Schienengüterverkehr Deutsche Bahn nimmt einen neuen Anlauf als „Bahn-Logistiker“

Die Deutsche Bahn will die Transporte über Nacht ausbauen.
Düsseldorf Die neue Güterverkehrschefin der Deutschen Bahn, Sigrid Nikutta, unternimmt einen neuen Versuch, die angeschlagene Cargo-Sparte auf Kurs zu bringen. Seit Jahren fährt die Güterbahn des Staatskonzerns trotz des boomenden Transportmarkts nur Verluste ein – Tendenz steigend. Nikuttas Vorgänger hatten es mit Schrumpfen versucht, Nikutta versucht es mit Wachstum.
Das Konzept habe der Aufsichtsrat „wohlwollend“ zur Kenntnis genommen, sagte Nikutta in Berlin. Details über Ziele und Zahlen sollen aber erst noch folgen. Nur so viel: 2025 soll das Konzept weitgehend umgesetzt sein.
Unklar ist aber die Rolle von Schenker, der größten Tochtergesellschaft im Konzern. Das Unternehmen ist mit 17 Milliarden Euro Umsatz einer der führenden Logistiker Europas. Was Schenker aber künftig bei der geplanten Erweiterung des Cargo-Geschäftsmodells zum „Anbieter kompletter Logistikketten“ beitragen soll, ist offen.
Laut Nikutta soll zwar die „Zusammenarbeit mit Schenker intensiviert werden“. Daran waren schon Generationen von Bahn-Managern gescheitert. Andererseits soll die Cargo-Tochter aber mit anderen Unternehmen kooperieren „Wir wollen ein Netzwerk mit starken Partnern“, sagte Nikutta. Dabei geht es zum Beispiel darum, Güter bei Kunden auch dann abzuholen beziehungsweise abzuliefern, wenn die keinen Gleisanschluss haben. Die Bahn soll nach Nikuttas Vorstellungen zu einem Bahnlogistiker weiterentwickelt werden. „Mit Betonung auf Bahn.“
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Mehrere Vorgänger Nikuttas, die in Personalunion Konzernvorständin bei der Bahn und CEO der Tochter DB Cargo ist, waren mit der Sanierung der Gütereisenbahn gescheitert. Meist war Schrumpfkurs angesagt, und das gegen heftigen Widerstand der Belegschaft.
Übernachtverbindungen sollen neue Kunden locken
Nikutta plant nun Übernachtverbindungen zwischen den deutschen Wirtschaftszentren. In diese Züge kann jeder Kunde Waggons einstellen, sie fahren immer. Ein erster Nachtsprung ist zwischen Hamburg und Köln eingerichtet – Hauptkunde ist der Getränkekonzern Coca-Cola. Bis Mitte nächsten Jahres sollen die weiteren Linien folgen.
Diese Übernachtverbindungen sind ein Versuch, ein großes Problem der Cargobahn in den Griff zu bekommen. Der sogenannte Einzelwagenverkehr. Dabei werden keine kompletten Containerzüge zwischen Hamburg und München gefahren, sondern einzelne Waggons mit Gütern bei Industriekunden abgeholt, zu Zügen zusammengestellt und Empfängern wieder zugestellt. Dafür hat die Bahn derzeit noch gut 1000 Gleisanschlüsse in Betrieb.
Dieses Geschäft ist nicht profitabel und verursacht einen Großteil der Cargo-Verluste. Obwohl schon Hunderte solcher Anschlüsse geschlossen wurden. Pro Tag rollen 10.000 beladene und 8000 unbeladene Waggons im Einzelwagenverkehr durch Deutschland. Allein 2018 verursachte das aber 211 Millionen Euro Verlust bei 1,5 Milliarden Euro Umsatz. Inzwischen verhandelt die Bahn über eine Subventionierung mit dem Bund. Andere Staatsbahnen wie die in Österreich oder Schweden bekommen jährlich gut 60 Millionen Euro als Ausgleich vom Staat.
Im vergangenen Jahr hatte sich die Bahn mit einem Gutachten vorrechnen lassen, wie das Problem mit den Einzelwagen gelöst werden könnte. Die Warnung der Gutachter war deutlich: „Bei einer unveränderten Weiterführung des heutigen Geschäftsmodells wird der Einzelwagenverkehr in den kommenden Jahren einen hohen Verlust einfahren.“
Gutachter kritisieren üppige Verwaltung
Deshalb schlugen die Gutachter Strategien vor, um das Defizit in den Griff zu bekommen. Eine davon lautete, dass der Einzelwagenverkehr mit einem „aggressiven Wachstumsprogramm in Kernindustrien“ und der Erschließung neuer Märkte weiterentwickelt wird. Das wäre ganz im Sinn der Cargo-Chefin Nikutta, würde den Staat aber viel Geld kosten. Allein die „unumgängliche Modernisierung“ werde 760 Millionen Euro verschlingen. Immerhin: Die Gutachter stellten eine Steigerung der Transportmengen um 30 Prozent gegenüber 2018 in Aussicht.
Ungelöst wären damit jedoch einige andere Probleme der Cargotochter. Die Gutachter stellten beispielsweise eine viel zu üppige Verwaltung fest, während im Betriebsdienst die Zahl der Stellen halbiert worden sei. Auch bei der Organisation hakt es offenbar gewaltig: Lokführer verbringen nur 37 Prozent ihrer Arbeitszeit damit, einen Güterzug zu fahren. Auch stellten die Berater fest: Die Hälfte aller Gütertransporte erreicht ihr Ziel mit 24 Stunden Verspätung.
Sigrid Nikutta hält die Güterbahn für die „natürliche Lösung“ der politischen Klimaversprechen im Verkehrssektor. Aber sie weiß auch: „Lokomotiven und Wagen finanzieren sich nicht dadurch, dass ich mir das wünsche.“
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