werden. Klar ist mir schon, dass hier der Konsum mit eine treibende Kraft ist.






Der demokratische Staat hat hier für die Gesellschaft auch eine gewisse Verantwortung beziehungsweise die Gesellschaft im Gesamten an sich. Es stellt sich eben die Frage, wie die Gesellschaft diesen ganzen ‚Informationsmüll‛ von sich fern halten kann.“
Markus Haas
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