Bronzeskulpturen: Fragen rund um den Guss

Wer eine Bronzeskulptur einschätzen will, braucht Kennerschaft. Hat man es mit einem zu Lebzeiten des Künstlers hergestellten Guss zu tun oder mit einer posthum entstandenen Bronze? Worauf muss geachtet werden?

06.08.2015 - 12:43 Uhr

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Eine ganze Herde in Bronze gegossener Affenskulpturen von Jörg Immendorff bevölkerte das Lager des ehemaligen Kunstberaters Helge Achenbach. Quelle: Van Ham Kunstauktionen

Foto: VAN-HAM

Sammler, die am Kauf einer werthaltigen Bronze interessiert sind, sollten sich folgende Fragen stellen:

Enthält der Guss einen Gießerstempel und Angaben zur Auflage (Anzahl der Verkaufsexemplare + Künstlerexemplare)? Nach den Erfahrungen von Gottlieb Leinz, ehem. Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Bildhauermuseen und Skulpturensammlungen e.V.“, ist auf die am Werk angegebene Auflagenzahl allerdings nicht restlos Verlass. Wurde das Ton- bzw. Gipsmodell nämlich nicht zerstört, nachdem die Auflage ausgegossen wurde, können Clevere, etwa andere Gießereien, eine oder weitere Auflagen mit denselben Maßen oder Varianten gießen lassen. Ist kein Künstlerexemplar verzeichnet, heißt das nicht unbedingt, dass es keines gibt. Es kann auch bedeuten, dass es eine nicht bekannte Anzahl von Künstlerexemplaren gibt.

Stimmen die Maße – bis auf den Millimeter? Beurteilungsmaßstab ist ein Guss aus der Auflage mit einwandfreier Provenienz. Ein Guss nach einem Bronzeoriginal gilt nicht als Original. Posthume Güsse nach Bronzeoriginalen sind nach den Statuten der Arbeitsgemeinschaft grundsätzlich abzulehnen.

Wurde die Vergrößerung und Verkleinerung durch den Künstler autorisiert oder wurden sie durch die posthumen Rechteinhaber initiiert? Dann wären sie aus kunsthistorischer Sicht abzulehnen, ebenso wie posthum kreierte Varianten. Posthume Verkleinerungen gehören nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft zur Gattung der Reproduktionen und nicht zum Oeuvre des Künstlers.

Wurde der Guss als posthum gekennzeichnet, was bisher kaum praktiziert wird, oder gibt es ein Zertifikat (was die Regel ist, aber auch oft gefälscht wird), das dem posthumen Guss unzweifelhaft zugeordnet werden kann und über ihn informiert? Da der Markt einen posthumen Guss viel preisgünstiger bewertet als einen zu Lebzeiten hergestellten Guss, bekommen die Provenienz und die Frage, woran man ihn erkennen kann, entscheidendes Gewicht.

Wie sieht die Patina aus? Güsse verschiedener Gießer haben meist eine unterschiedliche Patina. Deren materielle Zusammensetzung ist Leinz zufolge aufwendig zu mischen und bleibt deshalb ein Geheimnis des Gießers.

Sind die Auflage und die aus einer Auflage verkauften Exemplare in einem Verzeichnis der Gießerei oder in einem Werkverzeichnis dokumentiert? Und wer führt dieses Verzeichnis?

Fazit: Wer einen Bronzeguss erwirbt, sollte auf eine lückenlose und einwandfreie Provenienz achten. Auch sollte sich der Interessent bewusst sein, dass der Inhaber der Urheberrechte durchaus posthume Güsse herstellen darf, andererseits aber auch den Auftrag hat, über das Werk zu wachen und die Angaben am Werk selbst zu garantieren. Entscheidend ist letztlich die Frage nach dem Status des Werks in Bezug auf den Künstler. (Mehr im Handelsblatt v. 7.8.2015)

Einen verbindlichen Leitfaden liefert die „Handreichung zum Umgang mit posthumen Güssen“, in: „Posthume Güsse. Bilanz und Perspektiven. Eine Publikation der Arbeitsgemeinschaft Bildhauermuseen und Skulpturensammlungen e.V. und des Arp Museums Bahnhof Rolandseck“, Hrsg. Ursel Berger, Klaus Gallwitz und Gottlieb Leinz, Deutscher Kunstverlag Berlin, München 2009, S. 70-75