Gemeinfreiheit: Das Nolde-Museum muss Kunst verkaufen
Düsseldorf. Sein Auftritt auf der „Tefaf“ in Maastricht in diesem Jahr war fulminant. So viele farbfrisch leuchtende Aquarelle von Emil Nolde – in einer „one man show“ auf einer Kunstmesse – in höchster Qualität, dass einem der Atem stockt. Der Londoner Galerist Thomas Gibson hatte seinen Stand azurblau streichen lassen, um den musealen Werken einen würdigen Auftritt zu geben.
Denn museal war Gibsons Nolde-Parade buchstäblich, stammen die Aquarelle doch aus dem Nachlass des deutschen Expressionisten. Hüterin des Nachlasses ist die Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde in Seebüll bei Neukirchen. Sie betreibt im ehemaligen Wohnhaus samt prachtvollem, oft gemaltem Blumengarten eine Kultur- und Tourismusdestination, die zum Etat selbst beitragen muss.
Im Jahr 2026 wird Emil Nolde 70 Jahre tot sein. Dann erlischt der Urheberrechtsschutz, der geistiges Eigentum schützt und an dem die Künstlererbin bislang verdient. Noldes Gemälde, Grafik und Zeichnungen gelten ab 2026 als gemeinfrei. Das dürfte Auswirkungen haben auf die Nolde-Stiftung und den Handel. Wir fragen nach bei Christian Ring.
Der Direktor möchte keine Zahlen nennen. Ring räumt aber ein, dass die Gebühren bislang zehn Prozent des Stiftungsetats ausmachen. Sie fallen immer an, wenn eine Galerie, ein Auktionshaus, ein Autor, ein Buch- oder Postkarten-, Plakat- oder Merchandisingverleger ein Motiv abdrucken möchte. Fällt diese Einnahmequelle weg, müssen andere erschlossen werden.
„Nolde hat einen unveräußerlichen Bestand festgelegt für die Stiftung“, erläutert Ring. Der bleibt selbstverständlich unangetastet. Aus dem übrigen Bestand aber darf ein Gremium jene Werke für Verkauf oder Kommissionsgeschäfte herausfiltern, die mehrfach vorhanden sind oder von denen es eine Reihe sehr ähnlicher Arbeiten gibt. Natürlich fügt er an: „Die Abgabe von Kunst schmerzt mich als Wissenschaftler, Kunsthistoriker und Banker sehr.“ Aber das Testament habe Sonderprojektverkäufe vorgesehen. Und jetzt gelte es, „das Dach abzudichten“.
Das Auktionshaus Ketterer Kunst ist eine Top-Adresse in Deutschland für die Kunst des Expressionismus. Aus Sicht von Robert Ketterer bewirkt das meist geräuschlose Auslaufen der Schutzfrist keine Trendverschiebungen. „Den großen Vorteil haben die Käufer und Verkäufer, da der Kauf um vier Prozent günstiger wird und die Gebote dadurch höher ausfallen könnten.“
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