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Ranking der Kontrolleure Überraschung an der Spitze: Das sind Deutschlands mächtigste Aufsichtsräte

Eine Analyse der Dax-Kontrollgremien zeigt: Die Transformation der Wirtschaft erfasst auch die Aufsichtsräte. Ein Digitalexperte ist am mächtigsten.
18.11.2021 - 06:11 Uhr Kommentieren
Die frühere Bahn- und BASF-Vorständin Margret Suckale ist auf Rang sechs die einzige Frau unter den Top zehn. Der studierte Nachrichtentechniker Streibich war von 2003 bis 2018 Vorstandsvorsitzender der Software AG.Foto: BASF SE, Software AG
Margret Suckale, Karl-Heinz Streibich

Die frühere Bahn- und BASF-Vorständin Margret Suckale ist auf Rang sechs die einzige Frau unter den Top zehn. Der studierte Nachrichtentechniker Streibich war von 2003 bis 2018 Vorstandsvorsitzender der Software AG.

Foto: BASF SE, Software AG

Düsseldorf Sein Name war bisher vor allem Insidern bekannt. Das könnte sich nun ändern. Schließlich ist die Karriere des Karl-Heinz Streibich unter Aufsichtsräten zukunftsweisend. Seine IT-Expertise brachte ihm Mandate bei Deutscher Telekom, Munich Re, Siemens Healthineers und Software AG ein – und hat den 69-Jährigen nun sogar an die Spitze der Handelsblatt-Rangliste der mächtigsten Aufsichtsräte Deutschlands geführt.

Die Erfahrung des langjährigen Chefs der Software AG ist in den Kontrollgremien deutscher Konzerne derzeit besonders gefragt – schließlich befindet sich die Wirtschaft inmitten einer umfassenden digitalen Transformation.

Streibich steht für einen Trend, wie eine Analyse der 160 Dax-Unternehmen zeigt: „Ex-Topmanager aus dem Dunstkreis von Hightech und Digitalisierung ‧gewinnen an Mandaten und an Einfluss“, sagt Michael Wolff, Wirtschaftsprofessor an der Uni Göttingen, der die Gremien für das Handelsblatt überprüft hat. So gehörten zu den Top 30 der mächtigsten Aufsichtsräte jetzt auch Ex-Bosch-Chef Franz Fehrenbach und der frühere Co-CEO von SAP, Jim Hagemann Snabe.

Nachholbedarf besteht in den Aufsichtsräten weiterhin in puncto Diversität. Noch immer werden vor allem auf der Arbeitgeberseite der Kontrollgremien mächtige Posten von Männern dominiert. Die am höchsten platzierte Frau im Ranking ist Ex-BASF-Managerin Margret Suckale. Sie hält wie Streibich vier Mandate. Ihr Erfolgsgeheimnis ist ihre Mitarbeit in den Fachausschüssen der Gremien: „Das kann ich nur jeder Frau empfehlen.“

Wie richtig und wichtig der Einzug von Digitalexperten auch in die Aufsichtsräte ist, bestätigen Personalberater wie Adrian Fischer von Heads. „Die Digitalexpertise gewinnt auch in Aufsichtsräten deutscher Konzerne zunehmend an Bedeutung“, sagt Fischer. „Der Nachholbedarf ist jedoch noch enorm groß. Die Veränderungsgeschwindigkeit muss deshalb gerade im Hinblick auf den Wettbewerb mit den USA und Asien deutlich schneller werden.“ So hätte erst die Hälfte der deutschen Unternehmen mindestens einen Digitalexperten im Aufsichtsrat. 2018 sei es aber sogar erst jedes fünfte Unternehmen gewesen.

Der Wandel der Dax-Aufsichtsräte ist im vollen Gange

Der Wandel der 160 Dax-Aufsichtsräte ist damit im vollen Gange. Und das muss auch so sein. Denn: „Die deutsche Wirtschaft steht vor einer immensen Transformationsleistung. Die Megatrends Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Diversität und Krisenresilienz, Stichwort Lieferketten, müssen auch in den Aufsichtsräten abgebildet sein“, sagt Wissenschaftler Wolff. „Eine weitere Professionalisierung und noch schnellere Durchmischung der Aufsichtsräte wären wünschenswert.“

Der Wandel wurde auch durch die vor zehn Jahren begonnene Reform der Firmenkontrolle angestoßen. Die Anzahl der Mandate pro Aufsichtsrat geht der Analyse zufolge weiter zurück. So haben nur noch zwei Dax-Kontrolleure vier Mandate: Karl-Heinz Streibich und Margret Suckale (Deutsche Telekom, Infineon, Heidelberg Cement, DWS).

18 Mandatsträger überwachen noch drei Konzerne – unter anderem Werner Brandt (RWE, Siemens, Pro Sieben Sat 1), Kurt Bock (BASF, BMW, Fuchs Petrolub), Christine Bortenlänger (MTU, Covestro, Siemens Energy) und Michael Diekmann (Allianz, Siemens, Fresenius). Die weit überwiegende Mehrheit der Dax-Aufseher (90 Prozent) hat nur noch ein Mandat. „Das Overboarding gehört damit größtenteils der Vergangenheit an“, sagt Studienleiter Wolff.

Anteil von Frauen und Ausländern bleibt gering

Auch die durchschnittliche Amtsdauer von Aufsichtsräten sinkt. Sie liegt nur noch bei gut fünf Jahren. Doch immer noch übersteigen einige Aufseher kritische Grenzen und bleiben als Urgesteine in den Gremien. Paul Achleitner etwa überwacht seit 19 Jahren den Pharma- und Chemiekonzern Bayer und Clemens Börsig seit 13 Jahren den Autobauer Daimler. Immerhin: Daimler-Grandseigneur Manfred Bischoff gab dieses Jahr nach 14 Jahren sein Mandat auf. Spitzenreiter im Ausharren bleibt Manfred Nüssel. Er überwacht die SDax-Firma Baywa seit 37 Jahren und ist seit dem Jahr 2000 auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats.

Wenig Bewegung gibt es nach wie vor in Bezug auf Diversität. So ging der Frauenanteil im Ranking der mächtigsten Aufsichtsräte zurück – von 20 auf zehn Prozent. Die frühere Bahn- und BASF-Vorständin Margret Suckale ist auf Rang sechs die einzige Frau unter den Top zehn. Im vergangenen Jahr waren es mit Simone Menne und Suckale noch zwei Frauen.

Unter den Top 30 sind es 2021 dann immerhin insgesamt fünf Frauen – neben Suckale noch Ann-Kristin Achleitner (Linde, Munich Re), Marion Helmes (Pro Sieben Sat 1, Siemens Healthineers), Christine Bortenlänger (MTU, Covestro) und Simone Bagel-Trah (Henkel, Bayer). Doch auch das ist deutlich weniger als 2020, als es acht Frauen in die Top 30 schafften.

Der Anteil von Ausländern bleibt gering. So schaffte es dieses Jahr erneut kein einziger Ausländer in die erste Machtklasse der Top zehn. Der bestplatzierte auf Rang zwölf ist der Amerikaner Lawrence Rosen. Er überwacht Deutsche Post, Lanxess und Qiagen.

Die Machtquellen deutscher Aufsichtsräte sind vielfältig. Das zeigt die Studie. Während einige Aufsichtsräte Mandate in besonders relevanten und großen Unternehmen haben wie Kurt Bock und damit ihre Reputation belegen, zeichnen sich andere eher durch ihr qualitativ hochwertiges Netzwerk aus wie Ann-Kristin Achleitner oder durch ihren hohen Status innerhalb des Unternehmens basierend auf etwa einem Vorsitz, einer langen Amtsdauer oder vielfältiger Ausschusstätigkeit wie Werner Brandt.

Die Aufsichtsratsstudie von Michael Wolff analysiert für das Handelsblatt seit zehn Jahren Tausende Mandate und Mandatsträger, um den Wandel in Deutschlands Aufsichtsräten zu erforschen – und um das Ranking der „mächtigsten Aufsichtsräte“ aus den 160 Unternehmen von Dax, MDax, SDax und früher auch TecDax aufzustellen. Dabei wird nicht nur einfach die Zahl der Mandate zusammengezählt, Wolff gewichtet die einzelnen Positionen nach Reputation, Netzwerk und Status. So ergibt sich ein relatives Ranking.

Die Ausschüsse sind die geheimen Machtzirkel

Die aktuelle Analyse ist eine der umfangsreichsten Untersuchungen von Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften. Zum Stichtag 31. Juni 2021 wurden alle Vertreter der Kapitalseite der Gesellschaften der Dax-Familie (Dax, MDax, SDax) erfasst, sodass 1068 Aufsichtsratspositionen beziehungsweise 945 Aufsichtsratsmitglieder berücksichtigt wurden. Das sind zehn Positionen beziehungsweise acht Mitglieder mehr als im Vorjahr. Der Stichtag für die Erhebung von Informationen zu individuellen Aufsichtsräten war der 1. September 2021.

Die nach wie vor geringe Diversität und das Festhalten an alten Machtstrukturen zeigen sich vor allem auch in den Ausschüssen der Aufsichtsräte. Diese hat Wolff 2021 einer genauen Analyse unterzogen. Bei der Verteilung von Ausschüssen in deutschen Aufsichtsräten zeigt sich, dass die absolute Mehrheit der Aufsichtsräte in der Dax-Familie inzwischen Ausschüsse bildet. Die Unternehmen folgen dabei vor allem dem „Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität“ zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses und den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodexes (DCGK) zur Einrichtung eines Nominierungsausschuss.

Zusätzlich gibt es zunehmend auch Ausschüsse, deren Aufgabe es ist, strategische, technologische und gesellschaftlich relevante Themen im Aufsichtsrat zu überprüfen. „Das ist eine sehr vielversprechende Entwicklung. Mit dieser Fokussierung kann die Transformation gelingen“, sagt Wolff.

Die Macht von Aufsichtsratsvorsitzenden spiegelt sich in der Besetzung dieser Ausschüsse wider. Während das durchschnittliche Mitglied eines Aufsichtsrats lediglich in einem von drei Ausschüssen sitzt und in einem von zehn Ausschüssen den Vorsitz innehat, sitzt der durchschnittliche Aufsichtsratsvorsitzende in drei von vier Ausschüssen seines Unternehmens und hat in der Hälfte der Ausschüsse den Vorsitz inne. Besonders aktiv sind Paul Achleitner und Michael Diekmann. Achleitner ist als Vorsitzender Mitglied in neun von neun Ausschüssen der Deutschen Bank, Diekmann in sieben von sieben.

Diversität von Dax-Ausschüssen oft geringer als die des Aufsichtsrats insgesamt

Die Folge dieser Allmacht der Vorsitzenden: Die Diversität der Ausschüsse von Unternehmen der Dax-Familie ist oftmals geringer als die des Aufsichtsrats insgesamt. Gerade langjährige und männliche Aufsichtsratsmitglieder stellen den Großteil der Ausschussmitglieder und -vorsitzenden. „Der stärkste Wandel ist interessanterweise im Prüfungsausschuss festzustellen“, berichtet Wolff. Für dessen Mitglieder würden aber auch gesetzlich vorgeschriebene fachliche Voraussetzungen gelten, sodass anscheinend mehr weibliche, jüngere und weniger langjährige Aufsichtsräte zum Zuge kämen.

Bestes Beispiel für diesen Trend ist die laut Ranking mächtigste Aufsichtsrätin. Margret Suckale erscheint so einflussreich, weil sie nicht nur in einem Präsidium und in Personal- und Nominierungsausschüssen engagiert ist, sondern auch im Technologie- und Innovationsausschuss bei der Deutschen Telekom und im Prüfungsausschuss bei Heidelberg Cement.

Im Interview mit dem Handelsblatt verrät sie: „Die Mitarbeit in Ausschüssen ist extrem wichtig. Ich würde in keinen Aufsichtsrat gehen, wenn ich nicht in einem Ausschuss aktiv werden dürfte.“ Und weiter sagt die ehemalige Topmanagerin: „Die Themen werden dort intensiver besprochen, die fachliche Kompetenz ist sehr hoch. Daher würde ich Frauen auch immer empfehlen, sich in ein bis zwei Ausschüssen zu engagieren.“

Mehr: Multiaufsichtsrätin Margret Suckale: „Es braucht keine weitere Regulierung“

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