Art + Tech Report 2022: Käufer von Kunst-NFTs sind keine Spekulanten

Die Ausstellung versammelte neun internationale Künstler, die algorithmische oder generative Systeme als ihre künstlerische Sprache verwenden. Ihre Werkzeuge sind digitale Codes und Automatismen. Abgebildet von li.: „ //OG Flowers//„ von Cornelia Sollfrank und „New sculpt“ von 2013 von LaTurbo Avedon.
Düsseldorf. Brachial haben zertifizierte und handelbar gemachte digitale Objekte – Non Fungible Tokens (NFTs) – die Tür zu einer neuen Welt auf dem Kunstmarkt aufgestoßen. Mit 11,1 Milliarden Dollar Umsatz allein für das Jahr 2021. Das ist fast so viel wie der gesamte globale Onlinehandel mit Kunst, den der „Art Basel & UBS Report“ von 2022 mit 13,3 Millarden Dollar beziffert.
Doch obwohl NFTs kaum mehr wegzudenken sind: Es gibt keinen Konsens, was hier als Kunst zu bezeichnen ist. Und es hat sich auch noch keine Vorstellung gebildet, welche Rolle NFTs in der Kunstwelt der Zukunft spielen könnten. „Sprechen wir von Hype oder Zeitenwende“, fragen die Autorinnen des „Art + Tech Report 2022“. Das sind die Strategieberaterinnen Kerstin Gold und Kristina Leipold sowie die Mitbegründerinnen der Galerie Office Impart, Johanna Neuschäffer und Anne Schwanz.
Was die Initiatorinnen des zweiten Art + Tech Reports ermittelten, sind die Erwartungen und Ansprüche von Sammlern speziell an „art NFTs“, ihre Zusammensetzung nach Alter, finanziellem Einsatz und Aspekte, die den Kauf fördern oder auch hindern. Sogenannte „Collectibles“, also NFT-verbriefte digitale Versionen von Edelsneakern oder die Affen vom Bored Ape Yachtclub oder Cryptopunks, haben sie bei Seite gelassen.
Aus dem Gesamtbild der im Netz frei zugänglichen Erhebung lässt sich am Ende sehr wohl herauslesen, welche Rolle Kunst-NFTs künftig in der Kunstwelt spielen können. Galerien, Auktionshäuser, Museen und Start-ups dürften also gut beraten sein, sich diesen Report genauer anzusehen und daraus Schlüsse zu ziehen.
Im Prinzip entsteht nämlich gerade ein neues Segment, das keineswegs zwangsläufig nur in der von vielen noch skeptisch beäugten virtuellen Kryptosphäre angesiedelt sein muss. Es kann auch inmitten vertrauter Institutionen vermittelt werden – wenn diese die Chance denn ergreifen. Denn die Mehrzahl der 306 Befragten, nämlich 57 Prozent, ließ sich durch kuratierte Ausstellungen zu ihren art NFT-Käufen animieren. Noch mehr sind es, die sich in Zukunft gern von gut gemachten Ausstellungen zum Kauf motivieren lassen würden.

Von li:. Kristina Leipold, Kerstin Gold, Anne Schwanz und Johanna Neuschaeffer
Dazu passt, dass 85 Prozent der Befragten zum Zeitpunkt ihres NFT-Erwerbs bereits Kunst gesammelt haben, die sie auf dem traditionellen Markt erwarben. Ein überzeugendes künstlerisches Konzept ist denn auch für 88 Prozent das mit Abstand wichtigste Kriterium für ein gutes art NFT. Weniger wichtig sind eine hohe Auflösung der Darstellung, die Referenz an einen kunsthistorischen Kontext oder der Bekanntheitsgrad des NFT-Schöpfers.
Was die art NFT-Käuferinnen vor allem antreibt, sind drei Aspekte: das Wissen, dass Künstlerinnen und Künstler direkt prozentual von ihrem Erwerb profitieren, dass sie als Käufer an einem Paradigmenwechsel in der Kunstwelt teilhaben und die ästhetische Freude am digitalen Kunstwerk.
Immerhin die Hälfte findet es gut, dass sie sich keine Gedanken um Transport, Unterbringung, Hängung oder Versicherung machen müssen. Auf die Dauer wünscht sich eine Mehrheit jedoch Möglichkeiten, ihr NFT parallel außerhalb ihres digitalen Depots, dem Wallet, also in physischer Gestalt im eigenen Wohnumfeld präsentieren zu können.
Die Annahme, bei art NFTs ginge es vorrangig um Spekulation, hält fast 40 Prozent der Sammler, die mit NFTs noch keine Erfahrungen sammeln konnten, von einem Kauf ab. Eine Hürde stellt auch die technische Komplexität dar. Ein Viertel stößt sich an der Erwartung, nicht mit dem Kunstwerk „leben“ zu können wie mit einem Bild an der Wand oder einer Skulptur.
Eher gering ausgeprägt ist die Angst vor dem Risiko gehackt oder beraubt zu werden. Allerdings geben immerhin 31 Prozent aller Befragten, also nicht nur die Neulinge an, sie würden art NFTs eher kaufen, wenn sie sich beim Kaufprozedere sicherer fühlen würden.

Die Arbeit ist eine seltene Sammlung von frühen Netzkunstwerken, die von einem Netzkunstgenerator anonym erstellt wurden, einem historischen Datum in der Entstehungsgeschichte der Kryptowährung. Es geht um Fragen der digitalen Urheberschaft, der Originalität, des Urheberrechts und des Eigentums.
Das spekulative Element spielt für art NFT-Sammlerinnen eine überraschend nachrangige Rolle. Nur ein knappes Drittel ist der mögliche Profit bei einem Wiederverkauf wichtig. An erster Stelle rangiert mit 90 Prozent der Erkenntnisgewinn. 60 Prozent finden es gut, einer „Community“ anzugehören. Immerhin 21 Prozent geben an, bereits in fraktionalisierte NFTs, also in Anteile von hoch bezahlten Kunstwerken, investiert zu sein.
Die insgesamt relativ schwach bis mäßig ausgeprägte Profiterwartung macht den entscheidenden Unterschied zum kryptoaffinen NFT-Käufer aus, der Collectibles mit Wertversprechen, etwa CryptoPunks, CryptoKitties oder gelangweilte Affen, bevorzugt. Es ist diese, überwiegend sehr wohlhabende Gruppe, auf die sich der Art Basel & UBS Report besonders konzentriert.

Für den Art + Tech Report 2022 spielt die Klientel jedoch eine untergeordnete Rolle. Das passt zu den recht überschaubaren Summen, die durchschnittlich für ein art NFT eingesetzt werden. 62 Prozent der Befragten geben nicht mehr als 1000 Dollar aus.
Die Autorinnen des Reports haben allen Grund, für art NFTs optimistisch in die Zukunft zu blicken. Drei Viertel der Befragten plant, sich 2022 mindestens so viele art NFTs zuzulegen wie im letzten Jahr.
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