Kampf gegen drohende Insolvenz Modeunternehmer Olivier Wöhrl gibt Fäden aus der Hand

Er muss um die Zukunft des Unternehmens kämpfen.
Düsseldorf Es ist nicht so, als hätte Olivier Wöhrl sein ganzes Leben lang darauf gewartet, endlich ins familieneigene Modeunternehmen einzusteigen. Eigentlich wollte er das nie. Deshalb hat der Enkel des Firmengründers Rudolf Wöhrl und Sohn des Eigentümers Gerhard Wöhrl nach dem Abitur Maschinenbau studiert, danach seine Karriere als Ingenieur beim Automobilzulieferer Mahle begonnen.
Doch 2007, da war der Junior gerade einmal 27 Jahre alt, wurde Olivier Wöhrl Aufsichtsratschef des Modehauses mit seinen rund 2000 Beschäftigten und damit Interessensvertreter der Familie. Vorstandschef war zu dieser Zeit der eigene Vater, der seinem Sohn so die Nachfolge schmackhaft machen wollte. Dieser Teil des Plans gelang. Anfang 2012 wurde Mode-Greenhorn Olivier Wöhrl tatsächlich Vorstandschef in Nürnberg, skeptisch beäugt von Branchenkennern, Mitarbeitern – und auch von Teilen der eigenen Familie.
Gut vier Jahre später ist der Mann mit der markanten Brille und dem zurückhaltenden Auftreten als Unternehmer vorerst gescheitert. Wöhrl kämpft gegen die drohende Insolvenz und hat in der Nacht zum Dienstag ein so genanntes Schutzschirmverfahren beantragt, das einen vorübergehenden Schutz vor der Vollstreckung von Gläubigerforderungen gewährt.
„Unser Ziel ist es, die Wöhrl-Gruppe als Ganzes zu erhalten und nachhaltig in die Profitabilität zurückzuführen“, heißt es aus der Zentrale. Das Unternehmen hat nun maximal drei Monate Zeit, um einen Sanierungsplan vorzulegen. Olivier Wöhrl muss den Chefposten abgeben. Er bleibt aber im Vorstand und ist künftig verantwortlich für die strategische Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Neuer Vorstandsvorsitzender wird mit sofortiger Wirkung der bisherige Aufsichtsratschef Andreas Mach, der den Sanierungsplan erarbeitet hat.
„Die Familie ist sich ihrer Verantwortung für Wöhrl bewusst“, sagte Olivier Wöhrl am Dienstag. Die Eigentümerfamilie ist demnach zu einer unternehmerischen Partnerschaft bereit, gegebenenfalls auch als Minderheitsgesellschafter. Es laufen bereits Gespräche sowohl mit Finanz-, als auch mit strategischen Investoren. Fest steht bereits: Sechs bis zehn der insgesamt 34 meist in Bayern gelegenen Filialen werden geschlossen.
Die Textilkette Wöhrl hat die Probleme der Branche längt zu spüren bekommen. Im Geschäftsjahr bis Ende Juli 2016 wird der Verlust voraussichtlich noch höher ausfallen als im Jahr zuvor. Damals stand am Schluss ein Minus von einer Million Euro. Der Jahresumsatz sank zuletzt von 316 auf rund 300 Millionen Euro.
Die Gründe: Die Kundenfrequenz in den Fußgängerzonen deutscher Innenstädte sinkt von Jahr zu Jahr, vor allem in den Mittelzentren, in denen Wöhrl mit seinen Filialen stark vertreten ist. Online-Plattformen wie Zalando und Shopping-Center abseits der Innenstädte setzen den traditionellen Filialisten zu.
Wöhrl konkurriert dabei mit anderen Multimarkenketten wie beispielsweise Wormland oder auch Sinn Leffers – dieses Unternehmen hat Wöhrl vor gut dreieinhalb Jahren noch selbst gekauft. Konkurrenten wie Breuninger aus Stuttgart und Ludwig Beck in München sind hingegen längst enteilt.
Die Geschichte des bayerischen Familienunternehmens ist nicht nur lang – Rudolf Wöhrl gründete 1933 ein Geschäft für „Herren- und Knabenbekleidung“ –, sondern auch geprägt von Streitigkeiten. Denn Rudolfs Söhne Gerhard und Hans Rudolf hatten, was das Geschäft und vor allem die Besetzung der Vorstandsposten anging, selten die gleiche Meinung.
Bis 2011 waren noch beide Gesellschafter. Dann verkaufte Hans Rudolf Wöhrl, der seit 1974 neun Fluglinien gegründet oder saniert hat, seine 30 Prozent an den Bruder. Es war eine gütliche Einigung, die Olivier Wöhrl helfen sollte, endlich für Harmonie in der Firma zu sorgen.
Sein Onkel Hans Rudolf, von dem die Fluggesellschaft Air Berlin einst DBA und LTU kaufte, und der mit der CSU-Politikerin und „Miss Germany 1977“ Dagmar Wöhrl verheiratet ist, wusste nach eigenen Angaben bis Dienstag nicht, wie ernst es derzeit um die Firma steht. Privat habe er zwar Kontakt zu seinem Bruder Gerhard und auch zum Neffen Olivier, „aber geschäftlich haben wir uns nach meinem Ausscheiden in Sachen Wöhrl kaum ausgetauscht“, sagte er dem Handelsblatt. Und fügt hinzu: „In der Sache hätte ich allerdings einige Dinge anders gemacht.“ Das frühere Alleinstellungsmerkmal der Firma, der Service, sei doch zuletzt arg ins Hintertreffen geraten.
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