Zölle: Wie gewinnt man einen Handelskrieg? / Währung: Wie schwächt man den US-Dollar?
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser!
Der vergangene Mittwoch wird als Tag in die Geschichte eingehen, an dem US-Präsident Donald Trump der Globalisierung ein lautes „Adieu“ zugerufen hat. Die ganze Welt muss mit teils exorbitanten Strafzöllen rechnen – China mit 34 Prozent, die EU mit 20 Prozent.
Die Reaktionen auf Trumps Massaker am Welthandel reichen von Fassungslosigkeit bis hin zu blankem Entsetzen. Der US-Finanzjournalist James Surowiecki sprach von „außergewöhnlichem Unsinn“. Handelsblatt-Chefreporter Jens Münchrath kommentiert:
Was die Beobachter besonders wundert, ist die Tatsache, dass Trump mit seinen Schritten nicht nur dem Rest der Welt schadet – was schlimm genug wäre. Auch die amerikanischen Unternehmen und Trumps Wählerschaft werden unter den Zöllen und Gegenzöllen massiv leiden.
Die Aktie des Technologieunternehmens Apple beispielsweise fiel nach den Ankündigungen um fast acht Prozent und verlor insgesamt 265 Milliarden Dollar an Börsenwert. Auch die wichtigsten US-Börsenindizes gingen auf Talfahrt.
Man möchte Trump gerne einmal zur Seite nehmen für ein kleines Proseminar „Einstieg in die moderne Volkswirtschaftslehre“. Doch hinter Trumps erratisch wirkender Zollpolitik könnte mehr stecken, als auf den ersten Blick sichtbar wird.
Erste Indizien zeigten sich bereits am Mittwoch. US-Präsident Trump hantierte im Rosengarten des Weißen Hauses gerade mit seiner gigantischen Tabelle, auf der die vermeintlich schlimmsten Übeltäter der Weltwirtschaft aufgeführt waren, da brach der US-Dollar ein.
Das ist bemerkenswert, denn eigentlich wäre das Gegenteil zu erwarten: Höhere Zölle bedeuten höhere Inflation, die bedeutet meist steigende Zinsen, was den Dollar stützen würde. Außerdem suchen Investoren normalerweise Zuflucht in der US-Währung, wenn es an den Finanzmärkten trubelig wird.
Hinter Trumps handelspolitischer Kriegserklärung an den Rest der Welt könnte eine Gesamtstrategie stehen, die die globale Ökonomie nachhaltig verändern würde. Denn der traditionell starke US-Dollar ist aus Sicht der Regierung ein Problem – er macht amerikanische Produkte teurer.
Der Handelsblatt-Freitagstitel analysiert das mögliche Komplott der Amerikaner gegen den US-Dollar. Es könnte sich eine komplette Neuordnung des globalen Handels- und Währungssystems anbahnen.
Wie gewinnt man einen Handelskrieg? Diese Frage stellen sich gerade Regierungen auf der ganzen Welt. In Brüssel hat sich die EU schon länger auf ein zollpolitisches „Worst-Case-Szenario“ vorbereitet und plant mit einer Doppelstrategie.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte gestern einerseits die Bedeutung des transatlantischen Handels und zeigte sich verhandlungsbereit, andererseits warnte sie: Ein „erstes Paket von Gegenmaßnahmen als Reaktion auf die Strafzölle“ stehe bereit, und die EU werde „weitere Gegenmaßnahmen ergreifen (...), falls die Verhandlungen scheitern“.
Ein EU-Beamter berichtete, dass die amerikanische Seite offenbar selbst nicht genau wisse, wozu die Zölle dienen sollten. Es sei für Brüssel aber wichtig, das Ziel zu verstehen – gehe es den USA darum, das Handelsdefizit zu verringern, um Reindustrialisierung oder darum, mit den Zolleinnahmen Staatsschulden abzubauen?
Wie umgehen mit der Krise im Depot?
Nicht nur Regierungen, sondern auch Anlegerinnen und Anleger weltweit fragen sich, was die Zollpolitik von Donald Trump jetzt für sie bedeuten soll. Zunächst treffen die Zölle vor allem den US-Aktienmarkt. Das ist auch für all jene ein Problem, die mithilfe des breiten ETFs „MSCI World“ anlegen und sparen. Denn darin dominieren US-Werte mit 72 Prozent ganz massiv.
Doch dabei dürfte es nicht bleiben. Die US-Bank Goldman Sachs zählt in Europa vor allem Aktien der exportstarken deutschen Unternehmen aus dem Leitindex Dax und aus dem Nebenwerteindex MDax zu den Leidtragenden der US-Zölle.
Auch andere exportorientierte Unternehmen etwa aus Skandinavien seien stark betroffen. Absehbar ist: Die Aktienkurse werden rund um den Globus mehr oder weniger stark fallen.
Für alle, die ihr investiertes Geld in den kommenden ein bis 36 Monaten brauchen, ist das wenig erfreulich – sie sollten jetzt schnell handeln. Marcel Reyers, Vorstand beim Finanzplanerverband FPSB, rät bei kurzfristig orientierter Geldanlage jetzt von Aktien in kurz laufende Anleihen umzuschichten. Welche Tipps mittelfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger beachten sollten, hat unser Finanzressort für Sie aufgeschrieben.
Freundlicher Auftritt des US-Außenministers
Abseits des großen Zolltrubels haben sich die Nato-Außenminister und -ministerinnen in Brüssel getroffen und dabei zumindest vorsichtig positive Schwingungen von Seiten der USA wahrgenommen. US-Außenminister Marco Rubio versicherte bei seinem Antrittsbesuch im Nato-Hauptquartier, dass die Amerikaner sich nicht aus der Allianz zurückziehen würden.
Zugleich bekräftigte er die amerikanische Forderung, fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für das Militär auszugeben. Jeder Bündnispartner müsse einen „realistischen Pfad“ zu diesem Ziel gehen, sagte Rubio. Dazu zählen auch die USA selbst. Aktuell liegt das amerikanische Militärbudget mit einer Quote von 3,4 Prozent deutlich unter der selbstgesteckten Zielvorgabe.
Die protektionistischen Pinguine
Zum Abschluss möchte ich noch den Blick auf eine Region der Erde werfen, die besonders überrascht sein dürfte, auf Donald Trumps Zollliste aufzutauchen. Die Bewohner der Heard- und McDonald-Inseln im südlichen Indischen Ozean hätten sicherlich nicht mit so harten Handelsrestriktionen gerechnet – schließlich sind die meisten von ihnen Pinguine.
Die Inselgruppe ist von Menschen unbewohnt und muss doch mit harten Exportzöllen in Höhe von zehn Prozent rechnen. Soweit bekannt ist, handeln die Pinguine und Seerobben weder Waren noch Dienstleistungen mit den Vereinigten Staaten – erheben aber laut Berechnungen des Weißen Hauses zehn Prozent Zölle auf US-Importe. Es handelt sich wohl um eine spezielle Form besonders protektionistischer Pinguine.
An dieser Stelle noch zwei kleine Hausmitteilungen. Nach meinem gestrigen Briefing haben mich viele Zuschriften mit Positivbeispielen aus der deutschen Verwaltung erreicht. Ich freue mich sehr darüber und nehme meine pauschale Wut zurück.
Mit diesen Zeilen verabschiede ich mich fürs Erste wieder von Ihnen und übergebe die allmorgendliche Nachrichtenfürsorge in die vertrauenswürdigen Hände meines Kollegen Christian Rickens.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, an dem Sie sich nicht zu sehr von der aktuellen Weltlage verunsichern lassen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Teresa Stiens
Redakteurin Handelsblatt