Medikamente gegen Covid Erste Notfallzulassungen für Antikörper-Medikamente gegen Corona

Weltweit sind nach Daten des amerikanischen Branchenverbandes BIO inzwischen gut 100 Antikörper gegen Sars-Cov-2 in der Entwicklung.
Frankfurt Steigende Infektionszahlen und die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus erhöhen nicht nur die Dringlichkeit von Impfungen. Sie rücken auch die Medikamententherapie gegen Covid-19 wieder stärker ins Blickfeld – insbesondere die Antikörper-Präparate gegen die Infektionskrankheit.
Sowohl die Forschungsaktivitäten als auch die Verordnungszahlen für die Produkte nehmen offenbar zu: Das US-Biotech-Unternehmen Regeneron, der führende Anbieter auf dem Gebiet, berichtete jüngst von einem deutlich gestiegenen Einsatz seines Antikörperpräparats Regen-Cov. Die Zahl liege inzwischen bei über 50.000 Dosen wöchentlich.
Vertriebschefin Marion McCourt begründet dies wie folgt: „Die steigenden Verordnungszahlen werden getrieben von der wachsenden Anerkennung der Bedeutung der Antikörper-Cocktails, den Fortbildungsaktivitäten in dem Bereich und auch Wettbewerbsvorteilen für unser Produkt.“
Antikörper zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr spezifisch an bestimmten Molekülen andocken können. Sie werden normalerweise von der Immunabwehr als Reaktion auf Infektionen produziert. Sie sind in der Lage, Viren zu blockieren und befallene Körperzellen zu markieren, damit sie von Immunzellen erkannt und vernichtet werden können.
Im Falle der Covid-19-Medikamente handelt es sich um Antikörper, die nach dem Vorbild der natürlichen Antikörper in biotechnischen Anlagen gezielt hergestellt werden. Sie haben insofern einige Ähnlichkeit mit Impfstoffen. Die Rede ist daher auch oft von einer passiven Immunisierung.
Das Regeneron-Produkt, das aus zwei verschiedenen Antikörpern besteht und in Europa auch unter dem Namen Ronapreve vertrieben wird, ist eines von drei solchen Mitteln, die bisher in den USA eine Notfallzulassung (EUA) erhalten haben. Neben der Behandlung von Covid-Patienten umfasst die US-Notfallgenehmigung seit Ende Juli auch den Einsatz des Mittels für die Prävention von Covid-Erkrankungen bei bestimmten Personen mit erhöhtem Risiko.
Bisher noch keine EU-Zulassung
Als erstes Antikörperpräparat hat das Regeneron-Medikament vor wenigen Tagen zudem auch in Großbritannien eine formale Zulassung erhalten und wird von Gesundheitsminister Sajid Javid als „signifikante Verstärkung“ des Covid-Medikamentenarsenals bewertet.
In den USA haben neben Regen-Cov zudem auch die Antikörper-Kombination Bamlanivimab/Etesevimab von Eli Lilly sowie der Wirkstoff Sotrovimab, den Glaxo-Smithkline in Kooperation mit der Biotech-Firma Vir entwickelte, Notfallgenehmigungen der Arzneimittelbehörde FDA erhalten.
In der EU dagegen ist noch keines dieser Produkte offiziell von der europäischen Arzneimittelagentur Ema genehmigt. Sie befinden sich hier noch im sogenannten rollierenden Zulassungsverfahren, ebenso wie ein Antikörperpräparat der koreanischen Firma Celltrion.
Allerdings liegen für die drei in den USA zugelassenen Produkte bereits positive Beurteilungen des Medizinausschusses der Ema vor, die wiederum als Grundlage für nationale Anwendungsgenehmigungen in verschiedenen Ländern, darunter auch Deutschland, genutzt werden.
Die Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet sind weiterhin intensiv. Weltweit sind nach Daten des amerikanischen Branchenverbandes BIO inzwischen gut 100 Antikörper gegen Sars-CoV-2 in der Entwicklung. Die Mehrzahl davon dürfte sich allerdings noch in frühen Entwicklungsphasen befinden.
Zu den wichtigen Produktkandidaten, die auf eine Zulassung zusteuern, gehört die Antikörper-Kombination AZD7442, für die der britische Pharmakonzern Astra-Zeneca jüngst positive Daten aus einer relativ großen Phase-3-Studie präsentierte. Das Medikament konnte demnach als vorbeugendes Mittel das Risiko von symptomatischen Covid-Infektionen um 77 Prozent reduzieren.
Die Antikörper wurden nach Angaben des Unternehmens für eine möglichst lang anhaltende Wirkung optimiert und könnten bis zu zwölf Monate Schutz bieten. Astra-Zeneca will auf Basis dieser Daten nun Notfallzulassungen beantragen. Das Präparat wird darüber hinaus auch für die Behandlung von Covid-Patienten getestet.
Daten zur Anti-Covid-Pille erst gegen Ende des Jahres
Bei der Therapie von bereits Infizierten sind Antikörper – mangels anderer antiviraler Wirksubstanzen – bisher die beste Option. Denn aussagekräftige klinische Daten zu einer Reihe von typischen Antivirus-Substanzen, die auch als Tablette eingenommen werden können, dürften erst gegen Ende des Jahres vorliegen.
Dazu gehören Wirkstoffkandidaten, die unter anderem von Roche, Merck & Co. und Pfizer entwickelt werden. Der einzige bereits zugelassene antivirale Wirkstoff, das Mittel Remdesivir des US-Konzerns Gilead, zeigte in Studien nur durchwachsene Resultate und ist daher umstritten.
Der Einsatz der Antikörperpräparate ist bisher mit einigen Herausforderungen verbunden. So zeigte sich in den bisherigen klinischen Studien überwiegend, dass sie letztlich nur bei einem relativ frühen Einsatz wirklich Vorteile bieten, nicht aber bei Patienten, die bereits mit einem schweren Verlauf auf der Intensivstation liegen.
Eine weitere Hürde ergibt sich daraus, dass es sich bei der Wirkstoffklasse um sehr große, komplizierte Eiweißsubstanzen (Proteine) handelt, die nur biotechnisch hergestellt werden können und in der Regel per Infusion verabreicht werden müssen. Darauf wiederum sind viele Gesundheitssysteme kaum eingestellt. Denn es müssten dazu im Prinzip in großem Stil Covid-Patienten mit noch milden Symptomen in einer hochinfektiösen Phase der Erkrankung in den Kliniken behandelt werden.
Die Dosierungen sind zudem wesentlich höher als etwa bei den Impfstoffen. Sotrovimab zum Beispiel wird in einer Dosierung von 500 Milligramm verabreicht, vom Regeneron-Mittel werden jeweils 1200 Milligramm verabreicht. Die Dosierung beim Impfstoff von Biontech und Pfizer beträgt hingegen 30 Mikrogramm.
Somit ist die Dosierung bei Antikörperpräparaten um den Faktor 16.000 bis 40.000 höher. Die Produktion würde selbst bei sehr niedrigen Patientenzahlen eine erhebliche Herausforderung darstellen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat sich Regeneron mit dem Pharmariesen Roche verbündet.
Sowohl medizinisch als auch kommerziell stehen die Antikörpermedikamente bisher im Schatten der Covid-Impfstoffe. Mit insgesamt 3,5 Milliarden Dollar Umsatz haben die Antikörperprodukte im ersten Halbjahr weniger als ein Fünftel der Einnahmen von Covid-Impfstoffen generiert.
Als klarer Marktführer hat sich dabei Regeneron mit gut 2,8 Milliarden Dollar Umsatz positioniert. Das US-Unternehmen profitiert dabei von der erweiterten Zulassung sowie von der Tatsache, dass seine Antikörperkombination auch eine gute Wirkung gegen die Delta-Variante zeigte.
Das Unternehmen erwartet für das dritte Quartal keine weiteren Umsätze, nachdem es im zweiten Quartal einen großen Liefervertrag mit der US-Regierung verbucht hatte. Im vierten Quartal könnte nach Analystenschätzungen aber mehr als eine Milliarde Dollar hinzukommen. Zudem hat der Produktions- und Vertriebspartner Roche nach eigenen Angaben Bestellungen aus Deutschland, Indien, Italien, Frankreich und weiteren Ländern im Volumen von etwa 600 Millionen Dollar in den Büchern.
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