Morning Briefing : Wie ein neues Bewertungssystem bei SAP für Unruhe sorgt

Großoperation: Wer stopft das Loch im Haushalt 2024?
Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,
noch immer ist kein weißer Rauch aufgestiegen aus den Verhandlungen um den Behelfshaushalt 2024. Wegen des Klimafonds-Urteils des Bundesverfassungsgerichts muss die Regierungskoalition gegenüber dem ursprünglichen Etatentwurf kurzfristig eine Lücke von rund 17 Milliarden Euro stopfen – plus noch einmal 13 Milliarden im Klimafonds. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil räumte gestern Abend in der ARD-Sendung „Maischberger“ ein:
„Das ist gerade die größte innenpolitische Krise, die diese Ampel zu bewältigen hat.“
Klingbeil bekräftigte, dass seine Partei auch eine erneute Haushaltsnotlage für 2024 als Option sieht, um so die Schuldenbremse auszusetzen. Die Begründung lieferte er gleich mit:
„Wir sind in keiner normalen Situation, was die Situation in der Ukraine angeht. Ich will, dass die Unterstützung weitergeht.“
Eine erneute Notlage will Finanzminister Christian Lindner (FDP) vermeiden, weil er fürchtet, dann abermals einen verfassungswidrigen Haushalt abzuliefern. Nach Handelsblatt-Informationen hat er in der Verhandlungsrunde mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) stattdessen vorgeschlagen, die bereits beschlossene Erhöhung des Bürgergeldes um zwölf Prozent zum Jahreswechsel ab dem 1. April teilweise wieder zurückzunehmen. Ebenfalls Teil der Verhandlungsmasse sind offenbar die zehn Milliarden Euro Subventionen für die geplante neue Intel-Chipfabrik in Magdeburg. Doch beides stößt bei Grünen und SPD auf Ablehnung.
In einem seltenen Vorgang hat UN-Generalsekretär António Guterres den Weltsicherheitsrat dringend aufgefordert, sich für die Abwendung einer humanitären Katastrophe und einen Waffenstillstand im Gazastreifen einzusetzen. In einem Brief an den Sicherheitsrat berief sich der UN-Chef dazu am Mittwoch auf den Artikel 99 der UN-Charta. Diese Regelung erlaubt dem Generalsekretär, den Sicherheitsrat auf „jede Angelegenheit hinzuweisen, die seiner Meinung nach die Gewährleistung von internationalem Frieden und Sicherheit gefährden kann“.
Der Artikel ist den UN zufolge seit Jahrzehnten nicht angewandt worden. Symbolisch verleiht der Generalsekretär seinem Aufruf damit eine größere Bedeutung. Laut UN ist zu erwarten, dass sich der Sicherheitsrat noch in dieser Woche zu dem Thema zusammensetzen und auch Guterres dabei sein wird.
Den richtigen, weil differenzierten Ton haben gestern Abend meiner Meinung nach die G7-Staaten getroffen. Die Gruppe aus Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, den USA und Großbritannien ruft die Hamas mit Nachdruck zur Freilassung aller israelischen Geiseln auf. Die Terrororganisation dürfe keine Bedingungen dafür stellen, hieß es in einer am Mittwochabend nach einem Online-Treffen der Staats- und Regierungschefs veröffentlichten Erklärung, und:
Zugleich mahnten die G7 weitere Kampfpausen und „dringendere Maßnahmen“ an, um die humanitäre Krise im Gazastreifen zu bewältigen. Die Erklärung verurteilt zugleich die Gewalt radikaler jüdischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland.
Der Krieg im Gazastreifen greift inzwischen auch auf das Rote Meer über und bedroht eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Attacken der islamistischen Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe vor der jemenitischen Küste haben in den vergangenen Tagen zugenommen. Aus Sorge um den Seehandel patrouillieren US-Kriegsschiffe in der Region. Die USA wollen zudem ein internationales Marinebündnis schmieden, um den Handelsschiffen sicheres Geleit zu bieten.
Schon jetzt ist absehbar, dass die Angriffe den Seetransport verteuern. Ein Vertreter des Londoner Versicherungsverbunds Lloyd’s kündigte gegenüber dem Handelsblatt an: „Die Prämien werden zwangsläufig die jüngste Angriffsserie widerspiegeln.“ Der Hamburger Containertransporteur Hapag-Lloyd erhebt ab Januar Preisaufschläge „aufgrund der erhöhten Risikolage und steigender operativer Aufwendungen“.
Der Jemen, der an der Zufahrt ins Rote Meer liegt, steckt seit Jahren in einem Bürgerkrieg. Die Huthis dort werden in ihrem Kampf gegen die Regierung vom Iran unterstützt. Nach der israelischen Offensive im Gazastreifen griffen die Huthis mehrere Handelsschiffe an, denen sie Verbindungen zu Israel nachsagten.
Der erste Angriff traf den Autotransporter „Galaxy Leader“, den die Miliz gemeinsam mit 25 Besatzungsmitgliedern entführte und vor die jemenitische Hafenstadt Hudaida verschleppte. Andere Handelsschiffe nahm die Huthi-Miliz mit Raketen und Drohnen unter Beschuss. Auch ein deutsches Unternehmen ist betroffen: Die Huthis nahmen den Frachter „Number 9“ ins Visier, der unter der operativen Führung der Hamburger Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) fährt.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat ihre Mitglieder zu einem erneuten Warnstreik bei der Deutschen Bahn aufgerufen. Von Donnerstagabend 22 Uhr bis Freitagabend 22 Uhr müssen sich Fahrgäste wieder auf Tausende Zugausfälle im Fern- und Regionalverkehr sowie bei den S-Bahnen in Berlin und Hamburg einstellen.
Anschließend will GDL-Chef Claus Weselsky den Fahrgästen eine Art Gnadenfrist über Weihnachten und den Jahreswechsel einräumen. „Wir werden jetzt diese Streikaktion am Donnerstag und Freitag durchführen, und es ist für dieses Jahr die letzte“, sagte Weselsky am Mittwochabend bei „MDR-aktuell“, „anschließend kommt die Urabstimmung.“ Bis zum 7. Januar sei kein weiterer Warnstreik zu befürchten.
Dass die SAP-Zentrale im Städtchen Walldorf (mit zwei „L“) steht, hat rein gar nichts mit Waldorfpädagogik (mit einem „L“) zu tun. Aber ein bisschen was von kuscheliger Tanz-Deinen-Namen-Aura umgibt bislang auch den Arbeitgeber SAP. So verzichtete Deutschlands einziger Softwarekonzern von Weltgeltung in den vergangenen Jahren auf standardisierte Leistungsbewertungen am Jahresende. „Schulnoten für Mitarbeiter sind nicht mehr zeitgemäß“, hatte ein SAP-Personalchef mal der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gesagt. Mit dem Satz käme er auch in der Waldorfschule gut an.
Damit ist jetzt Schluss. SAP bekommt ein neues System mit einer Leistungsbewertung in drei Stufen. Es soll Leistungsträger geben, „Performer“ genannt, die bei Bonuszahlungen besonders berücksichtigt werden. Die Mehrheit der Mitarbeiter dürfte in die Kategorie „Achiever“ fallen, die die Erwartungen erfüllen. Und dann gibt es noch sogenannte „Improver“, die sich verbessern müssen. Sie sollen einen „Performance Improvement Plan“ verordnet bekommen, mit detaillierten Vorgaben, was sie zu tun haben. Im Gespräch ist, dass drei bis fünf Prozent der Mitarbeiter zur unteren Kategorie zählen könnten.
Klingt in jedem Fall eher nach Paukschule als nach Kuschelpädagogik.
Ich wünsche Ihnen einen performanten Tag.
Herzliche Grüße





Ihr
Christian Rickens
Textchef Handelsblatt





