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Stromnetzausbau Zähe Verhandlungen: Bundesregierung und Niederlande streiten über Einstieg bei Tennet

Im Zuge der Energiewende möchte der Bund Anteile des Stromnetzbetreibers erwerben. Den Haag ist aber gegen eine direkte Einflussnahme des Staates.
26.08.2020 - 12:25 Uhr Kommentieren
Der Bund möchte in dem Unternehmen einsteigen, doch die Verhandlungen gestalten sich schwierig. Quelle: dpa
Hochspannungsleitung des Netzbetreibers Tennet

Der Bund möchte in dem Unternehmen einsteigen, doch die Verhandlungen gestalten sich schwierig.

(Foto: dpa)

Berlin Die „Gemeinsame Absichtserklärung über die weitere Energiezusammenarbeit in den Bereichen Netze und Stromübertragung“ ist getragen von dem Willen, zu raschen Ergebnissen zu kommen. Das jedenfalls legt der Text des sieben Seiten umfassenden Dokuments nahe, das die deutschen und die niederländischen Ministerien für Finanzen und für Wirtschaft am 19. Mai präsentierten.

Ein Kernelement der Vereinbarung: Die deutsche und die niederländische Regierung wollen sich darüber verständigen, in welcher Form und in welchem Umfang sich der Bund am niederländischen Netzbetreiber Tennet beteiligen soll.

Doch in der Praxis erweisen sich die Verhandlungen als schwierig. Aus Verhandlungskreisen heißt es, die Bundesregierung und die niederländische Regierung gingen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus, man komme daher kaum vom Fleck. „Es wird eine Menge Papier hin und her geschoben, aber es bewegt sich nichts“, heißt es in den Kreisen. Verschiedene Treffen, zuletzt in der vergangenen Woche in Berlin, hätten keine erkennbaren Fortschritte erbracht.

Für die Bundesregierung geht es um einen Grundsatzfrage. Sie will größeren Einfluss auf das Stromübertragungsnetz haben. Dessen Ausbau liegt in Deutschland in den Händen der vier Netzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW. Die Tennet GmbH in Bayreuth befindet sich zu 100 Prozent im Eigentum der niederländischen Tennet Holding im niederländischen Arnheim. Die Tennet Holding wiederum gehört dem niederländischen Staat.

Unterschätzte Anforderungen

Die Niederländer hatten das Netz 2009 dem Eon-Konzern abgekauft, nachdem die EU-Kommission auf eine Entflechtung der großen, vertikal integrierten Stromkonzerne gedrängt hatte. Doch die Niederländer unterschätzten die Anforderungen an den Netzausbau im Zuge der Energiewende. Über viele Jahre müssen hohe Milliardenbeträge investiert werden, um das Stromübertragungsnetz an die sich verändernde Stromerzeugung anzupassen.

In der politischen Debatte in den Niederlanden wird die Frage aufgeworfen, warum ausgerechnet ein niederländischer Staatskonzern große Teile der deutschen Energiewende umsetzen soll und dafür auch noch die Finanzierung stemmen muss.

Zu den verschiedenen Optionen, die in den Niederlanden diskutiert werden, gehören der Verkauf oder Teilverkauf der deutschen Tennet an Privatinvestoren oder eine Form der Zusammenarbeit mit dem deutschen Staat.

Die Bundesregierung hat diesen Ball aufgenommen und verhandelt mit den Niederländern über den Einstieg bei Tennet. Die anderen Netzbetreiber beobachten das genau. „Wir können gut nachvollziehen, dass die Bundesregierung aktiv wird, wenn sich ein ausländischer Staatsbetrieb gerade nicht in der Lage sieht, die notwendigen Investitionen ins deutsche Netz zu tätigen“, sagt ein Amprion-Sprecher.

„Unser Stromnetz ist eine kritische Infrastruktur, daher sollten wir hier stabile und nachhaltige Eigentumsstrukturen haben“, sagte der Sprecher weiter. Auch wenn er Tennet nicht ausdrücklich erwähnt, ist die Botschaft klar.

Unterschiedliches Verständnis

In den Verhandlungen offenbart sich nach Angaben aus Verhandlungskreisen ein grundsätzlich unterschiedliches Verständnis vom Charakter staatlicher Beteiligungen. Die niederländische Regierung wolle eine Gestaltung der Beteiligung, die eine direkte Einflussnahme des Staates auf Strategie und Tagesgeschäft ausschließe. Die deutsche Seite dagegen bestehe darauf, möglichst viel mitgestalten zu dürfen. Die Verhandlungen befänden sich daher in einer schwierigen Phase.

Aus deutscher Sicht ist der Wunsch nach Mitsprache nachvollziehbar. Die Energiewende steht und fällt mit dem Netzausbau. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat rasche Fortschritte beim Netzausbau zu seinen vordringlichen Zielen erklärt. Viele Netzausbauprojekte hinken dem Zeitplan um Jahre hinterher. Das will Altmaier ändern. Eine Verkürzung und Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren hat Altmaier bereits auf den Weg gebracht. Die Aussicht, auch direkt bei einem der wichtigsten Akteure des Netzausbaus mitreden zu können, erscheint daher verlockend.

Allerdings ziehen das Bundeswirtschafts- und das Bundesfinanzministerium nach Informationen aus Verhandlungskreisen nicht an einem Strang. Während das Bundesfinanzministerium eine Beteiligung an der niederländischen Muttergesellschaft bevorzuge, tendiere das Bundeswirtschaftsministerium zu einer Beteiligung an der deutschen Tennet GmbH, heißt es in den Kreisen.

Das Unternehmen selbst betont stets die Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und sieht sich als transeuropäischen Netzbetreiber. „Das Unternehmen dürfte eine Präferenz für eine Beteiligung der Deutschen an der Holding haben“, sagt ein Brancheninsider.

Eine Bestätigung für die Informationen gibt es aus den Ministerien oder seitens des Unternehmens nicht. Das Bundesfinanzministerium verweist auf Anfrage auf das Bundeswirtschaftsministerium, das federführend sei. Im Bundeswirtschaftsministerium heißt es, Ziel der Verhandlungen sei es, „ein gemeinsames Vorgehen zur Stärkung der Kapitalbasis von Tennet zu entwickeln“.

Eine abschließende Entscheidung sei noch nicht getroffen. Die Verhandlungen „sollen bis Ende des ersten Quartals 2021 abgeschlossen sein“, teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit. Bei Tennet heißt es, die Gespräche liefen, Tennet sei daran intensiv beteiligt.

„Private Investoren an Bord holen“

Die FDP sieht die Pläne des Bundes, bei Tennet einzusteigen, grundsätzlich kritisch. „Eine Beteiligung des Bundes an Tennet lehne ich ab“, sagt Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Insbesondere in Krisenzeiten müsse der Bund zukunftsgerichtet investieren, statt schuldenfinanziertes Geld bei einer weiteren Beteiligung zu parken, sagt Houben.

„Das Geschäftsmodell der Übertragungsnetzbetreiber funktioniert dank der Regulierung. Daher sollten private Investoren an Bord geholt werden, um den Kapitalbedarf zu decken“, empfiehlt der FDP-Politiker.

Die Bedeutung der Verhandlungen über einen möglichen Einstieg des Bundes bei Tennet reichen weit über den konkreten Fall hinaus. Immer wieder taucht in der energiepolitischen Debatte die Frage auf, ob der Staat nicht generell zumindest Miteigentümer der Übertragungsnetze werden sollte. Denn, so die Argumentation der Befürworter einer staatlichen Stromnetzgesellschaft, der Bau und Betrieb der Netze erfolge ja ohnehin zum größten Teil auf der Basis politischer Vorgaben.

Die Grünen wollen daher gesetzlich festlegen, dass die Anteile an den Übertragungsnetzbetreibern, die bereits dem Bund gehören, nicht verkauft und stattdessen in eine Bundesnetzgesellschaft in Bundeshand überführt werden. Außerdem soll der Bund nach den Vorstellungen der Grünen ein Vorkaufsrecht bei Anteilsverkäufen oder Kapitalerhöhungen der Übertragungsnetzbetreiber bekommen. Der Bund könne so Schritt für Schritt seine Anteile am Netz erhöhen.

Die Chefs der SPD, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, gehen noch einen Schritt weiter: Sie wollen die „Übertragungsnetzgesellschaften in eine von Bund und Ländern gemeinsam kontrollierte Deutsche Netzgesellschaft überführen“, heißt es in einem Positionspapier von Esken und Walter-Borjans.

Der Bund ist bereits heute über die KfW an einem der Übertragungsnetzbetreiber beteiligt: Die staatliche Förderbank hält einen Anteil von 20 Prozent an 50Hertz. Der Erwerb des 20-Prozent-Anteils erfolgte aus der Not heraus.

Gleich zweimal hatte der chinesische Netzbetreiber SGCC im Jahr 2018 nach einem Anteil von jeweils 20 Prozent an 50Hertz gegriffen. Beim ersten Versuch gelang es der Bundesregierung, den 50Hertz-Mehrheitseigner Elia dazu zu bewegen, von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.

Beim Verkauf des zweiten 20-Prozent-Pakets konnte der Kauf durch SGCC nur verhindert werden, indem die KfW als Käuferin einsprang. Die KfW soll den Anteil zwar nicht dauerhaft halten. Allerdings ist bislang von konkreten Verkaufsplänen nicht die Rede.

Amprion sieht sich nicht als Ziel staatlicher Beteiligung

Dass der Bund bei den anderen beiden Stromübertragungsnetzbetreibern – Amprion und TransnetBW – einsteigt, erscheint aus heutiger Sicht ausgeschlossen, da entsprechende Anteile nicht zum Verkauf stehen.

Zwar endet im kommenden Jahr die Halteverpflichtung der RWE AG für deren 25-Prozent-Anteil an Amprion. Gelegentlich war darüber spekuliert worden, RWE wolle sich von der Beteiligung trennen.

Doch RWE weist solche Mutmaßungen zurück: „Wir sind sehr zufrieden mit unserer Beteiligung an Amprion“, sagte eine RWE-Sprecherin. Man habe keine aktuellen Pläne für einen Verkauf.

Auch Amprion selbst sieht sich nicht als Ziel einer staatlichen Beteiligung: „Mit Blick auf unsere solide und nachhaltige Eigentümerstruktur stellt sich die Frage einer staatlichen Beteiligung für Amprion nicht“, sagte ein Amprion-Sprecher.

Das Unternehmen hält eine staatliche Beteiligung aus grundsätzlichen Erwägungen nicht für opportun: „In einer Sozialen Marktwirtschaft sollte der Staat aus unserer Sicht nicht dauerhaft in die Rolle des Unternehmers schlüpfen. Er sollte den Rahmen vernünftig setzen, sich dann aber heraushalten“, sagte der Sprecher.

Amprion habe als privatwirtschaftlicher Betreiber nachgewiesen, „dass wir das Netz stabil und effizient betreiben können und Innovationen voranbringen“. Die heutige Struktur habe sich bewährt.

Das vierte Unternehmen, die TransnetBW, befindet sich ohnehin im Eigentum der öffentlichen Hand, zumindest indirekt: TransnetBW gehört dem Energiekonzern EnBW, der wiederum gehört dem Land Baden-Württemberg und einer Gruppe von Kommunen.

Mehr: Amprion warnt vor zu großem Einfluss des Staates auf das Stromnetz

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