Ergebnis der Bundestagswahl Drei Gründe, warum für die FDP ein Wahltraum wahr wurde

Dem FDP-Parteivorsitzenden Christian Lindner (links) und der Parteispitze bleiben alle Optionen zur Regierungsbildung offen.
Berlin Es waren keine Jubelstürme, die am Sonntagabend im Hans-Dietrich-Genscher-Haus ausbrachen, als die ersten Prognosen auf den Bildschirmen erschienen. Ein solides Ergebnis der Liberalen von elf bis zwölf Prozent bekam einen soliden Applaus. Mehr nicht. Einige in der FDP hatten wohl heimlich von mehr geträumt, von einem kleineren Abstand zu den Grünen, vielleicht sogar von Platz drei.
Und doch hätte es für die Liberalen an diesem Wahltag kaum besser laufen können. Denn es waren vor allem die Ergebnisse der anderen Parteien, die der FDP einige lang gehegte Wünsche erfüllten.
1. Es reicht nicht für Rot-Grün(-Rot)
Der lauteste Jubel war von den anwesenden FDP-Anhängern am Wahlabend zu hören, als die möglichen Regierungsoptionen aufgezeigt wurden. Denn eines wurde klar: Für eine Koalition aus SPD und Grünen würde es nicht reichen, auch nicht in Kooperation mit der schwachen Linkspartei.
Einen „Linksrutsch“ zu verhindern hatte sich die FDP im Wahlkampf als Ziel gesetzt. Es scheint, als wäre ihnen das geglückt. Ob das am FDP-Wahlkampf lag oder an den Schwächen der anderen Parteien, sei dahingestellt. Aber Parteichef Christian Lindner verkündete am Wahlabend: „Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine Regierungsbildung aus der Mitte heraus.“
Die Freude über den verhinderten Linksrutsch hatte nicht nur ideologische Gründe. Damit wäre auch die einzig realistische Koalitionsoption vom Tisch, die eine Regierungsbildung an der FDP vorbei möglich gemacht hätte.
2. CDU und SPD liegen nicht so weit auseinander
Es gibt ein Wort mit K, das der FDP schon vor der Wahl angedichtet wurde und das die Partei wohl auch nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses nicht loswerden wird: Königsmacher. Es sei an den Liberalen, daher die Wortschöpfung, den neuen König beziehungsweise Kanzler der Bundesrepublik zu krönen – mit einer Entscheidung für die Union von Armin Laschet oder die SPD von Olaf Scholz.
Vor der Wahl hatte die FDP jedem, der es hören wollte, dazu eine kleine konstitutionelle Nachhilfe gegeben: Das Recht, dass die größte Fraktion den Kanzler stellen dürfte, gebe es nicht. Sollte heißen: Auch ein zweiter Platz der Union wäre kein Ausschlusskriterium gegen einen Kanzler Laschet und die von den Liberalen präferierte „Jamaika-Option”.
Und doch wäre es mit jedem Prozentpunkt Abstand zwischen einer erstplatzierten SPD und einer zweitplatzierten Union schwerer gefallen, dieses Mantra aufrechtzuerhalten. Denn so ganz am Bürgerwillen vorbei hätte auch die FDP ihre Rolle als Königsmacherin nicht ausüben können. Weit ist die SPD der Union an der Spitze nicht voraus, sodass die Liberalen bei ihrem Plan bleiben können, sich alle Optionen erst einmal offenzuhalten.
3. Die Grünen sind stark, aber nicht zu stark
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine neue Regierung aus FDP und Grünen bestehen wird, ist groß. Geflirtet hatte die FDP mit den Grünen bereits im Wahlkampf. Die Grünen hätten „gute Ideen“, nur bei der Finanzierung müsse man ihnen assistieren, hatte der Parteivorsitzende Christian Lindner noch auf dem Parteitag vor der Bundestagswahl kokettiert. Ein Hinweis auf seine persönlichen Ambitionen, Finanzminister werden zu wollen – eine Kernforderung, mit der die FDP in anstehende Koalitionsverhandlungen gehen dürfte.
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Auch am Wahlabend hatte Christian Lindner das Ergebnis der Grünen als „bemerkenswert“ gelobt. Jedenfalls für die FDP ist das Abschneiden der Ökopartei ideal: Sie sind zu schwach, um Rot-Grün möglich zu machen, aber stark genug, um mit den Liberalen gemeinsam eine Allianz der Mittelstarken zu bilden, die am Ende die Kanzlerfrage entscheiden könnte.
Ein erstes Abtasten in den nächsten Tagen wird wohl zwischen FDP und Grünen stattfinden, ehe sich die großen Parteien zu den Verhandlungen hinzugesellen dürfen. Am Ende bleibt die Frage, wer wen auf welche Seite ziehen kann. Können die Grünen die FDP zu einer Ampelkoalition überreden? Oder überzeugt die FDP die Grünen mit Jamaika? Und in beiden Fällen lautet die große Frage: wie hoch wäre der Preis?
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