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Helene Fischer wird 30Von Sibirien auf den Schlagerthron

Steile Karriere mit überraschendem Ursprung. Heute vor 30 Jahren wurde Helene Fischer geboren. Ihr Geburtsort deutet kaum auf ihre außergewöhnliche Schlagerkarriere hin. Ein Ortsbesuch im tiefsten Sibirien.Stefan Kreitewolf 05.08.2014 - 12:00 Uhr Artikel anhören

Die Sängerin und Moderatorin Helene Fischer: Großer Auftritt in der TV-Show „Das große Fest der Besten“ im Januar 2014 im Berliner Velodrom.

Foto: dpa

Krasnojarsk. Autoabgase hängen in der Luft und vermischen sich mit Zigarettenrauch. Ein alter Trolleybus, braun und senfgelb, bahnt sich seinen Weg durch die Blechschlange. Er macht dabei ein Geräusch wie eine Kette, die über Kopfsteine geschleift wird. Der aufgesplitterte Asphalt lässt erahnen, dass hier im Winter alle Kälterekorde gebrochen werden.

Der Bahnhofsvorplatz empfängt Passagiere der Transsibirischen Eisenbahn, die den Ort durchquert, mit geballter Trostlosigkeit. Tourismus? Fehlanzeige. Im Bahnhof spricht niemand Englisch. Von einem Hang unweit der Station sind durch einen Schleier aus Schnee und Ruß Fabrikschlote zu erkennen, Kräne, hohe Mietskasernen, ein großer Fernsehturm. Die blinkende Turmspitze wäre so etwas wie der einzige karge Lichtblick von Krasnojarsk – wenn die sibirische Stadt nicht eine berühmte Tochter hätte: Helene Fischer.

Das Wahrzeichen der Stadt Krasnojarsk: Die „kommunale Brücke“ verbindet Wohngebiete und Industrie.

Foto: Handelsblatt

Dass die blondeste aller deutschen Schlagerqueens vor 30 Jahren hier zur Welt kam, weiß kaum einer ihrer Fans. Helene Fischer wurde als Russlanddeutsche in Krasnojarsk, Sibirien, geboren. Ihre Großeltern, Wolgadeutsche, kamen als Deportierte im Zweiten Weltkrieg nach Sibirien. Viele Jahre bemühten sie sich um eine Aussiedlung in die Bundesrepublik.

Wie sich später zeigen sollte, ermöglichte dies ihrer Tochter Helene nicht nur den Ausweg aus einer Jugend in der Sowjetunion, sondern ebnete den Weg für eine außergewöhnliche Schlagerkarriere in Deutschland. Helene kam mit vier Jahren nach Rheinland-Pfalz und ging mit 23 Jahren auf ihre erste Deutschlandtournee. Irgendwann in dieser Zeitspanne nahm Helene Fischer ihr Schicksal in die eigenen Hände.

Krasnojarsk: Hier wurde Helene Fischer geboren
Gründung
Russisches Zarenreich
Sowjetunion
Russische Föderation
Einwohnerentwicklung
Einwohner
Industriezentrum
Aluminiumwerk
Sehenswürdigkeiten

Möglicherweise aus der Erfahrung ihrer frühen Jahre in Krasnojarsk heraus, wusste sie, dass sich der Erfolg nur durch harte Arbeit und Eigeninitiative einstellt. Mit Anfang 20 schickte sie selbstaufgenommene Lieder an Musikmanager und Plattenfirmen. Es dauerte nicht lange, bis die sich bei ihr meldeten. Heute feiert sie ihren 30. Geburtstag und hat in der deutschen Musikbranche alles erreicht. Ihre Herkunft scheint ihre Karriere maßgeblich beeinflusst zu haben.

Krasnojarsk, die drittgrößte sibirische Stadt, 4500 Kilometer nordöstlich von Moskau in den Weiten Sibiriens gelegen, präsentiert sich als sowjetische Trabantenstadt. Die beiden Hauptstraßen – auch nach dem Ende der Sowjetunion weiterhin nach Karl Marx und Lenin benannt – bilden die Hauptachsen dieses Molochs.

Als Prospekte, breite von Bäumen gesäumte Prachtstraßen, angelegt, bummeln auf ihr heute keine Parteikader und Sowjetgrößen mehr. Betrunkene, Großmütter mit ihren Rollwägelchen und gelangweilte Jugendliche stampfen durch den dreckigen Schnee.
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Vom Gulag zur Millionenstadt und zurück
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Der unvermeidbare Lenin: Eine Statue erinnert an den Nationalhelden, der selbst einige Zeit in Sibirien lebte.

Foto: Handelsblatt

Grau in grau. Selbst die Gesichter der Menschen scheinen die Farbe der verwitterten Lenin-Statue angenommen zu haben. Die Stadt befindet sich im Niedergang. Daran kann auch das nahegelegene Aluminiumwerk „Krasnojarski Aljumunijewy sawod“ nichts ändern. Der Kollaps der russischen Wirtschaft in der Post-Sowjetära brachte Verzweiflung und Verfall. „Wer kann, der geht“, sagt der Moskauer Jurastudent Juri Sawjankow – wie die Familie von Helene Fischer.

Juris große Liebe ist der Jennissei. Der Strom fließt durch Krasnojarsk und spült noch immer Geld in die Kassen der Stadt. Er bildet die gemeinsame Identität der Krasnojarsker Einwohner. Rund 4.092 Kilometer fließt der Strom, der auch „Sibirischer Meridian“ genannt wird, weil er entlang des 90. Längengrads von Süd nach Nord zur Karasee des Polarmeers verläuft, durch die Einöde Sibiriens.

„Ohne den Jennissei gäbe es Krasnojarsk nicht“, sagt Juri und behält damit Recht. Die Stadt wurde 1628 von einem Kosakenverband als „Krasny Jar“, was in der Turksprache soviel wie „Schöner Abhang“ bedeutet, als Hafenstützpunkt angelegt. Den Status der Stadt erhielt Krasnojarsk 1690, als Sibirien endgültig in das russische Zarenreich eingegliedert wurde. Trotz des Friedens wuchs die Stadt nicht. Kein Wunder: Im heißen Sommer werden die Einwohner von Mücken geplagt und in den extremen Wintern beträgt die Durchschnittstemperatur minus 20 Grad.

Die Karriere von Helene Fischer
Herkunft
Umzug in die Bundesrepublik
Ausbildung
Anfänge
Durchbruch
Preise
Chartspitze
Reality-TV
Moderatorin
Atemlos durch die Nacht
Das Jahr 2014

Mit dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn 1895, die Krasnojarsk bis heute mit Moskau und Wladiwostok verbindet, kam der wirtschaftliche Aufschwung – und ein Strom von Deportierten. 1897 wurde Lenin für drei Jahre verbannt – ins 500 Kilometer südlich von Krasnojarsk gelegene Schuschenkoje.

Zu Sowjetzeiten vollzog die Siedlung eine rasante Entwicklung vom Gulag zum Industriestandort. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten 40.000 Menschen in Krasnojarsk. Heute sind es knapp eine Million. Die Stadt wuchs während des Krieges rasant – durch die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus dem Westen der Sowjetunion und durch die Verbannung politischer Gegner. Zwischen 1938 und 1956 wurden eine Million Menschen nach Krasnojarsk deportiert und zur Zwangsarbeit eingesetzt.

Den Grundstein für das rasante Wachstum bildet die 1899 eröffnete „kommunale Brücke“ über den Jennissei. Im Südwesten der Stadt überquert die Transsibirische Eisenbahn den Strom seither auf einer 1.000 Meter langen Stahlgitterbrücke. Sie ist das Wahrzeichen der Stadt und ziert den Zehnrubelschein. Dass dieser aufgrund seines Wertverlusts seit 2009 durch Münzen ersetzt wird, passt zu Helene Fischers Geburtsstadt.

Sowjetisches Fachwerk: Die Gebäude haben ihre beste Zeit schon lange hinter sich.

Foto: Handelsblatt

Die Lethargie gehört zu Krasnojarsk wie der Reichstag zu Berlin. Ein weithin sichtbares, inoffizielles Wahrzeichen von Krasnojarsk ist ein unvollendeter, 28 Stockwerke hoher Büroturm. Sein Bau war kurz vor der Perestroika begonnen und in den Wirren des Umbruchs gestoppt worden. Seither steht er sinnbildlich für den fortschreitenden Niedergang der Stadt.

„Es gibt hier zu viele Drogen, Kriminelle und Gewalt“, sagt Juri. Der Grund dafür sei die pure Langeweile als Resultat der steigenden Arbeitslosigkeit. Den Verfall seiner Heimat dokumentiert er mit der Kamera. Die Abgase der alten Ladas und Trolleybusse rauben ihm die Luft. Trotzdem zieht er abends atemlos durch die Stadt. Von einer Helene Fischer hat Juri noch nie gehört.

Kein Wunder, wollte ihre Familie doch unbedingt von dort weg. Hunderttausende Zuschauer kommen heute zu den Konzerten von Fischer, die von der Kritik „Germany’s Goldkehlchen“ („Die Zeit“) und „Fräulein Zuckerguss“ („Süddeutsche Zeitung“) genannt wird. Ein ARD-Porträt fand drei Millionen Zuschauer, die hinter die Kulissen schauen wollten.

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Kürzlich besang sie mit der deutschen Fußballnationalmannschaft den WM-Titel vor dem Brandenburger Tor. Wer einen Fernseher besitzt, kennt Helene Fischer. Wäre sie in Krasnojarsk geblieben, wäre es höchstwahrscheinlich nicht dazu gekommen.

Die Tochter des russlanddeutschen Sportlehrers Peter Fischer und seiner Frau Maria entdeckte früh ihre Liebe zur Musik. Gemeinsam mit ihrer sechs Jahre älteren Schwester Erika unterhielt Fischer bereits als Zweijährige Freunde und Familie auf Festlichkeiten mit musikalischen Einlagen. Russische Kinderlieder gehörten schon damals zu ihrem Repertoire.

Krasnojarsk hat bei Helene Fischer Spuren hinterlassen: Immer wieder baut sie heute russische Lieder in ihre Konzerte ein. Der Sprache ist sie dennoch nicht mächtig. Trotzdem bleibt sie ihrer Herkunft treu. Einem Schlagerportal sagte sie kürzlich, dass sie Russisch lernen wolle. „Die Sprache liegt mir sehr am Herzen“. Auch nach 30 Jahren, etlichen Auszeichnungen und Tourneen hat die Schlagerkönigin ihre sibirischen Wurzeln nicht vergessen.

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