Gouverneur von New York Vorwurf der sexuellen Belästigung: Der Abstieg des Corona-Stars Andrew Cuomo

In diesen Tagen kämpft der einst gefeierte Gouverneur um sein politisches Überleben.
New York Als vor einem Jahr in New York die Sirenen der Krankenwagen die einzige Geräuschkulisse in der eigentlich so lebendigen Stadt waren, hingen die Bewohner an seinen Lippen. Andrew Cuomo, der heute 63-jährige Gouverneur des Bundesstaats New York, zog mit seinen täglichen Corona-Briefings Millionen in seinen Bann.
Nüchtern und doch einfühlsam trug er Daten und Fakten vor: wie viele Hundert neue Tote die Stadt verzeichnet, wann das Lazarettschiff kommt, wo die Krankenhauszelte im Central Park entstehen, wo die unbekannten Toten begraben werden. Andrew Cuomo war der Mann, der in der Panik den Überblick behielt, der den New Yorkern das Gefühl gab, nicht völlig verloren zu sein.
Mit Sprüchen wie „New York tough“ oder seiner Schalte zu seinem Bruder, dem berühmten CNN-Moderator Chris Cuomo, der selbst an Covid erkrankt war, hielt er die Moral in der verzweifelten Stadt hoch. Auch in den vergangenen Monaten schien er meist einen pragmatischen Mix aus Öffnen der Stadt und Vorsicht zu finden – je nach Zahl der Fälle.
Doch in diesen Tagen kämpft Andrew Cuomo um sein politisches Überleben. Vorwürfe der sexuellen Belästigung und der Vertuschung von Todeszahlen in New Yorker Altenheimen könnten ihn das Amt kosten. Die Rücktrittsforderungen kommen mittlerweile nicht nur von den Republikanern. Sein politischer Widersacher, der ebenfalls demokratische Bürgermeister Bill De Blasio, fordert ebenso seinen Rücktritt wie der Sprecher der Demokraten im Senat, Chuck Schumer – ebenfalls ein New Yorker.
Auch mehrere Frauen in der Partei – darunter die prominente New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez – wollen, dass er sein Amt abgibt. „Gouverneur Cuomo kann nicht mehr effektiv führen angesichts dieser vielen Vorwürfe“, teilte Ocasio-Cortez mit.
Joe Biden: „Man sollte die Vorwürfe ernst nehmen“
Zuletzt hat sich sogar der US-Präsident zu Wort gemeldet. Joe Biden sagte am Mittwochmorgen in einem Fernsehinterview, dass Cuomo zurücktreten sollte, falls die Untersuchungen ergeben, dass die Vorwürfe der Frauen stimmen. „Es braucht viel Mut, das öffentlich zu machen. Und deshalb sollte man die Vorwürfe ernst nehmen“, erklärte er dazu.
Für Cuomo, der zwischenzeitlich schon als Präsidentschaftskandidat der Demokraten gehandelt worden war, wäre es ein jähes Ende einer langen Karriere und vielleicht einer ganzen Dynastie. Der Jurist war als Sohn des Gouverneurs Mario Cuomo aufgewachsen und damit schon früh mit der Politik vertraut. 13 Jahre lang war er mit Kerry Kennedy aus dem mächtigen Demokraten-Clan verheiratet und hat drei Töchter mit ihr.
Seine Familie spielte auch in seinen Briefings eine wichtige Rolle. Immer wieder erwähnte er seine Mutter, die er wegen Covid so lange nicht sehen konnte, und seinen verstorbenen Vater und dessen Lehren. Eine seiner drei Töchter holte er – als unbezahlte Freiwillige – in die Corona-Taskforce.
Doch nun steht er unter Anklage. Mehrere ehemalige Mitarbeiterinnen werfen dem Gouverneur vor, sie sexuell belästigt oder unangemessen behandelt zu haben. Unter anderem soll er sie mit Tiernamen bezeichnet haben oder unangemessene Bemerkungen über ihr Äußeres gemacht haben, sie ohne Aufforderung geküsst und berührt und sie über ihr Sexualleben befragt haben. Cuomo hat sich für sein Verhalten zwar entschuldigt, bestreitet aber, Frauen unangemessen angefasst zu haben.
Doch es gibt noch andere Vorwürfe, die politisch ebenfalls schwer wiegen könnten: Cuomo soll die wahren Todeszahlen in mehreren Altersheimen in New York vertuscht haben. Mehr als 13.000 Menschen sind in den Heimen des Bundesstaats an Covid gestorben. Diese Zahlen hat der Gouverneur jedoch lange geheim gehalten oder deutlich niedriger angegeben. Verschiedene Medien haben berichtet, dass ihre Reporter Drohanrufe von Cuomo-Mitarbeitern erhalten haben, als sie zu den Todeszahlen recherchierten.
Unterstützung in der Bevölkerung
Cuomo hat bisher Rücktrittsforderungen zurückgewiesen – und er kann dabei zumindest teilweise auf die Unterstützung in der Bevölkerung zählen. In einer Umfrage von Siena College in dieser Woche haben sich 50 Prozent der Befragten gegen einen sofortigen Rücktritt ausgesprochen. 35 Prozent waren dafür, 15 Prozent unsicher.
Es gibt derzeit vor allem eine Frau, die Cuomo wirklich gefährlich werden könnte, und das ist die Generalstaatsanwältin Letitia James. Sie hat Untersuchungen über die Zahl der Toten in Altersheimen ebenso eingeleitet wie über die Vorwürfe der sexuellen Belästigung. James gilt als knallharte Strafverfolgerin, die auch schon Unternehmen wie Juul und Opioid-Hersteller in die Knie gezwungen hat.
„Wir sind schon einmal durch die Hölle gegangen, wir wollen dahin nicht mehr zurück“ – mit diesem Spruch hat Cuomo die New Yorker von strengen Corona-Regeln auch im Sommer und Herbst überzeugt. Im Moment geht er durch seine eigene Hölle.
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