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Kabinett Merkel Was will die neue Familienministerin Franziska Giffey?

Es ist die wohl interessanteste Personalie des neuen Kabinetts. Doch was für Pläne hat die neue Bundesfamilienministerin Franziska Giffey?
02.04.2018 - 15:46 Uhr Kommentieren
Betrachtung der Wirklichkeit. Quelle: imago/photothek
Franziska Giffey

Betrachtung der Wirklichkeit.

(Foto: imago/photothek)

Berlin Sie weiß nicht so recht wohin mit ihren Beinen. Franziska Giffey soll in der Kita Abenteuerland in Berlin Marzahn auf einem Stühlchen Platz nehmen und mit den Kindern „Abenteuer-Airline“ spielen. Es geht nach Afghanistan, wo die kleine Asma herkommt. Die neue Bundesfamilienministerin streicht ihr Spitzenkleid glatt und setzt sich seitlich in die Stuhlreihe, die das Flugzeug darstellen soll. In der Hand hält sie ihr „Ticket“, das ihr eines der Kinder überreicht hat. Giffey wird den Papierschnipsel noch festhalten, als sie schon längst alle Räume der Kita durchschritten hat.

Es ist ihr erster öffentlicher Termin als Bundesministerin. Von der Kommunalpolitik von jetzt auf gleich in die Spitzenpolitik – geht das so reibungslos? Die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Berlin Neukölln sieht da keine großen Unterschiede. „Es geht darum, dass man gute Politik aus dem Betrachten der Wirklichkeit und der Anschauung vor Ort ableitet“, sagt die Sozialdemokratin.

Ein gewaltiger Satz, aber sie spricht ihn leise, freundlich und völlig ungekünstelt. „Ich will mir als Bundesministerin erhalten zuzuhören“, ergänzt die 39-Jährige. Das liefere, was schließlich in Gesetzestexte gegossen werde. Und da hat sich das jüngste Mitglied im Bundeskabinett einiges vorgenommen. Zusätzliche 3,5 Milliarden Euro des Bundes sollen bis zum Ende der Legislatur in die frühkindliche Bildung fließen.

Noch vor dem Sommer werde sie ein Gesetz für mehr Qualität in Kitas auf den Weg bringen, versprach Giffey. Es gehe um die Verbesserung des Betreuungsschlüssels, um die Stärkung der Kitaleitungen und um bessere sprachliche Bildung der Kinder.

Zudem will Giffey den Beruf des Erziehers durch eine Ausbildungsvergütung und bessere Bezahlung attraktiver machen. „Wir wissen, dass allein in Berlin 10.000 Kita-Plätze leer stehen, weil nicht genügend Erzieher da sind“, klagt sie. „Gute frühkindliche Bildung schafft aber die Grundlagen für Chancengleichheit.“

In ihrer Regierungserklärung kündigte die in Frankfurt Oder geborene SPD-Politikerin bereits an, Kindergeld und Kinderzuschlag erhöhen und das Bildungs- und Teilhabepaket ausbauen zu wollen. Von der Opposition musste sie sich dazu sogleich Kritik gefallen lassen. Es gebe 150 familienpolitische Leistungen, die den Steuerzahler fast 200 Milliarden Euro pro Jahr kosteten, rechnete die FDP-Politikerin Katja Suding vor.

„Familienpolitik in Deutschland ist sehr teuer, aber weder wirksam noch passgenau“, rief sie Giffey zu. Die geplante Kindergelderhöhung bringe Empfängern von Arbeitslosengeld II gar nichts, rügte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Sie forderte zudem eine „laute“ Frauenministerin.

Tatsächlich ist noch nicht klar, wohin die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Sachen Gleichstellung steuern wird. Bislang versprach sie lediglich, „echte Gleichstellung immer wieder einzufordern“. Im Koalitionsvertrag steht festgeschrieben, dass etwa das Thema „Frauen in Führungspositionen“ weiter forciert wird.

Demnach müssten börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen künftig mit Bußgeldern bis zu zehn Millionen Euro rechnen, wenn sie sich keine Frauen-Zielgröße für Führungspositionen setzen oder sich eine Zielgröße „null“ geben und das nicht begründen können. Die Wirtschaft dürfte darum die einzige Bundesministerin aus Ostdeutschland mit Argusaugen beobachten.

Großen finanziellen Spielraum hat Giffey indes nicht. 2017 betrug der Etat ihres Ministeriums 9,5 Milliarden Euro, davon waren allerdings 6,4 Milliarden Euro für Elterngeld und Elterngeld Plus verplant. „Es wird Gespräche mit dem Finanzminister geben“, sagte Giffey bedeutungsschwer.

In der Kita in Berlin Marzahn hat Giffey mittlerweile ein Foto-Puzzle gelöst und mit Piet, Amy und Merle „Mensch ärgere Dich nicht“ gespielt. Zum Dank verteilt die Ministerin Straßenmalkreide. „Aber nicht drinnen, sondern nur draußen benutzen“, ermahnt Giffey nachdrücklich.

In diesem Moment blitzt durch, warum die promovierte Politikwissenschaftlerin als Law-and-Order-Verfechterin gilt. Bildung, Integration, Dialog – alles dringend erforderlich, so Giffeys Motto. Aber wenn Menschen sich nicht „an bestimmte Grundwerte“ halten, müsse ein „Stoppsignal“ kommen.

In Berlin Neukölln, einem harten Pflaster mit Armut, hoher Arbeitslosigkeit und vielen Menschen mit Migrationshintergrund, griff sie durch. „Klare Regeln, die auch durchgesetzt werden, mehr Ordnungsamtsmitarbeiter und Polizeipräsenz, Richter, die sich vor Ort ein Bild machen und Strafen auch konsequent durchsetzen“, lautete ihr Devise. 16 Jahre arbeitete die SPD-Politikerin im Bezirk. Zuletzt nahm sie die organisierte Gewalt durch arabische Clans ins Visier.

„Sie ist pragmatisch, fackelt nicht lange, geht voran“, sagt SPD-Vize und Amtsvorgängerin Manuela Schwesig über Giffey. „Ich bin eine große Anhängerin pragmatischer Politik, und der erste Schritt dazu ist, dass man die Dinge beim Namen nennt“, sagt Giffey über sich selbst. Doch dass sie als Bundesministerin noch Routine braucht, ist logisch.

So wird sie bei ihrem Kitabesuch auch auf die aktuelle Hartz-IV-Debatte angesprochen. Brauche die Republik ein solidarisches Grundeinkommen? „Wissen Sie“, windet sich da die Tochter eines Kfz-Meisters und einer Buchhalterin wenig souverän heraus, „es geht hier um die frühkindliche Bildung in Deutschland, und darauf würde ich mich jetzt konzentrieren.“

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