Chipindustrie Siltronic-Chef zum Verkauf nach Taiwan: „Verstehe die Diskussion um einen Ausverkauf, sehe das aber anders“

Das Bundeswirtschaftsministerium untersucht derzeit, welche Auswirkungen der Verkauf des deutschen Konzerns an Global Wafers auf die nationale Sicherheit hat. Auch das US-Aufsichtsgremium CFIUS muss noch zustimmen.
München Die erste Hürde hat Doris Hsu übersprungen: In einem Übernahmeangebot hat sich die Chefin von Globalwafers die Mehrheit der Aktien an Siltronic gesichert. Bis zum 1. März läuft eine verlängerte Frist, in der die Managerin aus Taiwan weitere Papiere einsammeln will.
Trotzdem ist noch nicht ausgemacht, dass sie mit Globalwafers den Münchener Konkurrenten Siltronic übernehmen darf. Denn die höchste Hürde kommt erst noch: die außenwirtschaftliche Prüfung. Das Bundeswirtschaftsministerium untersucht derzeit, welche Auswirkungen der Milliardendeal auf die nationale Sicherheit hat. Auch das US-Aufsichtsgremium CFIUS muss noch zustimmen.
Politiker sind besorgt: „Hier geht es um eine Schlüsselindustrie, die für nachgelagerte Wertschöpfungsketten sehr wichtig ist“, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Dröge. Daher müsse die Bundesregierung bewerten, ob die Versorgung für europäische Unternehmen weiterhin gesichert sei.
Das Wirtschaftsministerium wollte sich zu der Prüfung nicht äußern, für die es vier Monate Zeit hat. Die Behörde habe einen Fragenkatalog übermittelt, sagte Siltronic-Chef Christoph von Plotho dem Handelsblatt.
Anlass für Sicherheitsbedenken etwa wegen einer möglichen militärischen Nutzung sieht der Manager allerdings nicht. Schließlich liefere sein Unternehmen lediglich ein Vorprodukt für die Chiphersteller. Siltronic stellt Siliziumscheiben her, aus denen Halbleiter entstehen.
Globalwafers ist die Nummer drei auf dem Weltmarkt für die sogenannten Wafer. Zusammen mit der Nummer vier, Siltronic, wollen die Taiwaner zum japanischen Branchenführer Shin-Etsu aufschließen. Globalwafers zahlt 145 Euro je Aktie von Siltronic, das entspricht insgesamt knapp 4,4 Milliarden Euro.
„Verstehe die Diskussion um einen Ausverkauf“
Siltronic-Chef Plotho ist sich durchaus bewusst, dass industriepolitische Erwägungen in die Prüfung einfließen könnten. „Ich verstehe die Diskussion um einen Ausverkauf und die Abwanderung der Technologie nach Asien, aber ich sehe das anders“, sagte er: Know-how, Equipment und Fertigungsprozesse seien in dem Geschäft so eng miteinander verwoben, dass sich die Technologieentwicklung gar nicht auf die Globalwafers-Standorte übertragen lasse, argumentiert er.
„Wir haben etwa an unserem Produktionsstandort in Burghausen an die 400 Ingenieure und Naturwissenschaftler mit mehr als 15 Jahren Berufserfahrung und sehr geringer Fluktuation. Einen solchen Nukleus an Technologie-Wissen kann man sonst höchstens noch in Japan aufbauen.“
Es sei abwegig, dass die Abnehmer übermäßig abhängig werden von dem fusionierten Unternehmen, so von Plotho: „Für unsere Kunden wäre es der GAU, wenn sie Produkte nicht herstellen könnten, weil sie keine Waferscheiben haben. Deshalb wird sich ein Chiphersteller niemals von einem einzigen Lieferanten abhängig machen.“
Das sieht das Bundeskartellamt ähnlich, das die Übernahme kürzlich abgesegnet hat: Die Chipkonzerne hätten noch ausreichend Alternativen, sagte Behördenchef Andreas Mundt.

Globalwafers aus Taiwan will die Münchener Siltronic AG übernehmen. Noch aber haben nicht alle Behörden den Deal genehmigt.
„Wir haben dabei berücksichtigt, dass die großen Abnehmer von Silizium-Wafern sehr ausgeklügelte Beschaffungsstrategien mit einer kundenspezifischen Fertigung verfolgen.“ Sie kauften stets bei mehreren Lieferanten und wechselten diese regelmäßig. Damit liefen auch Preisabsprachen ins Leere.
In einer im Dezember unterzeichneten Vereinbarung haben sich Siltronic und Globalwafers auf eine Bestandsgarantie für die deutschen Siltronic-Standorte geeinigt sowie auf einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis Ende 2024.
Vergangenes Jahr ist der Umsatz von Siltronic um fünf Prozent auf 1,2 Milliarden Euro gefallen. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sank um 16 Prozent auf 344 Millionen Euro.

Die Chefin von Globalwafers braucht viel Geduld bei der Übernahme von Siltronic.
Gleichwohl fällt der Deal in eine Zeit, in der Europa zur Aufholjagd in der Chipindustrie ansetzt. „Wir wollen, dass wir in den Schlüsseltechnologien auf den Weltmärkten mitspielen können“, sagte Wirtschaftsminister Altmaier jüngst. Transaktionen wie die von Siltronic werden daher kritisch beäugt.
Zumal auch andere europäische Chipfirmen in die Hände von Investoren aus Übersee fallen könnten. So will Nvidia aus den USA den britischen Chipdesigner ARM für 40 Milliarden Dollar schlucken. Der japanische Autochipspezialist Renesas hat Anfang Februar angekündigt, den schwäbisch-britischen Halbleiterproduzenten Dialog Semiconductor zu kaufen. Der Preis: 4,9 Milliarden Euro.
Europa will bei den Chips aufholen
Anfang Dezember hatten 18 EU-Staaten eine Erklärung unterzeichnet, in der sie die Bedeutung der Halbleiterindustrie betonten und sich zu ihrer finanziellen Unterstützung bekannten. Altmaier sieht die Dominanz asiatischer und US-amerikanischer Konzerne in der Chipindustrie als Problem.
Der Wirtschaftsminister ist daher bereit, die Unternehmen in Europa mit einer Milliardensumme zu unterstützen. Der Schwerpunkt soll dabei auf schnellen Funknetzen nach den Standards 5G und 6G liegen. Die Aktivitäten sollen in einem Projekt von gemeinsamem europäischen Interesse, kurz IPCEI, gebündelt werden, was hohe Beihilfen ermöglicht.

Der Siltronic-Chef sieht keinen Nachteil für den Standort Deutschland, wenn sein Unternehmen in Taiwaner Hände fällt.
Die Unternehmen sollen den Großteil der Investitionssumme bei den einzelnen Projekten im Rahmen des IPCEI aufbringen. Die staatliche Förderung betrage je nach Ausgestaltung des konkreten Vorhabens zwischen 20 und 40 Prozent, so Altmaier. Sein Ministerium sammelt derzeit vorläufige Investitionspläne interessierter Unternehmen ein. Im März sollen dann Gespräche über mögliche Kooperationen auch mit Firmen aus anderen EU-Ländern aufgenommen werden.
Die EU-Kommission hat sich unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen ebenfalls die technologische Souveränität zum Ziel gesetzt. Plan ist es, ein robustes Halbleiter-Ökosystem zu schaffen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.
Binnenmarktkommissar Thierry Breton soll dafür eine Allianz der europäischen Halbleiterindustrie schmieden. „Wir müssen ehrgeizige Pläne aufstellen, vom Design der Chips bis hin zur fortgeschrittenen Fertigung, mit dem Ziel, uns in unseren wichtigsten Wertschöpfungsketten zu differenzieren und führend zu sein“, sagte Breton zuletzt.
In Taiwan sind Übernahmen schwierig
Dass Globalwafers jetzt Siltronic schluckt und nicht umgekehrt Siltronic in Taiwan shoppen geht, hat mehrere Gründe. Einer sollte die Politik aufschrecken: „Übernahmen in Taiwan unterliegen hohen regulatorischen Hürden, die einen Zukauf in Taiwan unrealistisch erscheinen lassen“, erläuterte von Plotho.
Das heißt: Siltronic selbst könnte den Rivalen gar nicht übernehmen, selbst wenn die Bayern das Geld hätten. Das zu beschaffen wäre für von Plotho ebenfalls schwierig gewesen. Großaktionär Wacker wollte seinen Anteil seit Jahren versilbern – und nicht noch in die Expansion von Siltronic investieren. Dem Chemiekonzern winkt mit dem Verkauf seines knapp 31-prozentigen Anteils an Siltronic ein Ertrag von gut 1,3 Milliarden Euro.
Und so sieht von Plotho auch Versäumnisse in der Industrie, wenn Europa in der Halbleiterbranche zurückfällt. „Es ist nicht nur die Politik, die sich zu wenig um den Erhalt der Chipindustrie in Europa gekümmert hat, sondern auch die Unternehmen selbst.“
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