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German Pellets-Chef Leibold Ein Pleitier hebt ab

Während die Insolvenzverwalterin von German Pellets nach neuen Geldquellen sucht, tourt der alte Chef Peter Leibold in seinem Privatflugzeug quer durch Europa. Eine seltsame Rolle spielt dabei sein Wirtschaftsprüfer.
29.02.2016 - 10:37 Uhr
Für die Öffentlichkeit nicht erreichbar. Quelle: PR
German Pellets-Gründer Peter Leibold

Für die Öffentlichkeit nicht erreichbar.

(Foto: PR)

Düsseldorf, Frankfurt Leipzig, Maastricht, Wien, Mailand – Peter Leibold ist in der vergangenen Woche viel herumgekommen. Die Reisezeit verging für den Öko-Unternehmer buchstäblich im Flug. Der Geschäftsführer der insolventen German Pellets Gruppe, bei der rund 17.000 deutsche Anleger um 270 Millionen Euro bangen, unternahm seine Europa-Tour in einer Privatmaschine. Geschätzte Kosten für sieben Flüge: rund 25.000 Euro.

Es ist das nächste Kapitel eines Wirtschaftskrimis, der beinahe täglich neue Überraschungen bietet. Bei den Gläubigern des mit wohl mindestens 443 Millionen Euro verschuldeten Brennstoffherstellers dürften Leibolds Privatflüge für Verwunderung sorgen. Schließlich fand Insolvenzverwalterin Bettina Schmudde nach ihrem Antritt am 10. Februar nur noch 5000 Euro in der Kasse. Um den Betrieb wieder aufnehmen zu können, soll das Familienunternehmen mehrere Millionen Euro frisches Kapital benötigen, erfuhr das Handelsblatt.

Einen Teil des Geldes sollte eigentlich Familie Leibold beisteuern können. Sie müsste nur einen Privatkredit von 4,5 Millionen Euro zurückzahlen, den sie sich bei ihrem Unternehmen genehmigt hat. Der Kredit ist im jüngsten Halbjahresbericht dokumentiert. Doch während 550 Mitarbeiter um ihre Jobs und Tausende Anleger um ihr Erspartes bangen, flog der Mann, der die Pleite verursachte, in seinem Privatflugzeug durch Europa und gab den Großinvestor. Eine einzige Flugstunde kostet nach Expertenschätzung rund 3000 Euro.

Was treibt Peter Leibold?

So viel dürfte Peter Leibold allein am vergangenen Dienstagmorgen verflogen haben, als er von Lübeck aus in Maastricht landete. Im nahen Kohlekraftwerk Langerlo in Genk kündigte er vor einem Dutzend Augenzeugen Investitionen im dreistelligen Millionenbereich an. Das Kraftwerk hatte er am 8. Januar für German Pellets erworben und offenbar drei Tage später in eine österreichische Gesellschaft verschoben, die Familie Leibold indirekt kontrolliert. Bei einer Umrüstung von Steinkohle auf Biomasse winken in Belgien bis zu zwei Milliarden Euro Subventionen.

Radar-Daten erlauben Rekonstruktion möglicher Routen des Flugzeugs mit der Kennung D-IRAR. (Quellen: flightradar24.com, eigene Recherche; *=Annahme: 3000 Euro pro Flugstunde)
Flugplan

Radar-Daten erlauben Rekonstruktion möglicher Routen des Flugzeugs mit der Kennung D-IRAR. (Quellen: flightradar24.com, eigene Recherche; *=Annahme: 3000 Euro pro Flugstunde)

All diese Schritte werfen Fragen auf. Was treibt Peter Leibold hier? Passen die teuren Flüge und die eigenmächtigen Schachzüge zu seiner Verantwortung als Chef eines in schwere Not geratenen Unternehmens? Peter Leibold ist für die Öffentlichkeit nicht zu erreichen. Seine Sprecherin kommentierte auf Anfrage weder die Vorgänge um das Kraftwerk noch die Privatflüge ihres Chefs.

Mehr über Leibolds Reisen verrät das Internet. Webseiten wie flightradar24.com geben Daten aus der Kommunikation der Maschinen mit der deutschen Flugsicherung wieder. Bei der Behörde müssen sie sich melden, sobald sie in der Nähe großer Flughäfen oder mit Autopilot fliegen. Bis Freitag ließen sich die Flugbewegungen Leibolds mit seinem Privatflieger vom Typ „Beech B 200 Super King Air“ lückenlos im Internet verfolgen. Während der Recherchen des Handelsblatts verschwanden die Daten teilweise aus dem Netz.

Der Wirtschaftsprüfer verwaltet den Privatflieger

Nach Belegen, die der Redaktion vorliegen, fungiert als Betreiber des Flugzeugs eine Gesellschaft mit dem Namen German Pellets Wings GmbH. Diese gehört laut Handelsregister Peter Leibold. Solche Flüge kann er sich wohl leisten. Laut einem Insider soll der German-Pellets-Chef allein 650.000 Euro Jahresgehalt bezogen haben. Seine Sprecherin gab dazu keinen Kommentar ab. Merkwürdig auch: Die German Pellets Wings, auf die das Flugzeug mit dem Kennzeichen D-IRAR läuft, ist nicht an Leibolds Wohn- oder Geschäftssitz in Wismar angemeldet, sondern in Fulda. Als Ansprechpartner ist das Büro des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Hans-Dieter Alt registriert. Alt kennt German Pellets wie kaum ein Zweiter. Er prüft seit Jahren die Jahresabschlüsse des Konzerns.

Ein Wirtschaftsprüfer, der das Privatflugzeug des Unternehmers verwaltet, den er kontrollieren soll? In der Branche sorgt das für Kopfschütteln. „So eine Konstellation werden Sie in keiner größeren Wirtschaftsprüfungsgesellschaft finden“, sagt ein Partner einer bekannten Kanzlei. Hans-Dieter Alt selbst erklärte auf Anfrage: „Wir haben für die German Pellets Wings GmbH die klassischen Leistungen als Steuerberater erbracht.“ Diese seien auch von der Betreibergesellschaft bezahlt worden.

1,9 Millionen Euro für „sonstige Leistungen“

Alt war bis zur Schieflage wohl die einzige echte Kontrollinstanz im Unternehmensgeflecht. Denn die Wismarer German Pellets GmbH hatte bis zuletzt weder einen Beirat noch einen Betriebsrat. Die Wertpapieraufsicht Bafin prüfte sämtliche Emissionsprospekte von German Pellets nur auf Vollständigkeit, nicht auf ihre inhaltliche Schlüssigkeit.

Einzig der Wirtschaftsprüfer war dazu verpflichtet, die Unternehmensdaten auch darauf zu kontrollieren, ob sie wirtschaftlich Sinn ergeben und den Grundsätzen eines ordentlichen kaufmännischen Gebarens entsprechen. Alt, der am kommenden Sonntag für die CDU bei den Kommunalwahlen antritt, hat wie auch Peter Leibold Wurzeln in Fulda. Seit 2015 trägt er das Bundesverdienstkreuz. Von 2010 bis 2014 hat Alt insgesamt 3,1 Millionen Euro Honorar für seine Prüfertätigkeit bei German Pellets erhalten, geht aus den Geschäftsberichten hervor. Darunter 1,9 Millionen Euro für „sonstige Leistungen“, die im Jahresabschluss nicht näher erläutert sind. Was diese „sonstigen Leistungen“ konkret beinhalteten, darüber macht Alt keine näheren Angaben.

Fest steht nur: Alt fungiert auch als Vorstand einer Stiftung in Wien, die im Geflecht von Leibolds Firmenreich eine bedeutende Rolle spielt – die Pele-Stiftung in der Tegetthoffstraße 7. Über diese Stiftung schleuste die Familie Leibold Ausleihungen von German Pellets in die USA, die dort zur „Sicherung der Produktion“ dienen sollten, wie versteckt im letzten Genussrechtsprospekt steht. Ein dreistelliger Millionenbetrag ist laut Ratingagentur Creditreform über den Umweg Wien in Amerika gelandet. Hintergrund: In den USA betreibt die Leibold-Familie zwei große Pellets-Produktionswerke, die nur indirekt über umfangreiche Liefergarantien und Bürgschaften mit der German Pellets Gruppe verbunden sind. Dorthin floss das an die Stiftung verliehene Anlegergeld, und zwar in der Form von Eigenkapital. Damit haben die Insolvenzverwalterin in Wismar und die Gläubiger von German Pellets vorerst keinen Zugriff mehr darauf.

„Walten wie ein Patriarch“

Alt könnte als ein Vorstand der Stiftung also einer der Akteure bei der Verschiebung deutscher Ersparnisse nach Übersee gewesen sein. Gleichzeitig hat er die Zahlen der German Pellets GmbH geprüft. Michael Olbrich, Leiter des Wirtschaftsprüfungsinstituts der Uni Saarbrücken, kommentiert: „Ein Wirtschaftsprüfer kann ohne Zweifel auch Vorstand einer Stiftung sein. Ich halte es jedoch für bedenklich, wenn diese Stiftung mit dem Unternehmen verbunden ist, das er prüft. Mir stellt sich hier die Frage nach der gebotenen Unabhängigkeit.“ Daniel Bauer von der Anlegerschutzgemeinschaft SdK wird noch deutlicher: „Es gab tatsächlich bis auf den Wirtschaftsprüfer keinerlei weitere Personen, die Kontrolle ausüben mussten (...). Da der Wirtschaftsprüfer unserer Einschätzung nach nicht unabhängig gewesen sein dürfte, konnte Herr Leibold unserer Meinung nach quasi walten wie ein Patriarch.“

Eine Flugstunde kostet nach Schätzungen von Experten rund 3000 Euro. (Foto: Mike Dietrich)
Leibolds Privatflugzeug vom Typ „Beech B 200 Super King Air“

Eine Flugstunde kostet nach Schätzungen von Experten rund 3000 Euro.

(Foto: Mike Dietrich)

Hans-Dieter Alt gab der Redaktion keine Stellungnahme zu seiner Rolle bei der Stiftung ab. Er unterstütze die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung der Vorgänge und wolle diesem Ablauf nicht durch öffentliche Stellungnahmen vorgreifen. Gegenüber der „Wiener Zeitung“ hatte er zuvor Interessenkonflikte bestritten. Die Staatsanwaltschaft Rostock ermittelt gegen Leibold wegen Verdachts auf Unterschlagung. Dieser schweigt zu den Vorwürfen.

Leibold war auch zu den Fragen der Aufsicht über seine Geschäftsführung und zu seinem Umgang mit dem Geld der Gläubiger nicht erreichbar. Seine Sprecherin gab keine Stellungnahme ab.

Leibolds „Beech B 200 Super King Air“ stand am Freitag wieder in Lübeck. Dort parkte die Maschine im passenden Umfeld: Der Flughafen Lübeck-Blankensee ist seit 2014 insolvent.

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