Morning Briefing: Israel geht mit der Bodenoffensive ein hohes Risiko ein

Verstärkter Angriff: Israel beginnt mit der Bodenoffensive
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
am Wochenende mehrten sich die Indizien, dass Israel mit seiner Bodenoffensive im Gazastreifen begonnen hat. Mit Bodentruppen und Panzern rückten die israelischen Streitkräfte in den Norden des Gazastreifens vor. Schon in der vergangenen Woche waren immer wieder Soldaten kurzzeitig in palästinensisches Gebiet eingedrungen. Doch in der Nacht zum Sonntag verschärfte das Kriegskabinett die Einsätze vor Ort und zog die Soldaten nicht wie bisher wieder ab. Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach von der „zweiten Phase“ des Krieges. Ziel sei die Zerstörung der Hamas und die Befreiung der Geiseln.
Der frühere Nahostexperte des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Conrad, sieht darin im Handelsblatt-Interview jedoch einen „gravierenden Zielkonflikt“. Das Ziel, die Hamas zu zerstören, mache Verhandlungen mit der Gruppe über eine Freilassung der Geiseln praktisch obsolet, so Conrad. Lesen Sie hier das Interview.
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi drohte Israel auf X (vormals Twitter), das israelische Vorgehen könne „jeden dazu zwingen, Maßnahmen zu ergreifen“. Auch Saudi-Arabien und Jordanien verurteilten den Militäreinsatz.
Der israelische Anti-Terror-Feldzug, so viel ist klar, ist hochriskant. „Es ist unvermeidbar, dass Israel versucht, die Infrastruktur auszuschalten, die die Hamas für ihren Terrorangriff genutzt hat“, sagt der Politikwissenschaftler Peter Neumann vom King’s College in London. „Aber die Israelis müssen sich sehr genau überlegen, wie sie dabei vorgehen.“ Denn bei der Offensive drohen nicht nur militärische Fallen, sondern auch politische. Neumann erklärt: „Die moderne Strategie des Terrorismus ist das Provozieren einer massiven Überreaktion, was dann zu einer Täter-Opfer-Umkehr führt.“

Israelische Truppen nahe der Grenze zum Gazastreifen. Militante Palästinenser könnten von einem Einmarsch Israels in den Gazastreifen profitieren.
Ein Effekt, der schon jetzt vielerorts verfängt. Spaniens linke Sozialministerin Ione Belarra prangerte auf X einen „Völkermord“ an den Palästinensern an. Doch auch andere Regierungen warnen vor einer zu harten Reaktion. Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre warf Israel im Rundfunksender NRK einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Völkerrecht vor. „Zivilisten müssen berücksichtigt werden, und das Humanitäre Völkerrecht ist sich dessen voll bewusst „, sagte Støre. Er glaube, dass diese Grenze von Israel weit überschritten worden sei.
Auch Israels Wirtschaft bekommt den Krieg mit voller Wucht zu spüren. Konsumenten halten sich zurück und geben für alle Güter außer Lebensmittel deutlich weniger Geld aus. Die Geschäfte im Einkaufszentrum von Tel Aviv schließen bereits um vier Uhr – fünf Stunden früher als eigentlich üblich. Der Tourismus ist vollkommen eingebrochen, hunderte Flüge wurden annulliert.
Der Wirtschaft fehlen außerdem ihre Arbeitskräfte, von denen viele im Militär gebunden sind. Rund 350.000 Reservisten stehen seit mehr als zwei Wochen an den Grenzen zum Gazastreifen und zum Libanon. Guy Beit-Or, Chefökonom des Investmenthauses Psagot, prophezeit: „Uns steht ein langer Krieg bevor, und das wird der israelischen Wirtschaft einen hohen Tribut abverlangen.“
Bei einer geschätzten Kriegsdauer von 60 Tagen werden sich die Kosten auf über 17 Milliarden Dollar belaufen, schätzt Alex Zabezhinsky, Chefökonom des Tel Aviver Investmenthauses Meitav. Die Summe entspreche 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) – mehr als bei allen anderen Konflikten der letzten Jahre.

Viele Unternehmen haben mit der schwächelnden Konjunktur zu kämpfen – einige können aber profitieren.
Auch in Deutschland dämpfen die vielen internationalen Krisen die wirtschaftliche Stimmung. Der Dax hat seit Anfang August gut zehn Prozent verloren. Die Nettogewinne der Mitgliedskonzerne fielen im ersten Halbjahr sogar um rund 20 Prozent. Doch es gibt einige Unternehmen, die sich dem Negativtrend entziehen und für die Analysten positive Aussichten bereithalten.
Zu den unerwarteten Gewinnern zählt unter anderem Heidelberg Materials. Der Baustoffkonzern hat im dritten Quartal trotz sinkender Umsätze mehr Gewinn erwirtschaftet als Analysten erwartet hatten und erhöhte zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Ertragsprognose. Heidelberg Materials kommt seine komfortable Marktsituation zugute. Denn Zement und die Materialien für seine Herstellung sind sehr schwer und deshalb unverhältnismäßig teuer zu transportieren. Deshalb sind die Märkte weitgehend zwischen den großen Herstellern aufgeteilt. Das erleichtert es, bei steigenden Kosten höhere Preise zu verlangen. Welche Unternehmen noch zu den versteckten Champions zählen, lesen Sie in unserer Analyse.
In diesen Wochen informieren die privaten Krankenkassen ihre Mitglieder, wie sich ihre Beiträge im kommenden Jahr entwickeln werden. Mein Kollege Jürgen Klöckner aus dem Handelsblatt-Hauptstadtbüro hat schon vorab erfahren, in welche Richtung es für die meisten Versicherten gehen wird. Die schlechte Nachricht: Für viele wird es deutlich teurer. Bereits im Jahr 2022 und 2023 stiegen die Beiträge um durchschnittlich rund zwei Prozent. Im kommenden Jahr dürften es noch mehr werden.
In einzelnen Fällen wird die Erhöhung sogar im zweistelligen Prozentbereich liegen. Im Schnitt rechnet der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) mit rund sieben Prozent. „Die Anpassungen sind notwendig, um gestiegene Leistungen und den medizinischen Fortschritt zu finanzieren“, rechtfertigt PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther den Schritt.


Zum Abschluss noch zu einer traurigen Nachricht aus der Unterhaltungswelt. Der US-Schauspieler Matthew Perry, bekannt für seine Rolle als Chandler Bing in der Sitcom Friends, ist am Wochenende mit 54 Jahren verstorben. Perry hatte sein Leben lang unter Suchtproblemen gelitten. In der Serie Friends verkörperte er einen von sechs Freunden in New York, die viele Witze machen und zusammen ins Kaffeehaus gehen. Falls Sie Friends noch nie gesehen haben, empfehle ich Ihnen, mal reinzuschauen. Die Serie eignet sich wunderbar, um in einer realen Welt voller Grausamkeiten, Krisen und Suchtproblematiken einfach mal den Kopf auszuschalten und so zu tun als gebe es nichts wichtigeres als Bräunungscreme, Kaffeetassen und die ganz große Liebe.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag mit einer angemessenen Portion Heiterkeit.
Herzliche Grüße
Ihre
Teresa Stiens
Redakteurin Handelsblatt





