Produktivität: Deshalb ist Doping keine nachhaltige Lösung

Trine Stensrud, Professorin an der Norwegian School of Sport Sciences, unterzog mich vergangenes Jahr in einem provisorischen Labor in Eidfjord in Vorbereitung zum Norseman Triathlon einer Untersuchung. Ein Lungenfunktionstest. Zwischen den beiden Versuchen reichte mir ihr Mitarbeiter ein Spray, zwei Stöße in die Nase.
Die Kurve, das erkannte sogar ich, veränderte sich nach dem Einatmen deutlich zum besseren. „Doping works?“, fragte ich. „Doping works“, antwortete mir der wissenschaftliche Mitarbeiter.
Sonst würde es wohl auch keiner tun. Angeblich tut es ja eh keiner. Beschwörungen der Profisportler, freiwillige Bekenntnisse von Amateuren – „I run clean“ oder „I am true“ (Ironman) – säumen meine Hobbysportlerhistorie. Und mir ist völlig klar, dass das Makulatur ist.
Ja, es werden immer wieder Hobbyathleten ertappt. Vergangenes Jahr gaben 130 (!) Fahrer eines Radrennens in Spanien auf, wohl um einer Dopingkontrolle im Ziel zu entgehen. Von 182 Startern.
Ja, es werden immer wieder Sportler ertappt und auch gesperrt. Weil sich leistungsfördernde Substanzen bequem nach Hause liefern lassen und das manchmal auffliegt.
Nein, ich bin sicher, dass nur ein sehr geringer Teil an Hobbyathleten jemals beim Doping erwischt wird. Zum einen, weil wir eigentlich kaum getestet werden. Ich selber noch nie. In über 25 Triathlons. Keinmal. Zum anderen, weil Hobbyathleten zum einen nicht so recht wissen, wo Doping beginnt und was schon nicht mehr erlaubt ist.
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Gegen Doping sind angeblich alle, zum Beispiel die Sportschützen. Doch inzwischen ist klar: Es existieren auch ausreichend Befürworter. Das las ich jüngst beim Kollegen Felix Holtermann mit einer Mischung aus Faszination und Ablehnung über die Enhanced Games, die nächstes Jahr in Las Vegas ausgetragen werden sollen. Als Art Werbung dafür hat der Schwimmer und vierfache Olympionik Kristian Gkolomeev gedopt den Weltrekord auf 50 Meter Freistil unterboten, der natürlich nicht gewertet wird.
Wo Doping anfängt, ist unklar
Über die Frage, was leistungsfördernde Substanzen sind, sollen Experten und Gerichte entscheiden, mein innerer Kompass muss da genügen. Einst hatte ich wegen Nackenschmerzen in der Rennradhaltung während eines Rennens eine Ibuprofen eingenommen. Ich wurde nicht schneller, aber hielt die verbleibenden Kilometer besser durch. Also doch schneller, als ich ohne gewesen wäre?
Ein Schmerzmittel im Rennen, gar davor, um die Strapazen zu ertragen, was logischerweise zu einem besseren Ergebnis führen kann, wird nie gefunden, gar reklamiert. Lediglich in der Theorie. Ich habe es nach dem Velothon in Berlin nie wieder gemacht. Entweder ich halte Ziepen und Zerren aus, oder etwas läuft falsch. Dass es in Summe auch nicht gesund ist, Ibuprofen bei Belastung zu nehmen, leuchtet mir zudem ein. Ich versuche gar, ohne Nahrungsergänzungsmittel klarzukommen.
Aber was ist mit Erkältungsmitteln für die Nacht in der Vorbereitung? Wir Amateure dürfen noch Präparate nehmen, während Profis damit schon Alarmglocken auslösen dürften. Siehe den Fall des italienischen Tennisspielers Jannik Sinner: Eine Creme würden sich vermutlich die meisten noch unbedarft auftragen lassen von Partner oder Physiotherapeut.
Was geht, was nicht, das ist alles nachzulesen in Listen der Dopingagentur. Die Nada hat eine eigene App, in der jeder rasch nachschauen kann, was erlaubt ist und was nicht. Es ist – andersrum genutzt – natürlich ein Leitfaden, was hilft.
Gedopt betrügen Sie vor allem sich selbst
EPO ist sehr hilfreich, nicht zuletzt deswegen oft genutzt und seit vielen Jahren verboten. Einige Zeit lang, vor gut zehn Jahren, hatte ich Zugriff auf das Medikament ohne dunkle Kanäle. Ich wollte es nutzen, um zu schauen, was mit meiner Marathonzeit passiert. Da ich darüber schreiben wollte, fragte ich beim Veranstalter des Köln Marathons an, ob das möglich sei. Nach Beratung stand fest: Wenn ich es veröffentliche, müsste ich gesperrt werden.

Selten ist es so einfach, sich gegen Doping zu entscheiden. Dafür ist es viel zu verführerisch, die eigenen Ergebnisse zu verbessern, wenn das Training mal nicht so lief. Oder doch irgendeine Qualifikation zu schaffen für einen besonderen Wettbewerb. Eine Qualizeit für den Bostonmarathon oder einen der begehrten Altersgruppenplätze vom Ironman für die Weltmeisterschaft.
Ich befinde mich in der glücklichen Lage, mich auch mit Doping maximal vom Platz „Ferner liefen“ auf „Auch dabei“ zu verbessern. Es ist also relativ unerheblich, mich vollzupumpen. Ich bin so langsam, ich werde nicht mal meinen Lebenslauf, von Steroiden angetrieben, um „Kona-Qualifikant“ aufjazzen können.
Doch selbst wenn ich es wäre – was für einen Geschmack hätte dieser Erfolg? Ich sehe immer dieses Foto von Lance Armstrong auf dem Sofa vor seinen sieben gelben Trikots als Sieger der Tour de France. Hat er sich je gefragt, ob er sie auch in einer Welt ohne Blutdoping geschafft hätte?
Gedopt bleibt die Ungewissheit, was man kann
Ich hoffe, ich hätte. Ja, Armstrong war sicher auch ohne Doping einer der besten Fahrer. Die Opfer waren die, die früh in der Karriere nicht mehr mithalten konnten. Und vielleicht ohne diesen Faktor die besseren gewesen wären, weil andere Dinge gezählt hätten als ein unbedingter Wille, auch mit unerlaubter Hilfe zu gewinnen. Es bleibt ungewiss, wer wirklich am besten ist.
Ich hätte nie erfahren, zu was ich wirklich in der Lage bin, wenn ich mit EPO, Cortison oder auch nur Asthmaspray nachgeholfen hätte. Ich hätte nie gelernt, wo meine sportlichen Grenzen in einem Leben zwischen Familie, Job und Genuss liegen.
Doch genau da liegt der Kern des Sports, der eine Zufriedenheit und Selbstgewissheit verschafft wie kaum eine andere Tätigkeit. Die eigenen Mühen haben einen dorthin gebracht, wo man ist. Der eigene Wille hat Täler überbrückt, die eigene Motivation vormals schier unmögliche geglaubte körperliche Leistungen aus einem normalen Körper herausgeholt.

Das sind Erfolge und Anerkennungen, die sich nur schlecht mit „Platz 1349“ auf einer Urkunde eines Wald- und Wiesenmarathons ausdrücken lassen. Das eigene Ergebnis im Rahmen der Möglichkeiten und der eigenen Ziele zählt. Geschafft haben es die Athletinnen und Athleten selbst, jene, die sich nicht helfen lassen mit Wirkstoffen für höhere Muskelkraft oder Sauerstoffverbrennung.
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Alle anderen werden nie eine finale Antwort bekommen auf die Frage, was sie selbst schaffen können. Ich will nicht sagen, dass mir Doper im Hobbysport leid tun, dafür sind sie mir zu egal. Aber nie zu erfahren, was man eigentlich wirklich selber kann, stelle ich mir unbefriedigend vor.
Selbstverständlich ist es illusorisch anzunehmen, es gäbe nicht ausreichend Menschen, die Selbstvertrauen und Stolz aus einer Platzierung ziehen, egal wie sie zustande kam. Genügend Menschen, die sich ihren mehr oder minder kleinen Betrug schönreden mit „Es machen so viele ...“ (was ja stimmt).
All denen wünsche ich viel Spaß mit ihren Erfolgen, die sie sich erschlichen haben. Ich bin überzeugt, dass ich mit meinen persönlichen zufriedener bin. So wie beim Norseman 2024, als es gar nicht so rund lief, das Spray schon lange seine Wirkung verloren hatte, aber ich allen Problemen zum Trotz nach gut 16 Stunden am Ende mit einem Lachen ins Ziel kam.


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Erstpublikation: 29.05.2025, 18:43 Uhr.








