Die neuen Gründer – Dedrone: Die Drohnen-Versteher
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Die neuen Gründer – DedroneDie Drohnen-Versteher
Das Start-up Dedrone hat sich darauf spezialisiert, unerwünschte Fluggeräte aufzuspüren – und ist dafür ins Silicon Valley gezogen. Dort boomt der Markt für Drohnen. Der Chef geht auch bei Präsentationen ungewöhnliche Wege.
San Francisco Der erste Kontakt mit der Realität war ruppig. Das Fluggerät war gerade in der Luft, als die Handschellen klickten. An der Golden Gate Bridge in San Francisco dürfen keine Drohnen fliegen, machten die herbeigeeilten Sheriffs den verstörten Forschern klar: In den Nationalparks der USA – der Bereich um die Brücke zählt dazu – dürfen keine privaten Drohnen fliegen. Hinzu kommt, dass sich angrenzend ein alter Militärstützpunkt befindet, auf dem die Küstenwache noch aktiv ist. Nun hatte es die Gruppe auch noch mit der Homeland Security zu tun. Das ist kein Spaß und kann auf geradem Weg vom Gerichtssaal ins Gefängnis führen.
Drei Jahre ist das her. Heute kann Dedrone-Chef Jörg Lamprecht über den Zwischenfall schmunzeln – schließlich basiert seine Geschäftsidee darauf. Früher hat Lamprecht selbst Drohnen gebaut, jetzt hilft er dabei, unerwünschte Fluggeräte aufzuspüren. Die Dedrone GmbH ist sein viertes Start-up und will auf der Seite des Gesetzes stehen. Sie fertigt und vertreibt Technologie zur Erkennung und Lokalisierung von Drohnen. „Heute herrscht weitgehend Anarchie in der Luft“, erklärt der Ingenieur. Das werde nicht so bleiben – und davon soll Dedrone profitieren. Seit Oktober 2015 wird der aktuelle Drohnen-Schnüffler verkauft. Der Umsatz liege im „einstelligen Millionenbereich“, mehr will Lamprecht nicht verraten.
Die Gründer von Dedrone
Ingo Seebach, Jörg Lamprecht und Rene Seeber (von links).
(Foto: Dedrone GmbH / Nikolaus Frank)
Um Interessenten zu überzeugen, geht er schon mal ungewöhnliche Wege. Eine Praxisvorführung überzeugte etwa einen Gefängnisdirektor. Eine Drohne mit einer Pistolenattrappe surrte leise über die Gefängnismauer, steuerte schnurstracks eine Zelle an, der Insasse griff sich die Waffe, und der Flieger verschwand wieder. „Waffen, Drogen, Pornofilme, alles wird geliefert“, sagt Lamprecht. Mit Drogen vollgepackte Drohnen sind bereits Alltag im amerikanisch-mexikanischen Grenzverkehr.
Der Markt boomt
In den USA ist das Interesse besonders groß, auch deshalb hat Dedrone seinen offiziellen Hauptsitz gerade aus dem nordhessischen Kassel in den angesagten Mission District in San Francisco verlegt. In der 24th Street sitzt Jörg Lamprecht mit vier Mitarbeitern und stöhnt über die hohen Mietpreise und Lebenshaltungskosten. Aber was hilft es: „Hier ist das Ökosystem für die Industrie, hier sitzen die Technologiefirmen und auch das Risikokapital“, sagt der Unternehmer. In Deutschland konnte Dedrone 2,7 Millionen Euro einsammeln, der Großteil stammt von dem Tech-Investor Target Partners. Im Silicon Valley hoffen sie auf mehr.
Der Anti-Drohnen-Markt wird gewaltig wachsen. Davon sind nicht nur Lamprecht und seine Mitgründer Ingo Seebach und Rene Seeber, die mit dem Großteil der Firma in Deutschland geblieben sind, überzeugt. Die Marktforscher von Research and Markets in Dublin rechnen mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 24 Prozent bis 2022. Sie sehen Dedrone neben der Thales Group und Boeing als Marktführer. Drohnenabwehrsysteme sind nicht nur für Militär und Polizei interessant, sondern auch für Unternehmen. Forscher in Singapur haben gezeigt, wie einfach es für eine Drohne mit angehängtem Smartphone ist, sich als drahtloser Drucker auszugeben und Druckaufträge für sensible Dokumente zu stehlen. Selbst wenn das Büro im vermeintlich sicheren 30. Stock liegt.
Dedrone – Das Unternehmen auf einen Blick
Dedrone wurde 2014 von Jörg Lamprecht, Ingo Seebach und Rene Seeber gegründet. Der Hauptsitz des Start-ups ist seit Februar in San Francisco - der Großteil der 27 Mitarbeiter aber arbeitet in Kassel.
Ein System zur Erkennung von Drohnen. Adressat sind in erster Linie Militär und Polizei, aber auch Unternehmen.
2015 konnte Dedrone 2,7 Millionen Euro Risikokapital einwerben. Angeführt wurde die Finanzierungsrunde durch den deutschen Tech-Investor Target Partners.
Das Marktforschungsunternehmen Markets und Markets sagt den Drohnenabwehrsystemen ein Volumen von 1,14 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 voraus.
Doch Dedrone hat noch mehr Pläne. „Der Drohnenmarkt wird schneller wachsen als der Smartphonemarkt“, prophezeit Lamprecht. Alleine in China gibt es über 400 Hersteller von Drohnen. Laut Branchenverband CES wird alleine in den USA der Verkauf der unbemannten Flieger um 145 Prozent auf eine Million Stück explodieren.
Infrastruktur für den Drohnenverkehr
Aus dem anarchischen Durcheinander in der Luft wird ein geordnetes Nebeneinander werden müssen. „Dafür braucht es eine Infrastruktur, und die wollen wir liefern“, sagt Lamprecht. Wenn zum Beispiel die belebte Market Street für den gewerblichen „Lieferverkehr“ mit Drohnen geöffnet werden wird, muss es eine Luftraumüberwachung geben. Genehmigte Lieferflieger von Amazon oder Macy’s werden dann von Kontrollpunkt zu Kontrollpunkt weitergeleitet, illegale Drohnen herausgefischt. Kontrollsysteme werden auch Unternehmen und Werkshallen brauchen, in denen Transportdrohnen bald die langsamen Flurförderfahrzeuge ablösen könnten.
Bislang aber dreht sich alles um die Drohnenabwehr. Der 6900 Dollar teure Dedrone-Detektor benutzt eine Vielzahl von Sensoren, um Drohnen aufzuspüren. Mikrofone horchen die Umgebung nach verdächtigen Geräuschen ab, Kameras scannen den Luftraum und Radioempfänger durchforsten die Frequenzen nach Steuersignalen für die Flieger. Der Kern der Software, die in einem Datencenter gefahren wird, sei die Signalverarbeitung“, verrät Lamprecht. Ein Drohnengeräusch muss aus Verkehrslärm und Stimmen-Wirrwarr herausgefiltert, eine Drohne von einem Vogel unterschieden werden. „Hier liegt unsere Stärke“, sagt der Gründer. In einer Datenbank seien die „digitalen, optischen und akustischen Fingerabdrücke“ von über 400 Drohnenmodellen gespeichert.
Damit wisse der Sicherheitsdienst sogar, welche Drohne welches Herstellers angeflogen kommt und welche Last sie tragen kann.Das Abenteuer an der Golden Gate Bridge ist damals übrigens glimpflich ausgegangen. In der Kamera der beschlagnahmten Drohne haben die Spezialisten der Homeland Security keine Fotos gefunden, damit fiel der Spionagevorwurf weg. Und was die übrigen Vergehen betrifft, hat der kalifornische Richter noch mal ein Auge zugedrückt und das Verfahren eingestellt.
Dank Dedrone werden potenzielle Nachahmer jetzt vielleicht noch schneller gefunden.
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