Unternehmensnachfolge bei Kölln: Friederike Driftmann im Interview
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UnternehmensnachfolgeKölln-Mehrheitseigentümerin Driftmann über Nachfolgergeneration: „Wir wollen nicht nur verwalten“
Die 29-Jährige sieht ihre Unternehmergeneration gut aufgestellt, um Verantwortung zu übernehmen. Sie erklärt, warum Oatly kein Vorbild ist und sie keine neue Rechtsform braucht.
Die 29-Jährige hält die Mehrheit am Haferflocken-Hersteller und plädiert dafür, dass ihre Generation mehr Verantwortung übernimmt.
(Foto: Kölln)
Düsseldorf Kurz vor Beginn der Pandemie hatte Friederike Driftmann, Mehrheitsaktionärin des für seine Haferflocken bekannten Lebensmittelherstellers Peter Kölln, eine Idee: Gemeinsam mit dem Juristen Christian Bochmann entwickelte sie das Buch „Generation Verantwortung – Wenn Eigentum verpflichtet“.
Driftmann suchte dafür Vorbilder und Gleichgesinnte in ihrer Unternehmergeneration, 24 Nachfolger in Familienunternehmen kommen in dem Buch zu Wort. Inzwischen entsteht schon die dritte Auflage.
Die 29-Jährige will zeigen, dass ihre Generation Teil des Wandels sein will, der Wirtschaft und Gesellschaft voranbringt. Und sie zeigt Verständnis für die Debatte über Verantwortungseigentum, allerdings hält sie eine neue Rechtsform für Familienunternehmen nicht für notwendig. „Zu glauben, dass man mit der neuen Rechtsform Beratungsleistungen spart, ist naiv“, sagt Driftmann.
Im Gespräch mit dem Handelsblatt erklärt sie, was hinter der „Generation Verantwortung“ steckt und warum sie noch nicht Teil der operativen Geschäftsführung ist. Außerdem beschreibt Driftmann, was sie von Investments in Start-ups hält und warum Oatly und Kölln abseits des Hafers nicht viel miteinander zu tun haben.
Lesen Sie hier das komplette Interview:
Frau Driftmann, wie kam es dazu, dass Sie Ihrer Generation von Nachfolgern mit einem Buch mehr Öffentlichkeit verschaffen wollten? Die Idee hatten Christian Bochmann und ich nach einer Veranstaltung an der Bucerius Law School, bei der es um individuelle Wege zur erfolgreichen Nachfolgegestaltung in Familienunternehmen ging. Ich finde es wichtig, dass wir, die nachfolgende Generation, zeigen, wofür wir stehen und wie wir Unternehmertum und Verantwortung definieren.
Ich habe das in meinem Netzwerk geteilt, zu den Ersten zählten der Hitschler-Chef Philip Hitschler-Becker und die Trigema-Erbin Bonita Grupp. Die wiederum haben ihre Netzwerke aktiviert. Wir als nachfolgende Generation wollten einmal unsere Sicht zeigen, den Diskurs führen, ohne politisch zu sein – und das über ganz Deutschland verteilt und aus verschiedenen Branchen.
Fühlten Sie sich denn bislang als Nachfolgerin falsch verstanden? Nein, aber ich will erstens zeigen, dass Verantwortung an echten Menschen hängt und nicht an Organisationen. Und zweitens: Die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Ressourcen und Klimaschutz verlangen nach einer Generation Verantwortung und nicht nach einer Generation Verwaltung.
Was heißt das für Sie konkret? Man kann nicht nur Inhaber eines Familienunternehmens sein, man muss auch etwas daraus machen.
Dabei sind Sie operativ doch noch gar nicht im Unternehmen aktiv. Das ist richtig, aber ich bin schon lange aktive Gesellschafterin. Mir ist es wichtig, die Visionen unserer Generation zu zeigen. Und ich lerne von den Beiträgen der anderen Nachfolger. Mir geht es um ein Plädoyer für Verantwortung. Ich trage wie alle Gesellschafter Verantwortung, auch wenn ich noch nicht operativ die Geschäfte führe. Auch das will ich klarmachen.
Vita Friederike Driftmann
Die Ursprünge gehen auf das Jahr 1795 zurück, als Hans Hinrich Kölln eine Grützmühle am Elmshorner Hafen erwarb. Das Unternehmen wurde 1820 von seinem Sohn und Namensgeber Peter Kölln gegründet. Ein Jahrhundert später wurden die Kölln-Flocken zum Markenartikel. Die traditionellen Farben hellblau/dunkelblau sind bis heute Teil des Markenkonzepts.
Nach dem zweiten Weltkrieg übernahm Ernsthermann Kölln, der Großvater von Friederike Driftmann, mit 24 Jahren das Unternehmen. Er modernisierte die Produktion und erweiterte Ende der 1960er-Jahre das Portfolio zunächst um Müslis, später kamen Cerealien und Müsliriegel hinzu. 2004 übernahm das Unternehmen die Öle der Marken Palmin, Biskin, Livio und Becht’s, zehn Jahre später noch Mazola.
2019 beteiligte sich Peter Kölln erstmals an einem Start-up mit regionalem Bezug: Frischepost. 2021 soll der Produktionsstandort Elmshorn klimaneutral sein, neben der CO2-Reduktion werde dies durch Förderung klimaschonender Projekte erreicht. Im Jahr 2019 setzte das Unternehmen mit 380 Mitarbeitern 130 Millionen Euro um.
Friederike Driftmann ist das zweitjüngste von vier Kindern von Gesche Driftmann, geborene Kölln, und Hans Heinrich Driftmann. Die 29-Jährige studierte Jura an der Universität Hamburg, promovierte und startet bald ihren MBA. Danach will sie zunächst operative Erfahrungen in einem anderen deutschen Familienunternehmen sammeln, bevor sie in die operative Geschäftsführung eintritt. Das soll schrittweise geschehen, einen genauen Zeitpunkt gibt es noch nicht. Geschäftsführer Christian von Boetticher soll bis 2025 im Amt bleiben.
Sie sind nicht einmal im Aufsichtsrat, wie bringen Sie Ihre Ideen ein? Wir haben uns als Familie entschieden, dass wir einen externen Aufsichtsrat wollen. Das ist auch richtig so, da wir als kleiner Gesellschafterkreis nicht durch das Medium Aufsichtsrat sprechen müssen, sondern durch ihn zusätzliches externes Know-how ins Unternehmen holen können. Aber ich bin aktive Mehrheitsgesellschafterin und nehme an allen relevanten Sitzungen teil.
Welche Herausforderung ist die größte für Ihre Nachfolgergeneration? Die Glaubwürdigkeit. Es genügt nicht mehr, sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen. Jeden Tag müssen wir als Unternehmen den Verbraucher abholen und von unseren Produkten überzeugen. Hier haben wir als Familienunternehmen einen entscheidenden Vorteil gegenüber großen Industriekonzernen, denn wir stehen als Menschen hinter unseren Produkten. So möchte ich klarmachen, dass wir das Thema Nachhaltigkeit als Familienunternehmen schon viel länger in den Mittelpunkt stellen, nicht nur im ökologischen Sinne, sondern auch ökonomisch und sozial.
„Es reicht nicht, auf Tiktok zu sein“
Das klingt nicht so neu? Wir brauchen noch mehr Glaubwürdigkeit beim Thema Digitalisierung. Es reicht nicht, auf Tiktok zu sein, sondern wir müssen unsere Historie in den sozialen Medien glaubhaft transportieren. Wir als Nachfolger dürfen uns nicht ausruhen auf alten Werten, wir müssen zeigen, dass wir wirklich etwas bewegen wollen.
Aber Sie tauchen in den sozialen Medien nicht auf. Nein, ich trete nur in Ausnahmefällen in die Öffentlichkeit. Ansonsten sprechen unsere Produkte für sich, etwa über Social Media. Das Unternehmen ist auf Instagram mit der Marke Kölln vertreten, zusätzlich haben wir noch einen Account unter Peterkölln. Dieser gibt unseren Abonnenten einen Blick hinter die Kulissen, da sprechen vorwiegend unsere Auszubildenden.
Kölln-Zentrale in Elmshorn
30 Prozent des Grundprodukts Hafer stammt bei Kölln aus Norddeutschland, der Rest überwiegend aus Skandinavien.
(Foto: Kölln Haferland)
Was ist Ihr Ziel für das Unternehmen? Wir stehen vor der Herausforderung, Ernährung neu zu erfinden und damit das Vertrauen einer neuen Generation aktiv zu gewinnen. Mit einem Modernisierungsschub und noch mehr Bioprodukten, auch Genuss ist wichtig. Oder die Weiterentwicklung unserer Verpackungen, damit sie noch ökologischer werden. Aber es muss auch klar sein, dass wir ein Team sind, dass unsere Hierarchien viel flacher werden, dass Mitarbeiter hier etwas bewegen können. Sonst gelingt der Wandel nicht. Daran arbeiten wir.
Friederike Driftmann zieht einen dunkelblauen Hoodie mit der Aufschrift „Team Peter Kölln“ und dem Firmenlogo unterm Schreibtisch hervor.
Sehen Sie, den gibt es jetzt bei uns. Und das ist kein Billigprodukt, sondern von Trigema, hier in Deutschland gefertigt: nachhaltig und aus einem Familienunternehmen wie wir, das ist mir wichtig.
Regionalität ist kein Wachstumshemmnis: „Im Gegenteil, es ist ein Verkaufsargument“
Zur Nachhaltigkeit zählt auch Regionalität, wie regional ist Peter Kölln? Wir verarbeiten jedes Jahr 60.000 bis 70.000 Tonnen Hafer hier vor Ort am Standort Elmshorn. Die Familie Kölln ist hier ansässig geworden, weil die Bedingungen für den Anbau von Hafer, Gerste und Buchweizen so gut waren. Regionalität gehört zu unserer DNA: 30 Prozent unseres konventionellen Hafers kommen aus Norddeutschland, unseren Biohafer für die Kölln-Produkte beziehen wir ausschließlich von hier. Die restlichen 70 Prozent des konventionellen Hafers importieren wir aus Skandinavien, vorwiegend aus Finnland.
Ist Regionalität ein Wachstumshemmnis? Nein, im Gegenteil, es ist ein Verkaufsargument. Es lassen sich sogar internationale Trends sehr gut damit verkaufen. So erlebt unser Porridge gerade einen regelrechten Boom. Da ist es wichtig, auf unsere regionale DNA zu verweisen. Die allgemeine Rückkehr zu regionalem Hafer passt zu uns.
Nun ist das Sorgfaltspflichtengesetz auf den Weg gebracht, Ihr Unternehmen gehört zu den Befürwortern. Das ist sicher leicht, weil Sie nur in Europa aktiv sind. Haben Sie mal ein Land von der Importliste gestrichen, weil Sie die Lieferkette nicht kontrollieren konnten? Unsere Produkte liefern wir in 40 Länder weltweit, allerdings ist unser Schwerpunkt tatsächlich in Deutschland. Daneben spielen Italien, Österreich und Spanien eine große Rolle. Trotzdem beziehen wir zum Beispiel Zutaten für unsere Müslispezialitäten aus verschiedenen Ländern.
Bei unseren Lieferanten achten wir dabei auf bestimmte Richtlinien, die wir uns intern schon vor Jahren gegeben haben, und sind damit als mittelständisches Familienunternehmen dem Lieferkettengesetz schon lange voraus. Das bedeutet, dass uns wichtig ist, dass faire Löhne an die Arbeitnehmer gezahlt werden. So beziehen wir beispielsweise keine unserer Zutaten aus China, da uns hier die Transparenz fehlt.
Kooperation zwischen Mittelstand und Start-ups: „Wir dürfen unsere Zukunft nicht bloß einkaufen“
2019 haben Sie erstmals in ein Start-up investiert, mit Frischepost sogar in einen regionalen Lieferdienst. Werden weitere Investments folgen? Wir haben als Minderheitsgesellschafter investiert, uns haben die Gründerinnen Eva Neugebauer und Julia Willing überzeugt. Wir sind vor allem am Wissenstransfer interessiert. Aber wir dürfen die Zukunft nicht bloß einkaufen, wir müssen aus dem Unternehmen heraus innovativ sein.
Und wie weit sind Sie dabei? Wir sind „in the Making“. Die Mitarbeiter bringen die Kompetenz. Unser Vorteil ist: Hafer muss nicht transformiert werden, Hafer ist die Transformation in der Ernährung.
Wie vermitteln Sie das? Radikaler Ausbau des digitalen Marketings! Und eine klar wahrnehmbare Verbindung zwischen Familienunternehmen und Produktneuheiten. Die Food-Trends können wir nicht nur den Start-ups überlassen. Eines meiner Lieblingsprodukte ist unser Haferdrink, der gerade komplett überarbeitet wurde. Im Zuge dessen haben wir ihn übrigens auch auf Bio umgestellt.
Apropos, Sie haben Ihren Haferdrink bereits 2010 auf den deutschen Markt gebracht, nun stürmt Ihr Konkurrent Oatly die Regale und hatte am ersten Börsentag eine Bewertung von 13 Milliarden US-Dollar. Hatten Sie das falsche Marketing? Wir sind ein Familienunternehmen und finanzieren uns nicht über Risikokapitalgeber. Ein solches Wachstum wäre für uns auch nicht passend.
Sie sind sieben Gesellschafter aus zwei Generation, darunter sechs Frauen. Wie kam es, dass Sie als zweitjüngstes von vier Kindern Ihrer verstorbenen Eltern die Mehrheit halten? Meine Geschwister haben sich beruflich anders orientiert. Für mich war immer klar, dass ich in die Verantwortung für das Unternehmen gehen will. Ich habe vor allem meinen Großvater Ernsthermann Kölln sehr bewundert. Er ist mein persönliches Vorbild.
Neue Rechtsform vereinfacht nichts
Wie stehen Sie als Juristin zur Debatte über Verantwortungseigentum und damit der Übergabe an die jeweilige Geschäftsführung als Treuhänder? Ich bin dankbar für die Debatte. Ich kann Gründer verstehen, die ihr Unternehmen nicht versilbern, sondern in gute Hände geben wollen. Bei einem Familienunternehmen wie unserem erschließt sich mir nicht, warum ich diese Konstruktion brauche. Bei uns stehen seit sieben Generationen Menschen hinter Entscheidungen. Und das soll auch die nächsten 100 Jahre so sein.
Also lehnen Sie auch die Idee der neuen Rechtsform einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ ab? Gewissenhafte Unternehmer können dieselben Ziele verfolgen, ohne eine neue Rechtsform. Aber zu glauben, dass diese Rechtsform etwa im Vergleich zur Stiftung weniger aufwendig zu betreiben wäre, ist naiv. Gestaltungsveränderungen in Unternehmen sind immer schwierig und aufwendig. Eines ist klar: Verantwortung zeigt sich immer im persönlichen Verhalten – und das können Familienunternehmer gut.
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