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Morning BriefingWie Boschs Megadeal die Umbrüche der Automobilbranche offenlegt

Teresa Stiens 24.07.2024 - 06:17 Uhr
Handelsblatt Morning Briefing

Elefant im Busch: Der Megadeal bei Bosch / Ernüchterung im Chiprennen: Die Chinesen ziehen davon

24.07.2024
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Liebe Leserinnen und Leser,

dass bei Bosch etwas im Busch war, hatte sich schon länger angedeutet. „Wir haben ein paar größere Dinge im Auge“, hatte Konzernchef Stefan Hartung in einem Handelsblatt-Interview im Mai orakelt. Ich habe seitdem aus dem Unternehmensressort der Handelsblatt-Redaktion gehört, dass es bei dem Konzern „raschelt“.

Lange war allerdings nicht klar, was sich bei Bosch im Busch verbarg. Handelte es sich nur um eine kleine Maus oder um einen echten Hasen? Seit gestern ist klar, es war ein ausgewachsener Elefant, den das Unternehmen versteckte. Eine Übernahme, die alle bisher gekannten Dimensionen übertrifft.

Die Schwaben zahlen umgerechnet rund 7,4 Milliarden Euro, um das eigene Geschäft mit Wärmepumpen und Klimageräten auszubauen. Der Großteil entfällt auf das Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnikgeschäft für Gebäude des US-Konzerns Johnson Controls.

Der Technologiekonzern nimmt dabei so viel Geld für eine Übernahme in die Hand wie noch nie zuvor in der Unternehmensgeschichte. Bosch strebt an, den Deal innerhalb von zwölf Monaten abzuschließen. Die Übernahme ist Teil der „Strategie 2030“, deren erklärtes Ziel es ist, in allen Bosch-Bereichen in den jeweils relevanten Märkten zu den führenden drei Anbietern zu zählen.

Der „Elefant im Raum“ des Deals ist, dass sich der weltweit größte Automobilzulieferer möglichst schnell unabhängig von den Entwicklungen auf dem Automobilmarkt machen muss. In der Sparte droht Bosch ein Bedeutungsverlust, weil demnächst große asiatische Batterieproduzenten die Schwaben von der Branchenspitze verdrängen könnten.

Produktion von Wärmepumpen bei Bosch: Der Technologiekonzern baut den Geschäftsbereich mit einer milliardenschweren Übernahme aus. Foto: Bosch

Ein anderes Unternehmen rutscht wegen einer Zukunftssparte gerade in die Krise. BayWa aus München kämpft mit Problemen bei seiner Erneuerbare-Energien-Tochter. Der Agrar- und Baustoffhändler zieht deshalb jetzt personelle Konsequenzen, wie das Handelsblatt aus Branchenkreisen erfuhr. BayWa r.e. entwickelt Wind- und Solarparks und betreibt diese auch teilweise selbst und handelt außerdem mit Solarmodulen. Doch der Konzern kämpft mit einer hohen Verschuldung. Ende 2023 hatte er Nettoschulden von mehr als fünf Milliarden Euro angehäuft. BayWa hatte seine weltweite Expansion mit Krediten finanziert – der Zinsanstieg führt nun zu hohen Belastungen.

Auch die Erneuerbare-Energien-Tochter war in der Niedrigzinsphase stark gewachsen, die Organisation kam allerdings nicht immer hinterher. Wegen des Zinsanstiegs ist es jetzt teilweise schwieriger geworden, die Projekte nach Fertigstellung zu verkaufen. In den vergangenen zehn Tagen gab es deshalb gleich mehrere Krisensitzungen des Aufsichtsrats. Die BayWa könnte als Konsequenz aus den Problemen bei der Tochter nun die Mehrheit abgeben.

Der Markt für Elektroautos in Europa hat einen deutlichen Dämpfer im Vergleich zu den Vorjahren hinnehmen müssen und ist im ersten Halbjahr laut dem Datendienstleister Dataforce gerade einmal um ein halbes Prozent auf 916.000 Fahrzeuge gewachsen. Wie viele andere Massenhersteller kämpft auch Volkswagen mit der Wende vom Verbrenner zum Stromer. Im ersten Halbjahr 2024 hatte der Dax-Konzern aus Wolfsburg weniger E-Autos ausgeliefert als im Vorjahreszeitraum.

Trotz des Nachfragetiefs zeigt sich der Chef der Volkswagen-Batteriesparte Powerco, Frank Blome, optimistisch. Er schätzt, dass sich die Lage wieder „berappeln“ werde. Als Grund für seine Zuversicht nennt er im Interview Märkte wie Frankreich oder Großbritannien und auch China – dort wachse der Markt für E-Autos weiterhin „kräftig“. Branchenexperten allerdings sind skeptischer. Wolfgang Bernhart, Partner im Stuttgarter Büro von Roland Berger und Experte für die Autoindustrie, gibt zu Bedenken:

Die Unsicherheit im Markt ist weiter sehr hoch.
Wolfgang Bernhart
Branchenexperte

Neben der Flaute beim Elektroauto-Absatz hatten Batteriehersteller in Europa zuletzt auch mit Überkapazitäten aus China und eigenen Problemen beim Hochlauf ihrer Produktion zu kämpfen. Powerco-Chef Blome interpretiert die Entwicklungen auf seine Art. Er habe nicht die Erwartung, dass der Hochlauf der Elektromobilität „einer linearen Wachstumskurve“ folgt. „Es wird immer wieder Atempausen geben“, betont der Manager.

Chipfertigung: In China entstehen deutlich mehr Halbleiterwerke als in anderen Ländern. Foto: Moment/Getty Images

Im Wettlauf um die weltweite Halbleiterproduktion hat China momentan die Nase vorn. Nirgendwo anders entstehen so viele neue Chipwerke. Seit 2021 haben die Halbleiterhersteller in China knapp 100 Investitionen in neue Fabriken angekündigt. Das geht aus Daten hervor, die der Lieferkettenspezialist Everstream exklusiv für das Handelsblatt ausgewertet hat.

Dabei handelt es sich um vergleichsweise billige Fabriken: Im Schnitt kosten sie nur 1,2 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Bei den neuen Werken in den USA sind es gut elf Milliarden. Das deute darauf hin, dass dort „keine Hochleistungschips, sondern Massenware“ produziert werde, schätzt Everstream-Spezialist Mirko Woitzik. Chips also, die in vielen Bereichen des täglichen Lebens eingesetzt werden – von Autos über Kaffeemaschinen bis zu Waschmaschinen. Die einzelnen Chips kosten häufig nur Centbeträge. Hinter dem Ausbau der massenhaften Chipfertigung steckt für China das Kalkül, sich weniger angreifbar für westliche Tech-Sanktionen zu machen. Halbleiter sind als Hirn der Technologien für diesen Plan zentral.

Zum Abschluss noch einen Blick auf ein wichtiges deutsches Exportgut, bei dem das Qualitätslabel „Made in Germany“ noch weltweit nachgefragt ist: Schlafsäcke. Wobei es sich bei Nordisk Schlafsäcken genau genommen um ein dänisches Produkt handelt, das allerdings auch in Görlitz gefertigt wird, wie mein Kollege Joachim Hofer in seinem Unternehmerporträt beschreibt.

Nordisk-Chef Erik Møller verkauft zusammen mit seinen Schlafsäcken auch ganze Erlebnisreisen, etwa in Japan. Dort scheint es ein echtes Highlight für frisch vermählte Hochzeitspaare zu sein, ganz bodenständig in Zelten und Schlafsäcken übernachten zu dürfen.

Ich halte deutsche Bodenständigkeit insgesamt für ein unterschätztes Exportgut. Daraus ließen sich noch weitere attraktive Geschäftsideen spinnen. Wie wäre es zum Beispiel mit der Erlebnisreise „Kehrwoche“ inklusive kulinarischem Highlight „Kartoffelpü mit Fischstäbchen und Blubbspinat“?

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, an dem Sie nicht die Bodenhaftung verlieren.

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Es grüßt Sie herzlich

Ihre

Teresa Stiens

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