Firlus Lebenslauf: So finden Sie den richtigen Laufschuh

Laufschuhkauf ist vermutlich die heikelste Kaufentscheidung im Hobbysport. Möglicherweise zwickt die Badehose, klappert das Rennrad oder gelingt der Slice mit dem Tennisschläger nicht mehr – aber kaum ein Ausrüstungsgegenstand entscheidet so sehr über die Gesundheit des Hobbyathleten wie die Verbindung zwischen Körper und Boden.
„Laufen ist kontrolliertes Fallen“, las ich einmal. Das fasst gut zusammen, was da eigentlich passiert. Beim Laufen fällt Ihr Körper jeweils mit dem gesamten Gewicht auf einen Ihrer beiden Füße. Klar, banal. Aber was hat das für Konsequenzen?
In jüngster Zeit sehe ich auf Instagram Werbung für Einlegesohlen. In einem kleinen Filmchen lässt ein Mensch ein rohes Ei auf eine konventionelle Sohle aus vielleicht 20 Zentimeter Höhe fallen. Das Ei – wenig überraschend – zerplatzt. Danach wiederholt er das mit der beworbenen Sohle. Das Ei – wieder wenig überraschend – bleibt heil. Mehr noch, es springt quasi wie ein Flummi nach oben. In einer weiteren Szene ist ein gezeichnetes Fußgelenk zu sehen, das sich beim Auftreten verschiebt, rote Farbe signalisiert Schmerz.
Wer würde sich da nicht schützen wollen?
Nachfolgend ein Video einer wissenschaftlichen Untersuchung an der TU Berlin, an der ich 2012 teilnahm, am besten lässt sich mit Wiedergabegeschwindigkeit 0,25 erkennen, was beim Laufen passiert:
Die derzeit vorherrschenden neuen Laufschuhmodelle zeichnen sich durch voluminöse Sohlen aus, gern an der Ferse – Achilles, Sie erinnern sich – auch mit Überhängen wie ein Spoiler des 911 Turbo.
Der jüngste Werbeclip eines führenden Laufschuhherstellers bewirbt sein neuestes Modell mit Menschen, die quasi auf Luft zu laufen scheinen. Die Nachricht: Die Dämpfung lässt sie bedenkenlos schweben.
Logo, soll Geschwindigkeit bringen, aber vor allem ein weiches, schonendes Laufgefühl. Und die großen Marken überbieten sich bei der versprochenen weichen Landung mit Schuhen, die dank neuer Schaumtechnologien trotz gewaltiger Sohlen federleicht sind.
Ich selbst habe 2014 beim Ultramarathon Röntgenlauf über 63 Kilometer in meinen einigermaßen klassischen Traillaufschuhen spätestens im letzten Drittel bei den Abstiegen schwer gelitten. Die Muskulatur war schon nicht mehr frisch, jeder Aufprall am Schluss schmerzhaft. Ein Jahr später beim 100-Kilometer-Lauf setzte ich auf Schuhe der Marke Hoka, die damals noch Aufsehen erregten wegen ihrer absurd dicken Sohlen. Als meine Beine müde wurden, halfen sie mir aber, die Passagen abwärts so abzufedern, dass die Schmerzen sich in Grenzen hielten.
Aber Sie lesen es schon raus – wenn die Muskulatur nachlässt. Wenn ich schwächele. Jüngst war ich in der Laufschuhabteilung einer großen Sportartikelkette. Die Modelle waren gekennzeichnet mit Hinweisen wie „Geeignet für 20 Kilometer pro Woche“. Verwirrt fragte ich einen Verkäufer, ob das bedeute, dass sie bei mehr Kilometern kaputt gingen. Nein, nein, der Schuh hielte mehr aus, die Läufer sollten nur mit diesen Schuhen nicht mehr laufen, um keine Laufverletzungen zu riskieren.
Überlassen Sie den Schutz Ihres Körpers nicht den Schuhen
Es gibt im Prinzip keinen Ratgeber für Laufanfänger, der nicht dazu rät, sich in einem Fachgeschäft aufs Laufband zu stellen. Ignorieren Sie es für den Moment und ziehen erst mal alle Schuhe aus für ein kleines Experiment. Im folgenden Video sehen Sie meine Füße. Ich springe zweimal. Versuchen Sie es zu Hause auch mal:
Springen Sie einmal kurz hoch und landen Sie wieder und achten Sie darauf, was Ihr Körper instinktiv macht. Springen Sie ein weiteres Mal und achten Sie nun darauf, die Füße vollständig waagerecht zu halten. Springen Sie keinesfalls sehr hoch oder gar von irgendwo herunter. Die zweite Variante tut weh, und zwar hoch bis in den Kopf:
In dem Buch „Born to Run“ schildert Autor Christopher McDougall seine Reise zu den Tarahumara im Nordosten Mexikos, die quasi auf einer flachen Ledersandale bizarr schnell und weit laufen. In dieser Ära der Laufschuhmode – dem Barefoot oder Natural Running – habe ich mit dem Laufsport begonnen.
Diese Phase gemischt mit dem Rat des Autors Joe Friel in seiner „Trainingsfibel für Triathleten“, möglichst kurze Schritte mit hoher Frequenz zu laufen, führt dazu, dass ich auf Lauffotos aussehe, als ob ich stehe.
Dynamik des Wassertretens
Die Werbung – wohl auch um uns die Sohlen zu zeigen – suggeriert das Bild eines Läufers, der mit weit nach vorn gestrecktem Knie dynamisch Meter macht. Ich sehe aus, als ob ich Wasser trete. Auf der Stelle.
Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung von Alessandro Santuz an der Berliner Hochschule wurde meine Laufbewegung mit Highspeedkameras gefilmt, der Film oben zeigt das. Die Kurzfassung: Ich bin kein Vorfußläufer, wie ich dachte, sondern Mittel-Vorfuß-Läufer, und ich solle auf keinen Fall versuchen, ausschließlich auf dem Ballen zu laufen.
Das Ergebnis ist: Ich sehe aus, als ob ich krieche, suche verzweifelt nach Schuhen, die so sind wie die kaputt gelaufenen Modelle, in denen ich mich am wohlsten fühle, und bin bis heute frei von jedweden Knieproblemen. Mein Körper ist beim Laufen von oben bis unten engagiert, die Wadenmuskulatur fängt das meiste des Aufpralls ab, und ich erspare es meinen Knochen und erst recht meinen Schuhen, die Last zu tragen, die mein Körper gut allein wuppen kann.
Wenn Sie sich also mit dem Gedanken befassen, Laufschuhe zu kaufen: Selbst wenn Sie den sofort spürbaren Komfort schätzen und schlussendlich wählen – achten Sie beim Laufstil darauf, dass Ihr Körper die Schritte bewältigen kann auch ohne diese Unterstützung.
Läufer sind gut beraten, angesichts sogar von Socken, die den Gelenken Stabilität verleihen sollen, sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen. Selbst wenn die Dämpfung zunächst schont, kann sie nicht so weich sein wie ein Sprung in eine Matratze. Schonendes Laufen erleben Sie barfuß im weichen Sand. Sie kommen allerdings auch kaum voran.



Nahezu jeder Mensch, der im Erwachsenenalter mit dem Laufen beginnt, bekommt über kurz oder lang eine mehr oder minder schlimme Laufverletzung. Gereizte Achillessehnen, Fersensporn, Shin Splints, Mittelfußbruch. Das baut sich langsam auf, so wie ein Fass vollläuft, bis es überläuft. Dann ist es zu spät. Vorbeugen ist die Antwort.
Wann immer es geht, laufen Sie ein paar Meter barfuß im Gras – merken Sie sich, wie Sie laufen und sich dabei halten, und versuchen Sie, das zu übertragen, wenn Sie Schuhe tragen. Ihr Körper weiß, wie Sie schmerzfrei landen. Dem einzigen Werkzeug, dem Sie vollständig vertrauen sollten, sind Ihre eigenen Muskeln und Sehnen. Trainieren und pflegen Sie sie und überlassen Sie die Arbeit nicht allein den Schuhen.






