Analyse Bei der Lufthansa warten die größten Baustellen noch

Die Boeing 747 soll zwar weiterhin für den Konzern fliegen. Aber der Airbus A380 wird wohl dauerhaft am Boden bleiben – ein Zeichen dafür, wie die Pandemie die Lufthansa-Gruppe verändert.
Frankfurt Kurz sorgten die Informationen aus der Lufthansa-Zentrale an der Börse für Zuversicht, die Aktie legte am Dienstagmorgen um rund 1,5 Prozent zu. In der Nacht hatte das Management neue Mittelfristziele und erste Details zur geplanten Kapitalerhöhung genannt. Doch rasch verflog die Begeisterung bei Investoren, die Aktie gab am Vormittag wieder nach und notierte gegen Mittag bei minus zwei Prozent.
Viele Anteilseigner werden wohl realisiert haben: Die ehrgeizigen Ziele hängen daran, dass der geplante Umbau von Europas größter Airline-Gruppe so realisiert werden kann wie angedacht. Hier gibt es allerdings noch viele offene Punkte.
Die Lufthansa-Spitze hatte in der Nacht zu Dienstag ein „Update“ zu den weiteren Planungen publiziert. Der Konzern will wieder ähnlich profitabel werden wie 2017, dem bisherigen Rekordjahr des Unternehmens. Damals erreichte die „Hansa“ eine operative Ergebnismarge von 8,86 Prozent. Für 2024 peilt das Team um Vorstandschef Carsten Spohr eine operative Marge vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten (bereinigte Ebit-Marge) von mindestens acht Prozent an.
Das genannte Ziel liege über dem Konsens der Analysten, schrieb Daniel Roeska von Bernstein Research am Dienstag in einem ersten Kommentar. Im Schnitt hatten die Analysten eine bereinigte Ebit-Marge von etwa sieben Prozent ab 2024 prognostiziert.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Dass das Management mit solchen Zahlen vorprescht, hat einen Grund. Man möchte den Investoren Argumente liefern, bei der bereits angekündigten Kapitalerhöhung mitzuziehen. Sie ist für das Konzern-Management von elementarer Bedeutung. Die Einnahmen sollen dazu genutzt werden, die bisher geleistete Staatshilfe wieder abzulösen. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass der Staat seinen Anteil von 20 Prozent an Lufthansa verkaufen kann.
Bund bleibt vorerst an Bord bei der Lufthansa
Vorerst wird der Bund aber an Bord bleiben. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds will wohl neue Aktien zeichnen, dafür aber kein frisches Geld ausgeben. Der WSF will Bezugsrechte verkaufen, um die Anteilsscheine zu bezahlen. Entschieden ist das aber noch nicht.
Weiterhin ist unklar, wann und in welchem Umfang das Kapital erhöht wird. Im Unternehmensumfeld ist von drei Milliarden Euro die Rede. Allerdings rückt die Kapitalmaßnahme näher. Lufthansa habe „vier Banken mit der Unterstützung bei der Kalibrierung einer möglichen Kapitalerhöhung beauftragt“, heißt es in der Mitteilung.
Angesichts des erwarteten großen Umfangs von drei Milliarden Euro – es ist rund die Hälfte der aktuellen Marktkapitalisierung des Unternehmens – muss Lufthansa potenziellen Zeichnern der neuen Anteilsscheine eine gute „Equity-Story“ liefern. Genau das versucht das Management. Wer auf die Details der angekündigten Maßnahmen schaut, merkt allerdings, dass viele noch nicht abschließend umgesetzt sind.
So verspricht das Team um CEO Spohr Bruttoeinsparungen bis 2024 von etwa 3,5 Milliarden Euro gegenüber dem Wert des Jahres 2019. Die sogenannten Stückkosten – das sind die Kosten pro angebotenem Sitz und geflogenem Kilometer ohne Treibstoffkosten – sollen im gleichen Zeitraum um einen niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentwert sinken.

Für viele Mitarbeiter der Lufthansa-Gruppe ist der Umbau von Europas größtem Airline-Konzern schmerzhaft. Auch bei Lufthansa Technik werden Stellen abgebaut.
Einer der Haupttreiber sollen dabei die Personalkosten sein. Sie sollen ab 2023 um etwa 1,8 Milliarden Euro sinken. Ein Hebel ist der Abbau von Stellen. Fast 26.000 Mitarbeiter haben seit Beginn der Krise ihre Stelle bei der „Hansa“ verloren – überwiegend im Ausland.
In Deutschland sollen rechnerisch weitere 10.000 Jobs wegfallen. Dabei setzt das Management aber darauf, dass die Einsparungen zum Teil durch freiwillige Abgänge und neue Tarifverträge erreicht werden können, flankiert allerdings von betriebsbedingte Kündigungen.
Hier beginnen die Probleme: Seit Monaten versucht das Management, die Gewerkschaften zu langfristig geänderten Tarifverträgen zu bewegen. Bisher gibt es nur temporäre Krisen-Tarifverträge. Doch die Gespräche ziehen sich. Im Lufthansa-Umfeld wachsen die Zweifel, dass es noch zu einer Lösung kommt.
Vor allem, weil die Ticketnachfrage derzeit deutlich anzieht. „Im Vergleich zum durchschnittlichen wöchentlichen Buchungseingang im März und April 2021 haben sich die Neubuchungen im Mai und Anfang Juni mehr als verdoppelt“ heißt es in der Mitteilung des Unternehmens von Montagnacht.
Eine weitere noch offene Baustelle: Lufthansa will eine Holding werden. Bisher ist die Kernmarke Lufthansa Teil des Konzerns, während etwa Swiss oder AUA als eigenständige Gesellschaften darunter hängen. Schon vor der Pandemie hatte die Lufthansa-Spitze angekündigt, Lufthansa ebenfalls herauszulösen und als eigene Gesellschaft neben den anderen Airlines aufzustellen.
„Dies verfolgt das Ziel, Entscheidungen zu beschleunigen, Komplexität zu reduzieren und eine noch effizientere Zusammenarbeit zwischen den Fluggesellschaften des Konzerns zu fördern“, schreibt das Management in seiner Mitteilung. Denkbar ist es zum Beispiel, die Holding aus Frankfurt etwa nach München oder Berlin zu verlagern. Doch das Vorhaben ist hochgradig komplex und braucht Zeit – wahrscheinlich mindestens bis 2024. Investoren benötigen also noch Geduld.
Mehr: Nach Corona nun die Klimakrise: Lufthansa-Chefs wappnen sich für grüne Regierungsbeteiligung
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.