Morning Briefing: Der Sonne hinterher – Auswandern wird zum Trend

Nichts wie weg: Warum so viele Deutsche auswandern
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
überlegen Sie manchmal, auszuwandern? Mich überfällt der Gedanke regelmäßig in den lichtlosen Monaten Januar und Februar. Die würde ich ohnehin ersatzlos streichen, wenn es in diesem Land nach mir ginge.
Aber mit den ersten Strahlen der Frühlingssonne bin ich meist schon wieder versöhnt mit dem Leben in Deutschland. Und den Herbst, diese vielleicht deutscheste aller Jahreszeiten, liebe ich sogar besonders.
Für Zehntausende Bundesbürger geht die Unzufriedenheit tiefer. Sie hadern nicht nur mit schlechtem Wetter, sondern auch mit schlechter Laune, schlechten Perspektiven und bisweilen auch mit den politischen Verhältnissen.
Insgesamt kommen zwar mehr Menschen nach Deutschland, als das Land verlassen. Doch unter den Deutschen steigt die Zahl der Auswanderer seit Jahren an und liegt regelmäßig höher als die Zahl der Rückkehrer. Waren es 2010 noch rund 141.000, haben 2024 fast 270.000 Deutsche das Land verlassen. Und 2025, darauf deuten die ersten Monate des Jahres hin, könnte diese Zahl nochmals übertroffen werden.
Vorsicht, vor allem der zuletzt genannte Text kann lebensverändernde Folgen haben! Als ich einem Kollegen in der Handelsblatt-Cafeteria von den spektakulären Steuersparmöglichkeiten für Zuwanderer in Italien erzählte, schob er seinen Stuhl zur Seite und sagte: „Ich bin weg!“
Ich glaube, er meinte es im Scherz. Aber ganz sicher bin ich mir nicht. Wie ist eigentlich so der Herbst in Italien?
Verzichtbare Förderprogramme für Kommunen?

Wer im baden-württembergischen Herrenberg ans Ziel kommen will, kann „Stadtnavi“ nutzen: Die App zeigt Routen und allerlei Verkehrsmittel an. Das Bundesverkehrsministerium förderte die kommunale Mobilitäts-App mit 370.000 Euro. 2020 ging die Open-Source-Lösung an den Start, frei für jede andere Kommune, die sie ebenfalls nutzen will.
Doch wird es meist nichts mit der „Nachnutzung“ von solchen geförderten Modellprojekten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Thinktanks „Agora Digitale Transformation“. Laut Agora kommt auch die App aus Herrenberg nur noch in fünf anderen Kommunen oder Verkehrsverbünden zum Einsatz, drei weitere überlegen laut Stadtverwaltung noch. Agora-Studienleiter Mathias Großklaus kritisiert:
Laut Agora hat der Bund allein in der vergangenen Legislaturperiode Kommunen zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. „Das Problem ist nicht die Summe“, schreibt Agora in dem Bericht, „sondern die Tatsache, dass ein Großteil der eingesetzten Mittel wirkungslos verpufft“. Zwar könnten die Kommunen mit dem Bundesgeld neue Dinge ausprobieren. „Sie gelangen aber nicht in die Fläche.“
Einen radikalen Vorschlag unterbreitet der ehemalige Fraktionsvorsitzende und heutige Fachmann für Staatsmodernisierung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus:
Sein Argument: Jede staatliche Ebene, also Bund, Länder und Kommunen, sollte über so viele eigene Steuereinnahmen verfügen, dass sie damit die eigenen Aufgaben erfüllen kann.

Netanjahu will Gazastreifen vollständig erobern
Israel strebt die militärische Kontrolle über den gesamten Gazastreifen an. „Wir haben die Absicht dazu“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Donnerstag dem US-Sender Fox News und bestätigte damit erstmals seit Tagen kursierende Spekulationen. Er fügte hinzu, später solle das Küstengebiet an „arabische Kräfte“ übergeben werden, die das Gebiet dann „ordnungsgemäß regieren“.
Netanjahu sagte bei Fox News nicht, welche arabischen Länder an seinem Vorhaben beteiligt sein könnten. Auch blieb offen, ob Israels Militär langfristig im Gazastreifen bleiben würde, wenn keine tragfähige Übergabe an arabische Länder möglich wäre.
Trump schickt eigenen Berater zur Fed

Der offene Posten im Direktorium der Federal Reserve ist besetzt. Stephen Miran zieht nach dem Abschied von Adriana Kugler ins Führungsgremium der US-Notenbank ein. Das gab US-Präsident Donald Trump gestern bekannt. Miran ist derzeit Chef des Beratergremiums Council of Economic Advisers. Er gilt als enger Vertrauter Trumps.
Der Senat muss die Personalie noch bestätigen – sehr wahrscheinlich, da Trumps Republikaner in der Kammer die Mehrheit halten. Miran soll als Zwischenlösung bis Ende Januar 2026 dienen, wenn Kuglers Amtszeit regulär ausgelaufen wäre. Dann will Trump einen neuen Gouverneur ernennen.
Was kann GPT-5?

Das US-Start-up OpenAI hat am Donnerstag mit GPT-5 sein neuestes Sprachmodell für Künstliche Intelligenz (KI) veröffentlicht. Es bildet künftig die Grundlage für Dienste wie den Textroboter ChatGPT. GPT-5 soll schneller und leistungsfähiger sein als seine Vorgänger.
Zwei Testnutzer sagten der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Verbesserungen spürbar seien. Der Sprung von GPT-4 auf die nun vorgestellte Version sei jedoch weniger eklatant als bei früheren Upgrades.
GPT-5 wird allen OpenAI-Nutzern zur Verfügung gestellt. Also auch jenen, die einen kostenlosen Zugang nutzen. Zahlende Kunden erhalten jedoch großzügigere Nutzungslimits und Zugang zu noch leistungsfähigeren Versionen.
Thiele-Erbschaft beeinflusst Finanzausgleich

So sicher wie der alljährliche Starkbieranstich, so sicher stichelt Bayern als größtes Geberland gegen den Länderfinanzausgleich. Bayerns Finanzminister Albert Füracker forderte auch in diesem Jahr:
Ein erster Blick scheint dem CSU-Politiker recht zu geben: Nachdem Bayern im vergangenen Jahr etwa 52 Prozent des Umverteilungsvolumens finanziert hatte, lag der Anteil im ersten Halbjahr 2025 bei fast 60 Prozent.
Was Füracker nicht sagt, dafür aber Handelsblatt-Chefvolkswirt Bert Rürup und sein Kollege Axel Schrinner berichten: Die Ausweitung des Finanzausgleichs beruht auf einem einmaligen Sondereffekt.
Im Februar 2021 verstarb mit Heinz Hermann Thiele einer der reichsten Deutschen, Hauptaktionär der Vossloh AG und der Knorr-Bremse AG sowie Großaktionär der Lufthansa. Im April 2025 nahm die bayerische Finanzverwaltung 3,65 Milliarden Euro Erbschaftsteuer ein, in normalen Monaten sind es meist so rund 200 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2024 betrug das gesamte Erbschaft- und Schenkungssteueraufkommen bundesweit knapp zehn Milliarden Euro.
Nach unbestätigten Berichten wurde das Geld von der „Heinz Hermann Thiele Familienstiftung“ gezahlt. Die sonst bei der Vererbung von Betriebsvermögen üblichen Steuerspar-Kniffe griffen bei Thiele offenbar nicht – und das Geberland Bayern muss daher noch mehr als sonst in den Umverteilungstopf zwischen den Bundesländern packen.
Mein Vorschlag zur Güte: Füracker überweist ohne weiteres Murren den zusätzlichen Länderfinanzausgleich, und zum Dank erhält sein Chef Markus Söder aus jedem Empfänger-Bundesland ein Schlemmerpaket mit regionalen Fleisch- und Wurstspezialitäten: Bremer Knipp, Pfälzer Saumagen, Thüringer Bratwurst...
Falls das nicht reicht, darf der Ministerpräsident zusätzlich fünf Lufthansa-Jets auf die Namen von bayerischen Metzgermeistern taufen.
Ich wünsche Ihnen einen ausgeglichenen Wochenausklang.
Herzliche Grüße,






Ihr
Christian Rickens
PS: Mit diesem Morning Briefing verabschiede ich mich in die Ferien. Teresa Stiens übernimmt in den kommenden Wochen wie gewohnt die nachrichtliche Frühversorgung. Meine Sommerreise geht übrigens in eine europäische Region, die weit weg von Skandinavien liegt – deren heutiger Name aber dennoch auf die Wikinger zurückgeht.





