Morning Briefing: Grönland, Panama, Kanada: Donald Trump im Expansionsrausch

Anschlussfähigkeit: Trump will Grönland, Kanada und Panamakanal
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser!
Manchmal kann man auch nach vielen Berufsjahren im Journalismus mit seiner Einschätzung daneben liegen. Als ich vorgestern im Morning Briefing über das Handelsblatt-Interview mit Allianz-Chef Oliver Bäte schrieb, erschien mir dessen Forderung nach einer höheren Erbschaftsteuer am spannendsten.
Als der wahre Aufreger des Interviews erwies sich dann allerdings Bätes Idee, die Lohnfortzahlung für den ersten Krankheitstag zu streichen: Aufmacher in der „Bild“, Kommentare in zahlreichen anderen Medien und eine ausgewachsene politische Debatte. So sieht etwa FDP-Fraktionschef Christian Dürr die seit 2021 sprunghaft angestiegene Zahl der Krankheitstage als Symptom eines leistungsfeindlichen Sozialstaats.
Im Raum steht der Verdacht, dass wir zu einer Nation der Blaumacher mutieren. Tatsächlich dürfte zum Fehltage-Rekord aber auch ein statistischer Effekt beitragen: Erst mit der 2021 eingeführten elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die von den Arztpraxen direkt an die Krankenversicherung übermittelt werde, gebe es eine lückenlose Erfassung der Krankmeldungen, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, gestern in Berlin.
Es liegt nahe, dass früher viele Arbeitnehmer ihre „gelben Scheine“ gar nicht beim Arbeitgeber abgegeben haben, weil sie dazu meist nicht vom ersten Krankheitstag an verpflichtet sind. Laut einer Studie der DAK-Gesundheit entfielen auf diesen Meldeeffekt je nach Diagnose rund 60 Prozent und mehr der jüngsten Krankmeldungen, so Handelsblatt-Arbeitsmarktexperte Frank Specht.
Sollte künftig die Lohnfortzahlung nur für den ersten Krankheitstag entfallen, könnte das erneut einen Fehlanreiz auslösen: Faulenzer würden dann womöglich noch einen zweiten, voll bezahlten Krankheitstag dranhängen. Der Wirtschaftsweise Martin Werding schlägt eine andere Lösung vor: eine Begrenzung der Entgeltfortzahlung auf 80 Prozent des Gehalts – nur für die erste Krankheitswoche oder generell.

Wie so viele Regierungen vor ihr war auch die Ampel mit dem Vorsatz gestartet, Subventionen abzubauen. Tatsächlich geschah das Gegenteil: Dem jüngsten Subventionsbericht der Bundesregierung zufolge stieg das Volumen der Finanzhilfen und Steuervergünstigungen von 37,9 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 67,1 Milliarden Euro im Jahr 2024.
Auffallend häufig profitieren von den Finanzhilfen profitable Großunternehmen. Das zeigt eine Analyse des Steuerzahlerbunds, die Handelsblatt-Politikreporter Jan Hildebrand vorliegt.
Der Verband hat überprüft, welche der 25 Unternehmen mit der größten Wertschöpfung von Finanzhilfen profitieren. Demnach laufen aktuell 818 Förderprojekte, an denen 20 der 25 Großunternehmen beteiligt sind.
Die Unterstützung für diese Konzerne summiert sich über die gesamte Programmdauer auf 4,3 Milliarden Euro. Drei Beispiele:
Es sei „weniger die Sinnhaftigkeit dieser Projekte, sondern vielmehr ihre Bezuschussung infrage zu stellen“, betont der Steuerzahlerbund und sieht „die Gefahr erheblicher Mitnahmeeffekte“.
Falls noch Geld übrig ist: Ich hätte da einen hochinteressanten Förderungsvorschlag zur Verbesserung der privaten Lebensqualität von Morning-Briefing-Autoren („Gutes-Schreiben-Gesetz“).

Donald Trumps Anwälte sind mit einem weiteren Versuch gescheitert, die Verkündung des Strafmaßes im New Yorker Schweigegeld-Prozess am Freitag zu verhindern. Berufungsrichterin Ellen Gesmer lehnte ein entsprechendes Gesuch ab. Nun könnte der designierte US-Präsident noch weitere höhere Gerichte anrufen, damit die Verkündung der Strafe nicht wie geplant stattfindet.
Laut Medienberichten hatten die Trump-Anwälte argumentiert, dass für US-Präsidenten Immunität gelte. Aber nicht für designierte Präsidenten, habe Richterin Gesmer geantwortet. In dem Prozess ging es um die illegale Verschleierung von 130.000 Dollar Schweigegeld, die Trump an die Pornodarstellerin Stormy Daniels zahlen ließ, um sich Vorteile im Wahlkampf 2016 zu verschaffen.

Unmittelbare Auswirkungen auf Trumps Präsidentschaft dürfte die Verkündung nicht haben, eine Haftstrafe ist eher unwahrscheinlich.
Trump selbst servierte gestern auf einer Pressekonferenz einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns vermutlich ab dem 21. Januar bevorsteht. So schließt der künftige US-Präsident den Einsatz von militärischem Zwang oder wirtschaftlichem Druck nicht aus, um Kontrolle über den Panamakanal und Grönland zu erlangen. Trump antwortete am Dienstag auf eine entsprechende Frage eines Journalisten:
Im Streit um Grönland könnten laut Trump auch Zölle gegen Dänemark verhängt werden. In seinem Bestreben, zusätzlich noch Kanada an die USA anzuschließen, erwägt Trump nach eigenen Worten ebenfalls wirtschaftliche Maßnahmen. Er hat bereits Zölle von 25 Prozent auf alle Einfuhren aus Kanada angekündigt.
Der Republikaner forderte ferner, dass die Nato-Staaten fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben sollen. Bisher lautet das Nato-Ziel zwei Prozent.
Ach ja, und der Golf von Mexiko soll nach Trumps Willen künftig Golf von Amerika heißen, Trump:
Die beste Nachricht des Tages kommt für mich aus Straßburg: Der dortige Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Griechenland wegen der illegalen Zurückweisung eines türkischen Flüchtlings im Jahr 2019 verurteilt. Die Richter in Straßburg entschieden, dass Griechenland gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen habe.
Die Frau war 2019 in der Türkei wegen der Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung zu sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Daraufhin wollte die Türkin über den Grenzfluss Evros nach Griechenland fliehen. Ihren Angaben zufolge wurde sie auf griechischem Gelände in der Nähe des Flusses aufgegriffen. Ein Asylantrag wurde nicht wie vorgeschrieben geprüft. Stattdessen brachten vermummte Gestalten die Frau mit einem Schlauchboot wieder auf die türkische Seite des Flusses. Dort wurde sie inhaftiert.
Der Gerichtshof entschied nun, dass Griechenland der Frau als Ausgleich für den illegalen „Pushback“ 20.000 Euro zahlen muss.
Es ist zwar nur die Entscheidung über einen Einzelfall, wie er an den EU-Außengrenzen vermutlich hundert- oder tausendfach vorgekommen ist oder noch immer vorkommt. Aber schön zu sehen, dass auch hier der Rechtsstaat nicht komplett abwesend ist.
Ich wünsche Ihnen einen Mittwoch, an dem Sie nicht wegschauen.
Herzliche Grüße,
Ihr
Christian Rickens






PS - die Leserfrage für heute:
Herr Rickens, warum hängen Sie im Morning Briefing immer noch an der Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse hat sich bereits dreimal bewährt. In der Weltfinanzkrise, während Corona und nach Beginn des Ukrainekriegs konnte die Bundesregierung dank überschaubarer Schuldenstände ihre Ausgaben kräftig hochfahren und so die Rezession abmildern. Und mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit sind weiterhin zusätzliche Schuldentöpfe wie das Sondervermögen für die Bundeswehr möglich. Geld für öffentliche Investitionen fehlt in Deutschland offenbar auch nicht, denn die entsprechenden Mittel fließen oft gar nicht ab. Wohin dagegen der Weg führt, sich mit Schulden Wachstum erkaufen zu wollen, zeigt der Blick auf die Haushaltsmisere in Frankreich.





