Handelsblatt Autotest Günstige ID.4-Alternative mit kleinen Schwächen auf der Langstrecke – der Skoda Enyaq im Handelsblatt-Autotest

Das Handelsblatt hat das erste Elekro-SUV der Tschechen getestet.
Düsseldorf Dass es meine erste Fahrt mit einem E-Auto ist, bemerkt der Mann mit dem weißen Rauschebart sofort. Ich will die Batterie meines Skoda Enyaq laden, stelle mich vorwärts in die Parkbucht an der Raststätte. Doch das Kabel reicht nicht von der Ladesäule bis zum Wagen. Ich solle rückwärts einparken, erklärt er und zeigt mir, wie ich den Stromer richtig lade.
Er habe sich vor einem halben Jahr ein E-Auto zugelegt, erzählt er, als das Kabel steckt. Das Fahrgefühl sei einmalig. Als er sich verabschiedet, sagt er noch: „Ein schönes Gefährt haben Sie da.“
Eines, mit dem ich einmal quer durch Deutschland fahren möchte: Vom Rheinland nach Frankfurt, später nach Bayern – und zurück. Das sollte mit wenigen Ladepausen machbar sein, Skoda verspricht immerhin über 500 Kilometer Reichweite. Wie das in der Realität aussieht – das Handelsblatt macht den Test.
Meine erste E-Auto-Fahrt mache ich mit dem ersten Elektro-SUV von Skoda: dem Enyaq. „Enya“ bedeutet so viel wie „Quelle des Lebens“ und das „q“ tragen alle SUVs der Tschechen im Namen. Der Enyaq ist das Schwestermodell des ID.4 von Volkswagen. Der größte Unterschied: Der Skoda ist schon ab 33.800 Euro zu haben – der ID.4 kostet in der Basisausstattung 3000 Euro mehr.
Käufer können vom Grundpreis noch knapp 10.000 Euro staatliche Förderung und Rabatte abziehen. Damit ist der Enyaq so günstig wie kaum ein anderer elektrischer Mittelklasse-SUV und etwa in einer Preisliga mit dem Opel Mokka E. Die Tschechen, die hierzulande als günstige Alternative zu VW gelten, hoffen auf einen Bestseller.
Der Enyaq muss den den Vergleich mit seiner VW-Schwester nicht scheuen. Skoda gilt seit Jahren als günstige Alternative zur Kernmarke VW, weshalb der Enyaq von vielen E-Auto-Fans sehnsüchtig erwartet wurde. In vielen Vergleichstests schneidet der Skoda sogar besser ab als der ID.4, Käufer müssen trotz des geringeren Preises keine Abstriche fürchten. Im Gegenteil: In Wolfsburg dürfte man sich wegen der tschechischen Konkurrenz Sorgen machen.
Skoda bietet den Enyaq in drei Batteriegrößen an: mit 55, 62 und 82 kWh. Die Modelle bieten zwischen 148 und 306 PS, alle haben Heckantrieb. Ich fahre den Enyaq iV 80 in quarz-grauer Metalllackierung mit der größtmöglichen Batterie und 204 PS. Samt Sonderausstattung wie etwa einer wertigen Lederausstattung kommt der Testwagen so auf einen Preis von 57.500 Euro, was für einen Skoda schon stattlich ist.
Bei den Extras bleibt Skoda seiner Linie treu: Auch der erste Stromer der Marke hat ein Regenschirmfach in den Vordertüren, einen Eiskratzer in der Verkleidung der Heckklappe, einen kleinen Papierkorb im Seitenfach des Fahrers und Handyhalterungen in den Kopfstützen.
Ordentliche Beschleunigung trotz zwei Tonnen Leergewicht
Anders als viele andere Modelle der etwas biederen VW-Tochter, macht dieses SUV gleich auf den ersten Blick Eindruck. Der 2,1-Tonnen-Koloss kommt mit seinen riesigen Felgen wuchtig daher, und der beleuchte Kühlergrill lockt die Blicke der Passanten. Dieser Skoda ist ein Hingucker.
Die Tür entriegelt sich von allein, wenn ich mich dem Auto nähere. Beim Schließen derselben müssen meine Mitfahrer und ich allerdings einiges an Kraft aufwenden, das bin ich von Neuwagen anders gewohnt. Dafür bietet der Enyaq während der Fahrt allen Komfort, den man von Elektroautos gewöhnt ist. Selbst bei Fahrten auf der Autobahn drängt kein Dröhnen oder Brummen in den Innenraum. Mit lautloser Kraft gleitet das SUV dahin.

Die wuchtige Gestaltung und der beleuchtete Kühlergrill machen schon im Stand mächtig Eindruck.

In den Kofferraum gehen bis zu 585 Liter, genug Platz für Reisegepäck oder Einkäufe.
Gerade im Stadtverkehr macht der Tscheche Eindruck und sprintet trotz seines enormen Gewichts schnell auf 50 Stundenkilometer. In 8,6 Sekunden ist der Enyaq auf 100 km/h, verspricht der Hersteller. Im Vergleich mit anderen Elektroautos sicher kein Spitzenwert, doch für den als Familienkutsche gedachten Skoda reicht das völlig aus.
Auf der Autobahn schwimmt der Enyaq iV 80 noch gut mit dem Verkehr, rasante Überholmanöver sind allerdings nicht drin. Ich bin froh, dass ich die 204-PS-Variante fahre, die kleineren Motoren dürften mit dem Gewicht des Tschechen ihre Mühen haben.
Was mich immer wieder negativ überrascht: Die Bremse greift erst sehr spät. Das bin ich zwar von meinem Golf VI gewohnt, doch mein Benziner ist zwölf Jahre alt und nicht zwei Monate wie der Enyaq. Zwar rekuperieren die Elektromodelle der Volkswagen-Gruppe, wenn man leicht auf das Bremspedal tritt, die eigentliche mechanische Bremse greift erst später ein; doch für meinen Geschmack mitunter zu spät.
Viel weniger Reichweite als versprochen
Schneller als 160 Stundenkilometer kann der Wagen nicht fahren, Skoda riegelt ihn bei diesem Tempo ab. Aus gutem Grund: Die Länge des grünen Balkens, der auf dem Touchscreen den Ladezustand der Batterie anzeigt, nimmt bei diesem Tempo rasant ab. Um den Stromverbrauch zu minimieren, fahre ich die meiste Zeit im Eco-Modus, der die Geschwindigkeit auf 130 limitiert.
Doch selbst so bleibt die Reichweite deutlich hinter dem Herstellerversprechen zurück. Skoda gibt die Fahrstrecke pro Batterieladung mit bis zu 521 Kilometern an. Doch ich schaffe nur 350 bis höchstens 400 Kilometer – ein Viertel weniger als versprochen.
Für ein echtes Langstreckenauto ist das zu wenig, zumal der Test bei sommerlichen Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad stattfand. Wie muss es dann erst zu Jahreszeiten sein, die den Akku besonders beanspruchen?

Der Zweitonner ist in 8,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h, für eine Familienkutsche reicht das völlig aus.
Besonders ärgerlich: Selbst den Angaben des Bordcomputers kann ich beim Energieverbrauch nicht immer vertrauen. Auf der Rückfahrt aus Bayern versprach der Wagen zwischenzeitlich eine Reichweite von über 200 Kilometern, tatsächlich geschafft habe ich aber nur 150, trotz gleicher Fahrweise.
Eigentlich hatte ich meine Tour sorgfältig per App geplant und mögliche Ladepunkte herausgesucht. Doch diesen Plan musste ich schnell verwerfen. Die Reichweite genügte einfach nicht. Statt der angepeilten Schnellladesäule am Autobahnrastplatz muss ich mich auf die Suche in der hessischen Provinz begeben.
Skoda gibt den Durchschnittsverbrauch mit 16,7 kWh auf 100 Kilometer an. Ein Wert, der aber bestenfalls in der Stadt und auf der Landstraße zu erreichen ist. Bei meiner Langstreckenfahrt komme ich eher auf 19 bis 23 kWh. Damit ist der Skoda zwar nicht so sparsam wie angegeben, aber etwas besser unterwegs als der technisch verwandte VW ID.4.
Laden: In 40 Minuten auf 80 Prozent
Auf der Fahrt nach Bayern muss ich zweimal zum Laden halten: einmal für eine Stunde, einmal für 20 Minuten. Das sind mehr Pausen, als ich mit meinem Verbrenner machen würde, aber auf einer insgesamt gut siebenstündigen Urlaubsfahrt ist das kein wirkliches Hindernis. Wer auf ein eiliges Geschäftsreffen muss, könnte wegen der Ladezeiten mehr Probleme bekommen.
An einer DC-Schnellladesäule kommen bei niedrigem Batterielevel satte 125 kW an. Dieser Wert nimmt wie bei vielen E-Autos schnell ab, bei fast vollem Akku lädt der Skoda nur noch mit 40 kW.

Die Ladung von zehn auf 80 Prozent dauert an der 300-kW-Schnellladesäule etwa 35 bis 40 Minuten.
Die Ladung von zehn auf 80 Prozent dauert an der 300-kW-Schnellladesäule etwa 35 bis 40 Minuten. Und nach einer knappen Stunde ist die Batterie voll geladen. Das ist nicht schlecht. Modelle wie der Audi E-Tron oder der Porsche Taycan sind deutlich schneller wieder voll, aber eben auch um ein Vielfaches teurer.
In der Basisausstattung lässt sich der Enyaq nur mit 50 kW laden. Das Upgrade für bis zu 125 kW Ladeleistung kostet 500 Euro extra. Das ist happig, aber eine sinnvolle Investition. Das Laden über die Steckdose würde 35 bis 40 Stunden dauern, was in der Praxis natürlich wenig Sinn ergibt. An einer Wallbox wären es acht Stunden (bei elf kW) bis zwölf Stunden (bei 7,2 kW).
Großer Touchscreen, wenig intuitive Bedienung
Zwischen den Ladepausen finden meine Mitreisenden und ich immer wieder Gefallen an der Innenausstattung des Enyaq. Das Interieur ist gefällig und modern gestaltet, die Sitze und Armaturen sind in der Sonderausstattung in wertigem grau-schwarzem Leder gehalten.
Es gibt viele Ablagemöglichkeiten, man sitzt bequem und hat einen guten Überblick über die Straße. Gerade in der hinteren Reihe finden selbst meine groß gewachsenen Freunde bequem Platz – auch im Fußraum, weil es keinen Mitteltunnel gibt.
Ins Auge fällt der große Touchscreen über der Mittelkonsole. In meinem Testwagen mit Sonderausstattung ist er 13 Zoll groß, serienmäßig gibt es immerhin zehn Zoll. Hinter dem Lenkrad gibt es nur noch eine kleine Anzeige mit den nötigsten Informationen, die völlig ausreicht.

Im Testwagen ist der große Touchscreen 13 Zoll groß, serienmäßig gibt es immerhin zehn.

In der hinteren Reihe finden auch groß gewachsene Personen viel Platz – auch weil es keinen Mitteltunnel im Fußraum gibt.
Doch so schön der Touchscreen ist, so wenig intuitiv ist dessen Bedienung. Die Auflösung ist zwar gut, doch das Display reagiert mit Verzögerung, und das eingebaute Navi kommt in einer Optik der frühen 1990er-Jahre daher. Das konnte mein altes iPhone schon vor zehn Jahren besser.
Auch die Menüführung ist kompliziert. Um den Radiosender, den Fahrmodus und die Lüftungsintensität der Klimaanlage zu wechseln, muss ich gleich mehrfach auf den Bildschirm drücken, weil es nur noch wenige haptische Knöpfe gibt, die ich ohne hinzugucken bedienen könnte. Das lenkt fast so sehr vom Straßenverkehr ab wie das Verfassen einer WhatsApp-Nachricht, auch die Sprachsteuerung erweist sich als kompliziert – und so muss ich mitunter meine Mitreisenden bitten, den Radiosender zu wechseln.
Immerhin: das Multimedia-System funktioniert, zumindest einige Momente nach dem Starten, tadellos.
Fazit: Günstige Familienkutsche für den Stadtverkehr
Zwei Wochen und 1700 Kilometer später, muss ich den Skoda wieder abgeben. Die Tschechen haben mit dem Enyaq einen günstigen, optisch ansprechenden und gut ausgestatteten Mittelklasse-SUV auf den Markt gebracht, der für viele Familien eine lohnende Alternative zum Verbrenner sein kann – gerade für jene, die ihn primär als Stadtauto verwenden wollen.
Längere Fahrten in den Urlaub hingegen können durch mehrere Ladepausen mühsam werden, weil die Reichweite etwas geringer ausfällt als von Skoda versprochen.
Zurück in meinem Golf schätze ich wieder die haptischen Knöpfe, mit denen mir die Bedienung deutlich leichter fällt. Doch die schnelle Anfahrt und das ruhige Fahrgefühl des Skoda werde ich vermissen.
Technische Daten
- Länge: 4,65 Meter
- Breite: 1,88 Meter
- Höhe: 1,62 Meter
- Radstand: 2,8 Meter
- Leergewicht: 2,1 Tonnen
- Kofferraumvolumen: 445 bis 585 Liter (hinten)
- Motoren: E-Motor (Heckantrieb)
- Leistung: 109 bis 225 kW (148 bis 306 PS)
- Max. Drehmoment: 310 Nm
- Beschleunigung: 0–100 km/h: 8,6 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h (abgeriegelt)
- Batteriekapazität: 55, 62 und 82 kWh
- Verbrauch: 19–23 kWh/100 km (im Handelsblatt-Test)
- Reichweite lt. Hersteller: 362 bis 536 Kilometer (WLTP) (im Test deutlich geringer)
- Laden: Wallbox (11 kW): etwa 8 Stunden, Schnellladesäule (300 kW): 10 bis 80 Prozent: etwa 40 Minuten
- Preis: ab 33.800 Euro
- Preis des Testwagens: 57.500 Euro
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