Künstliche Intelligenz: Ohne Mitwirkung des Menschen ist es keine Kunst

Die Tapisserie entstand im Dialog mit einem Text-Bild-Programm.
Düsseldorf. Das gab es noch nie. Der aus Schweden stammende Künstler Jonas Lund hat seine jüngste Schau durchgängig mit den neuen Software-Anwendungen ChatGPT und mit Stable Diffusion entwickelt.
„In the Middle of Nowhere“ eröffnet heute in der Galerie Office Impart in Berlin und läuft bis 10. März. Dafür nutzte Lund KI als Sparringspartner, „indem ich ChatGPT mit verschiedenen Szenarien konfrontiert und das Programm darüber aufgeklärt habe, wer ich bin.“ Dann wurden verschiedene Optionen diskutiert. „Aber letztendlich liegen alle Entscheidungen zum Konzept der Ausstellung als Wohnraum eines Nerds bei mir,“ schreibt der Künstler dem Handelsblatt in einem Email-Interview.
Die Entscheidungsgewalt ist wichtig, denn der 38-jährige Künstler agiert hier wie ein Regisseur und Kritiker. Das, was die Text-Bild-Modelle, etwa die von Lund verwendete Software Stable Diffusion, auswerfen „ist eine Art Einbahnstraße, bei der die Eingabeaufforderungen Bilder ausgeben. Ohne die weitere Intervention des Künstlers sind sie leere, hohle, maschinengeträumte Darstellungen, denen es an Intentionalität fehlt.“
Und Lunds Intention ist klar: Er ist kein Claqueur, er will hinter die Kulissen schauen und mit seiner Arbeit zum Nachdenken anregen. Die Ausstellung schaut aus wie der Wohnraum eines Nerds: Schreibtisch, ein Computer für die Netzarbeit, ein Fernseher, ein Sofa, bunte Bilder an den Wänden. Dort hängt ein großes Bild, das die Machtstrukturen und Wertesysteme der KI hinterfragt.
In „The Masters of the Leach“ haben die gut betuchten Herren Geschäftsführer offenbar die wilden Hunde von der Leine gelassen, denn sie sind selbst zu Hunden geworden. Dass sie mit Daten Geld verdienen macht der Serverraum deutlich in der unteren Reihe des dreiteiligen Bildes.

Blick in die Ausstellung bei Office Impart.
Der Stil des Werks erinnert an die Gebrauchsgrafik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Es sind Kompilationen und Überlagerungen, gesteuert vom Künstler am Rechner. „Insgesamt ist es definitiv nicht so einfach, ein paar Wörter einzugeben und am anderen Ende ein Kunstwerk zu erhalten,“ schreibt Lund.
Das Irritierende an dem Bild zum Datenbusiness ist, dass es ein Teppich ist. Das warme Gewebte als der größtmögliche Gegensatz zur sozialen Struktur jener schlecht bezahlten Heerscharen von Dienstleistern, die die Software trainieren müssen, damit Geschäftsführer Gewinn machen können. Große Teppich-Unikate kosten bei Office Impart 14.000 Euro, die kleineren im Format 80 mal 60 beginnen bei 3800 Euro.
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Ein anderes Kunstwerk ist ein Screen. Darauf laufen wellenförmig Namen und Funktionen: „Music Clearances: Jan van Eyck; Music Researcher: Agnes Cecile. Dialogue Editor: Gustav Klimt“. Wie beim Abspann im Kinofilm werden alle genannt, die an der Arbeit beteiligt waren, auch der CEO von Stable Diffusion, neben Meistern aus der Kunstgeschichte. Lunds sachlich-sarkastischer Kommentar zu den möglichen Auswirkungen der KI auf die Kunstwelt trägt den Titel „The End“.
Worin liegt für Jonas Lund der Unterschied zwischen prozessgenerierter KI-„Kunst“ und dem persönlichen Werk eines Künstlers, der KI als Instrument verwendet? „Kunst ist eine Form des Selbstausdrucks und der Kommunikation. So leistungsfähig KI auch sein mag, kann sie menschliche Erfahrung, Emotionen und die persönliche Note, die ein Künstler einbringen kann, nicht ersetzen,“ sagt Lund. Außerdem verweist er auf den institutionalisierten Kunstbetrieb.
Eines der Kriterien für Kunst ist schließlich nach der Institutionentheorie, dass sie von der Kunstwelt als solche akzeptiert wird. „Es ist keine Kunst, wenn kein Mensch daran mitgewirkt hat und es auch nicht von der Kunstwelt als Kunst anerkannt wurde.“
Die Rolle des Künstlers besteht nicht nur darin, etwas zu schaffen, sondern auch eine Aussage zu treffen, Fragen zu stellen und den Status quo in Frage zu stellen, meint Jonas Lund wie viele andere Künstler auch. KI kann zwar Inhalte generieren, aber sie kann keine neue Perspektive, keine kritische Stimme und keinen einzigartigen Blickwinkel einbringen.


Könnte Stable Diffusion nicht auch Fälschungen erzeugen? Eher nicht, winkt der techaffine Künstler ab. „Selbst wenn sie es wäre, ist die Bildproduktion der einfachste Schritt des Prozesses, um erfolgreiche Fälschungen zu schaffen. Der schwierige Teil ist die Beschaffung der richtigen Pigmente und Materialien, die Herstellung und Kontextualisierung.“
Die aktuelle Ausstellung von Jonas Lund ist perfekt getimt. Sie zeigt, es geht nicht um die Technologie, sondern darum, wie sie eingesetzt wird.
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