Morning Briefing: Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg – eine seltsam vertraute Tat

Messerangriff: Ein Fall von Staatsversagen? / Ukraine-Hilfe: Scholz wittert „Skandal“
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
nach dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg müssen sich die Behörden einmal mehr unangenehme Fragen gefallen lassen. Bei dem Angriff in einem Park sind gestern zwei Menschen getötet worden, ein zweijähriger Junge marokkanischer Abstammung und ein 41 Jahre alter Mann, der zur Hilfe kommen wollte. Zwei weitere Menschen wurden schwer verletzt. Tatverdächtig ist ein 28-jähriger afghanischer Flüchtling, den die Polizei festnehmen konnte.
Für einen islamistischen Hintergrund gibt es laut dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann keine Hinweise. „Im Moment geht die Mutmaßung sehr stark in Richtung einer offensichtlich psychischen Erkrankung“, sagte der CSU-Politiker.
Wie schon bei den tödlichen Angriffen von Solingen und Magdeburg steht der Verdacht auf Behördenversagen im Raum: Laut Herrmann war der 28-Jährige in der Vergangenheit bereits dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen. Deshalb sei er jeweils zur psychiatrischen Behandlung in Einrichtungen eingewiesen worden, aber stets wieder entlassen worden.

Dem Innenminister zufolge war der Verdächtige im November 2022 nach Deutschland eingereist und hatte später einen Asylantrag gestellt. Sein Verfahren sei abgeschlossen worden, nachdem der Mann selbst gegenüber den Behörden angekündigt habe, ausreisen zu wollen. Er habe angegeben, beim afghanischen Generalkonsulat die nötigen Papiere besorgen zu wollen. Ausgereist sei er trotz Aufforderung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aber letztlich doch nicht.
Bei aller Vorsicht vor vorschnellen Urteilen, dieses Muster erscheint leider schrecklich vertraut: Was nutzen noch so scharfe Gesetze, wenn sie im Wirrwarr der Behördenzuständigkeiten nicht konsequent angewendet werden? FDP-Chef Christian Lindner schreibt auf X von „Staatsversagen“ im Fall Aschaffenburg. Stand heute fällt es schwer, ihm zu widersprechen. Die AfD wird es im Wahlkampf zu nutzen wissen.

Bundeskanzler Olaf Scholz legt im Regierungsstreit über die Finanzierung zusätzlicher Ukraine-Militärhilfe nach: Dass vor der Wahl nicht darüber diskutiert werde, wer was zahle, „empfinde ich als Skandal“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch. Wer unbeantwortet lasse, woher das ganze Geld kommen solle, „belügt die Öffentlichkeit.“
Auslöser ist der Streit, ob ein Ukraine-Hilfspaket über drei Milliarden Euro über zusätzliche Kredite oder aus dem Haushaltsentwurf 2025 bezahlt wird. Scholz und die SPD-Spitze plädieren für den ersten Weg, für den aber eine Aussetzung der Schuldenbremse notwendig wäre. Grüne, Union und FDP wollen dagegen einen Beschluss des Haushaltsausschusses für eine sogenannte überplanmäßige Ausgabe.
Andreas Schwarz, SPD-Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestags, sieht anders als sein Parteifreund Scholz durchaus Spielraum im Etat 2025. Der „Rheinischen Post“ sagte Schwarz: „Ich gehe davon aus, dass drei Milliarden Euro bei einem Gesamthaushalt von 488 Milliarden Euro zum aktuellen Zeitpunkt zu finden wären, ohne die innere, äußere oder soziale Sicherheit des Landes zu gefährden. Es wäre wünschenswert, trotz der geringen Kompromissbereitschaft im Wahlkampf zu dieser Lösung für die Ukraine zu kommen.“
Laut FDP wird Finanzminister Jörg Kukies (SPD) am kommenden Mittwoch im Haushaltsausschuss die Lücke in der Etatplanung 2025 erläutern. Die Liberalen erwarten von ihm dann auch eine Vorlage für das Drei-Milliarden-Paket.
Deutschland braucht nach Ansicht von Bundesbankchef Joachim Nagel eine völlig neue Schuldenbremse. „Ich denke, wir sollten nicht nur leichte Änderungen vornehmen“, sagte Nagel am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. „Wir brauchen viele Investitionen in Deutschland, wir haben unsere strukturellen Probleme. Wir müssen das überwinden“, betonte Nagel auf einem Empfang der Stadt Frankfurt in Davos. Dem „Spiegel“ sagte Nagel, Deutschland habe angesichts seiner verhältnismäßig niedrigen Schuldenquote durchaus Spielraum:

Die EU sieht die Chance, einen Handelskrieg mit der neuen US-Regierung abzuwenden. Ein umfangreiches Verhandlungsangebot soll Präsident Donald Trump besänftigen. Nach Handelsblatt-Informationen aus EU-Kreisen wird in einer internen Taskforce bereits an einer konkreten Offerte gearbeitet. Ein Ziel: den Import von US-Flüssiggas zu steigern, ohne die eigenen Klimaziele zu verwässern.
Zugleich könnte die EU Trump den Kauf von weiteren modernen Waffensystemen in den USA zusagen, wie ein hochrangiges Kommissionsmitglied dem Handelsblatt bestätigte. Eine weitere Option wäre es, die Lieferungen von US-Autos nach Europa zu erleichtern.

Mit einem Zugewinn von im Schnitt 19 Prozent war 2024 ein starkes Dax-Jahr. Doch zugleich haben fünf Aktien im deutschen Leitindex mehr als ein Viertel ihres Werts verloren.
Solch ein Kursrutsch kann Chancen bergen. Siemens Energy zum Beispiel war 2023 um 32 Prozent abgestürzt – und schon im Jahr darauf mit einem Zugewinn von 320 Prozent der erfolgreichste Dax-Titel.
Aber zugleich ist da auch die Börsenweisheit vom fallenden Messer, in das man tunlichst nicht greifen sollte. In welche Kategorie die fünf Dax-Loser gehören, hat Handelsblatt-Aktienexperte Ulf Sommer für Sie untersucht.
Zum Beispiel Bayer, mit einem Minus von 42,6 Prozent der Dax-Konzern mit der katastrophalsten Börsenentwicklung 2024. Bereits im Jahr davor war der Kurs um 30 Prozent gefallen. Schuld ist in erster Linie die missglückte Monsanto-Übernahme mit milliardenschweren Schadensersatzforderungen in Sachen Glyphosat.
Gemessen an dem von Analysten erwarteten Nettogewinn in den nächsten vier Quartalen ist die Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von nur 4,5 extrem niedrig bewertet. Bayer ist damit wohl die risiko- und zugleich chancenreichste Aktie im Dax. Die Analysten sehen im Schnitt ein Kurspotenzial für die kommenden zwölf Monate von rund einem Viertel.
Plus, wie man bei Bayer wohl dazusagen muss.

Wenn man sonst gar nicht mehr weiß, wen man wählen soll, kann man ja auch einfach mal nach Brieftasche abstimmen: Was haben die Ampel-Parteien eigentlich finanziell für einen persönlich gebracht?
Die gute Nachricht: Dank einer Steuerreform light sollen die Steuerzahler allein in diesem Jahr um 7,35 Milliarden Euro entlastet werden. Die schlechte Nachricht: 2025 werden zugleich deutlich höhere Sozialbeiträge fällig.
Was genau diese Veränderungen für Singles, Paare und Familien bedeuten, wie sich beispielsweise Kinderfreibeträge auswirken – all das hat das Datenteam des Handelsblatt mithilfe des Ökonomen Frank Hechtner von der Universität Erlangen-Nürnberg berechnet. Das Ergebnis haben die Kollegen in einem interaktiven Gehaltsrechner aufbereitet, der zeigt, ob Ihnen persönlich in diesem Jahr tatsächlich mehr Netto vom Brutto bleibt.
Ein erster Selbsttest verlief enttäuschend: Laut Rechner wird meine Familie 2025 netto 172 Euro weniger haben. Sollte ich mich, statt nach Brieftasche abzustimmen, vielleicht doch besser nach einem Kandidaten wie Donald Trump umsehen? Nach einem, der von Gott ausgewählt wurde, um unser Land wieder groß zu machen? Da weiß man wenigstens, wer Schuld ist, wenn es schief geht.
Ich wünsche Ihnen einen Donnerstag mit direktem Draht nach oben.






Herzliche Grüße,
Ihr
Christian Rickens





